Die moralische Herrlichkeit des Herrn Jesus (19)
Wie Er Menschen prüfte und tadelte

John Gifford Bellett

© SoundWords, online seit: 15.07.2008, aktualisiert: 13.01.2021

Leitverse: Matthäus 9,28; 12,30; 15,10; 16,23; Lukas 7,42

Die moralischen Herrlichkeiten des Dienstes Christi werden besonders offenbar, wenn wir den Herrn Jesus in seiner Beziehung zu dem Menschen betrachten. Ohne Unterbrechung erquickt und dient Er dem Menschen in den verschiedensten Arten seiner Leiden. Zur gleichen Zeit offenbart Er ihm immer wieder in der deutlichsten Weise, dass der Mensch eine verderbte, aufrührerische, von Gott entfremdete Natur besitzt. Außerdem stellt Er ihn auf die Probe. Dieser Gedanke wird wenig beachtet, daher ist es umso wichtiger, dass wir uns damit näher beschäftigen. Wenn Er die Menschen lehrt, prüft der Herr sie zugleich, seien es nun die Volksmenge, seine Jünger, eine Hilfe suchende Schar oder seine Feinde, in welcher Stellung sie sich Ihm gegenüber befanden. Während Er mit seinen Jüngern umherzog und sie unterwies, führte Er sie beständig durch Übungen des Herzens und des Gewissens.

Auch die Volksmenge, die Ihm folgte, behandelte Er in gleicher Weise. „Hört und versteht!“ (Mt 15,10), rief Er ihnen zu, um so ihre Gesinnung zu prüfen, während Er sie belehrte. Zu etlichen, die mit ihren Krankheiten zu Ihm kamen, sagte Er: „Glaubt ihr, dass ich dies tun kann?“ (Mt 9,28). Die kananäische Frau ist ein bemerkenswertes Beispiel von der Art und Weise, wie Er diese Klasse von Personen auf die Probe stellte. Im Hause Simons wandte Er sich, nachdem Er die Geschichte von dem Menschen mit den zwei Schuldnern erzählt hatte, mit der Frage an Simon: „Wer nun von ihnen wird ihn am meisten lieben?“ (Lk 7,42). Ebenso stellte Er die Pharisäer, seine unermüdlichen Widersacher, beständig auf die Probe. Gerade das bewies besonders deutlich, dass es Christus war, mit dem sie es tun hatten. Wir lernen daraus, dass Er die Pharisäer nicht alle unter das gleiche Urteil stellte, sondern dass Er sie gern zur Buße leiten wollte.

In gleicher Weise verfährt Er mit seinen Jüngern, wenn Er ein Selbstgericht in ihnen wachruft. Wir lernen von seinen Belehrungen in Wirklichkeit nur dann etwas, wenn sowohl unser Verständnis als auch unser Herz und Gewissen in Tätigkeit gesetzt werden. Und diese Art und Weise, wie der Herr Jesus das im Einzelnen machte, ist sicher auch eine der moralischen Herrlichkeiten, die den Dienst Christi auszeichnen.

Doch noch mehr. In seinem Dienst dem Menschen gegenüber nimmt Jesus oft die Stellung eines Tadlers oder Verurteilers ein; und dies kann kaum anders sein, so wie es gegenwärtig unter den Menschen aussieht; aber bewunderungswürdig ist die Art und Weise seines Tadelns. Steht Er den Pharisäern gegenüber, deren irdische Gesinnung sich stets wider Ihn erhob, so nehmen seine Worte einen ernsten Ton an, wie zum Beispiel: „Wer nicht mit mir ist, ist gegen mich“ (Mt 12,30). Wendet Er sich hingegen zu denen, die Ihn angenommen hatten und Ihn liebten, die aber, um seine volle Gemeinschaft zu genießen, einer größeren Kraft des Glaubens und eines größeren Maßes von Licht bedurften, so bedient Er sich einer ganz anderen Sprache; Er sagt: „Wer nicht gegen euch ist, ist für euch“ (Lk 9,50).

