Das Johannesevangelium (8)
Kapitel 8

William Kelly

© SoundWords, online seit: 20.08.2001, aktualisiert: 10.12.2020

Leitverse: Johannes 8

Wir sind jetzt bei einem Abschnitt unseres Evangeliums angekommen, dessen äußere Verfassung dem überlegenden Menschen wie ein ernster Beweis menschlichen Unglaubens vorkommt, der hier so waghalsig ist, wie er gewöhnlich zögernd erscheint. Kein Evangelist hat hierbei so viel gelitten, nicht einmal Markus, dessen Ende von zwei der ältesten Manuskripte verschwindet. Aber so wie wir sahen, dass der Besuch des Engels, um das Wasser vom Teich Bethesda zu bewegen, nicht wenigen Abschreibern von Johannes 5 unbequem war, so machte hier wiederum der Unglaube einige abgeneigt, die Geschichte von der Ehebrecherin wiederzugeben. Dies geht klar aus einigen Kopien hervor, die eine Lücke lassen – eine ganz unerklärliche Tatsache, wenn der Schreiber nicht von einem Abschnitt gewusst hätte, der seinem Wissen nach bestand, aber nach seinem eigenen Ermessen sich dafür eignete, ausgelassen zu werden. Andere wiederum rückten diesen Bericht an eine andere Stelle, wie die Kopien 1,19,20,129,135,207,215,301,347,478 etc. an das Ende des Evangeliums; und 13,69,124,346 und 556 schreiben ihn sogar einem anderen Evangelisten zu, obwohl er dem Ton nach allen außer Johannes fremd ist und es keinen passenden Platz für ihn außer bei Johannes gibt, wie auch die meisten Autoritäten ihn einräumen. (Nr. 225 rückt ihn nach Kap. 7,36.) A (wahrscheinlich) B C (wahrscheinlich) T X mit vielen anderen und alten Versionen lassen den Abschnitt einfach weg; D F (unvollständig), G H K U T (unvollständig), mehr als 330 Abschriften und viele Fassungen haben ihn. Er ist in E M S II. etc. mit Sternchen oder Zeichen vermerkt. Die Variationen der Kopien, die ihn bringen, sind beträchtlich. Der kurze Überblick über das vorliegende Material mag für den normalen Leser genügen, da es mehr als genug ist, um die Besonderheit des Falles, äußerlich gesehen, zu beweisen.

Was die innere Erscheinung betrifft, so haben einige gegen den Abschnitt ins Feld geführt, dass er sich gänzlich vom übrigen Stil des Evangeliums unterscheide; und dies nicht bloß in Worten und Redensarten, die Johannes nie gebraucht, sondern auch in seiner ganzen Stellung und seinem ganzen Charakter, die mehr nach den synoptischen Evangelien aussehen.

All dies jedoch geht an dem positiven Gewicht der Wahrheit in diesem Abschnitt vorbei; und dass er gerade an diesem Punkt des Evangeliums so passend steht, ist für eine Fälschung oder Tradition außerordentlich schlecht denkbar. Der Herr offenbart das wahre Licht in seiner Person, als Gegensatz zu anderen, die sich des Gesetzes rühmten. Wir haben ihre gewissenlose Diskussion im vorhergehenden Kapitel gesehen.

Verse 1.2

Joh 8,1.2: Und ein jeder ging nach seinem Hause. Jesus aber ging nach dem Ölberg. Frühmorgens aber kam er wiederum in den Tempel, und alles Volk kam zu ihm: und er setzte sich und lehrte sie.

Abseits von der Ungewissheit und Verachtung der Menschen zog sich der Sohn Gottes zurück, um sich der Gemeinschaft mit dem Vater zu erfreuen. Von dort kehrt Er zum Dienst zurück.

Die Gewohnheit des Herrn, frühmorgens zum Tempel zu gehen und zu lehren, wie sie Lukas (in Lk 21,37.38; 22,39) berichtet, ist ein seltsamer Grund, nicht zu glauben, dass Johannes dieses besondere Ereignis erwähnt habe. Auch gibt es keinen Grund, in Frage zu stellen, dass es nicht bloß „die Menge“, sondern „das Volk“ im weiten Sinne war, das hier zur Lehre des Herrn im Tempel zusammenströmte.

Verse 3-6

Joh 8,3-6: Die Schriftgelehrten und die Pharisäer aber bringen eine Frau [zu ihm], im Ehebruch ergriffen, und stellen sie in die Mitte und sagen zu ihm: Lehrer, diese Frau ist im Ehebruch, auf der Tat selbst, ergriffen worden. In dem Gesetz aber hat uns Moses geboten, solche zu steinigen; du nun, was sagst du? Dies aber sagten sie, ihn zu versuchen, auf dass sie etwas hätten, um ihn anzuklagen. Jesus aber bückte sich nieder und schrieb mit dem Finger auf die Erde.