In Matthäus 20,20-28, wo es sich um die zehn Jünger und die zwei Söhne des Zebedäus handelt, die einen Ehrenplatz in seinem Reich haben wollten, tritt Er auch in diesem Charakter vor uns. Zwar musste Er die Jünger zurechtweisen. Das ging nicht anders. Aber Er mildert seinen Verweis, so weit es geht, ab, weil Er an das Gute und Schöne, das sich bei ihnen fand, dachte! Welch einen ganz anderen Platz nimmt Er ein als seine unwilligen Jünger, die ihre Brüder in keiner Weise geschont zu sehen wünschten! Er prüft mit Geduld die ganze Frage und „scheidet das Köstliche vom Gemeinen aus“.

Ebenso wendet sich der Herr tadelnd an Johannes, als die Jünger jemanden, der nicht mit ihnen wandeln wollte, verboten hatten, im Namen Jesu Teufel auszutreiben. Doch in jenem Augenblick war das Herz des Johannes unter die Zucht des Herrn gekommen. Im Licht der vorhergehenden Worte Jesu (Lk 9,46-48), in denen der Herr ihre Eitelkeit und ihre Großmannssucht getadelt hatte, hatte er den begangenen Fehler entdeckt und machte nun eine Anspielung darauf, obwohl der Herr selbst die Sache mit keinem Worte erwähnt hatte. Und eben weil Johannes sich seines Fehlers bewusst war und ihn nun offen und ungeschminkt bekannte, antwortete ihm der Herr mit der größten Zartheit (siehe Lk 9,49.50).

Bei Johannes dem Täufer finden wir Ähnliches. Jesus tadelt ihn, aber unter welch einer gnädigen Berücksichtigung der Umstände! Johannes befand sich damals im Gefängnis. Wie würde der Herr das berücksichtigen! Dennoch musste Johannes auch einen Tadel bekommen, weil seine Botschaft an seinen Herrn einen Vorwurf an Ihn enthielt. Doch wie vorsichtig weist der Herr Jesus ihn zurecht! Er sendet Johannes eine Antwort zurück, die nur von diesem völlig verstanden und gewürdigt werden konnte. Er lässt ihm sagen: „Glückselig ist, wer irgend nicht an mir Anstoß nimmt“ (Mt 11,6). Selbst die Jünger des Johannes, welche die Botschaft ihres Meisters überbracht hatten, vermochten die Tragweite dieser Worte nicht zu verstehen. Jesus wollte Johannes vor sich selbst bloßstellen, nicht aber vor seinen Jüngern noch vor der Welt.

Die zurechtweisenden Worte ferner, die Jesus an die Emmausjünger, sowie die, die Er nach seiner Auferstehung an Thomas richtete, haben ihre besondere Schönheit.

Auch Petrus wird in Matthäus 16 und 17 getadelt; aber wie verschieden ist bei diesen beiden Gelegenheiten die Art der Zurechtweisung! Und alle diese Verschiedenheiten enthalten eine Fülle von Schönheit. Mag Jesus ernst oder milde, scharf oder schonend reden, mag der Ton seiner tadelnden Worte so zart sein, dass sie kaum mehr wie ein Verweis klingen – wie zum Beispiel, als Er zu Petrus sagt: „Was meinst du, Simon? Von wem erheben die Könige der Erde Zoll oder Steuer?“ –, oder mag der Tadel sich zu einer Höhe steigern, dass er fast einer Verwerfung gleichkommt wie zum Beispiel, als Petrus hören muss: „Geh hinter mich, Satan!“ (Mt 16,23): Stets können wir mit Bestimmtheit sagen, dass wir (nach Erwägung der Umstände, welche die Worte Jesu hervorriefen) in allen diesen Schattierungen ebenso viele Vollkommenheiten entdecken. Alle diese Verweise des Herrn waren wie „ein goldener Ohrring und ein Halsgeschmeide von feinem Gold“, mochte nun das „Ohr“ ein „hörendes“ sein oder nicht (Spr 25,12). „Der Gerechte schlage mich – es ist Güte. Und er strafe mich – es ist Öl des Hauptes“ (Ps 141,5). Das ist die Erfahrung, die der Herr seine Jünger machen ließ!

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Aus The Moral Glory of the Lord Jesus Christ


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