So ist der Mensch in seinem besten Zustand, wenn er Jesus sieht und hört, aber die Gnade und Wahrheit ablehnt, die durch Ihn geworden sind. Sie waren keine ungelehrten und unwissenden Menschen, sondern in den Schriften bewandert; sie waren nicht die Volksmenge, die das Gesetz nicht kannte, sondern sie besaßen den höchsten Ruf für Religiosität. Auch konnte es hinsichtlich der Schuld und Degradierung der Frau keine Frage geben. Es wird nicht klar, warum sie die Frau brachten und nicht ihren Partner. Aber sie brachten sie in der Hoffnung, nicht nur den Herrn zu verwirren, sondern Grund zur Anklage gegen Ihn zu finden. Es erschien ihnen als ein Dilemma, aus dem es keinen Ausweg gab. Mose, sagten sie, hat den Juden befohlen, solche wie sie zu steinigen. Was sagte Jesus? Wenn Er nur den Beschluss des Gesetzes bestätigte – wo blieb dann die Gnade, der Er sich so rühmte? Wenn Er sie laufen ließ – setzte Er sich dann nicht offensichtlich in Opposition gegen den HERRN, nicht nur gegen Mose? Wie war ihre Schlechtigkeit doch abgrundtief! Kein Abscheu vor der Sünde selbst in ihrer dunkelsten Form, sondern eine gefühllose Verdrehung der Wahrheit bei der ertappten Ehebrecherin, um den Heiligen Gottes hereinzulegen.

Aber wenn der Herr auf den Boden schrieb, so war das keineswegs so, dass Er sie nicht hörte. Vielmehr geschah das, um ihnen Zeit zu geben, ihre schuldvolle Frage abzuwägen und ihr noch schuldigeres Motiv, während ihre Hoffnung, Ihn zu versuchen, sie mehr und mehr verriet, sich bloßzustellen, während Er sich zu Boden bückte.

Verse 7-9

Joh 8,7-9: Als sie aber fortfuhren, ihn zu fragen, richtete er sich auf und sprach zu ihnen: Wer von euch ohne Sünde ist, werfe zuerst den Stein auf sie. Und wiederum bückte er sich nieder und schrieb auf die Erde. Als sie aber dies hörten, gingen sie einer nach dem anderen hinaus, anfangend von den Ältesten bis zu den Letzten; und Jesus wurde allein gelassen mit der Frau in der Mitte.

So zeigte sich der Herr selbst als das wahre Licht, das jeden Menschen erleuchtet. Sie waren in ihrer Verurteilung von der Ehebrecherin mit dem Gesetz beschäftigt und versuchten in der Tat noch viel mehr, den Herrn selbst zu verdammen. Doch dabei wird von diesen wenigen ernsten Worten ihre Finsternis bloßgelegt. Gott richtet die Sünde, nicht bloß grobe Sünden, sondern jede Sünde, sei sie, was sie wolle; und der Richter der Lebendigen und der Toten war der, der sie so durch und durch erforschte. Es ging für beide jetzt nicht um das Gesetz: Sie schreckten beschämt vor dem Licht zurück, selbst wo Jesus sich doch wieder niederbückte und auf dem Boden schrieb. Sicherlich hörte Er ihre Frage und erkannte ihr schlechtes Ziel, so verschleiert es auch war; und jetzt hörten sie Ihn und wurden vor seinen alles herniederreißenden Worten des Lichtes feige. In ihrem Gewissen überführt, aber in keiner Weise bußfertig, versuchten sie, sich davonzustehlen, denn sie schämten sich, das Angesicht Dessen zu sehen, Der sich so noch einmal niederbeugte und ihnen Zeit gab, sich zurückzuziehen, wenn sie sich weigerten, sich selbst mit gebrochenem Geist und herzensechtem Bekenntnis niederzubeugen.

Es ist jedoch nicht das Ziel des Abschnittes, dies zu illustrieren, sondern die Erhabenheit des göttlichen Lichtes in Jesus soll herausgestellt werden, wenn Er sich auch noch so herabbeugte und in der Gegenwart so stolzer Menschen war. Und sie gingen einer nach dem anderen hinaus, anfangend von den Ältesten bis zu den Letzten, anfangend bei denen, die am meisten fürchteten, bloßgestellt zu werden – ein Bloßstellen, das die Jüngsten, die nur weniger sich ihrer Mitgenossen schämten als Jesu, der das Gefühl aufgeweckt hatte, auch nicht ertragen konnten. Wie schrecklich der Gegensatz zu ihrem eigenen herrlichen Sänger, der trotz seiner Sünden durch Gnade sagen konnte: „Du bist meine Zuflucht!“ – Zuflucht nehmen bei Gott, nicht fern von Ihm, und vor sich Einen zu haben, der alle Ungerechtigkeiten bedecken konnte und wollte und sie nicht zurechnen würde. Unser Versuch, unsere Sünden zu verbergen oder aus seiner Gegenwart zu fliehen, sind vergeblich. Aber der Unglaube vertraut auf sich selbst, nicht auf Ihn, und er verrät den Willen, von seinem Licht fortzukommen, wie es für eine kleine Zeit, bis das Gericht kommt, möglich ist. Wie wird es dann sein? Es wird dann ihre Aufgabe sein, sich in Schmach und ewiger Verachtung niederzubeugen, wenn man nicht einen Augenblick entfliehen kann und alles für in alle Ewigkeit festgelegt ist.

Jesus wurde dann allein gelassen, soweit es die Ihn versuchenden Schriftgelehrten und Pharisäer und die Frau in der Mitte betraf; denn „alles Volk“ scheint Ihn umgeben zu haben, und Er redet es in einer nachfolgenden Rede an, die sich auf gerade diesen Zwischenfall zu gründen scheint, da er dafür die Gelegenheit bot ( siehe Joh 8,12-20).

Verse 10.11

Joh 8,10.11: Als aber Jesus sich aufrichtete [und außer der Frau niemand sah], sprach er zu ihr: Frau, wo sind jene, [deine Verkläger]? Hat niemand dich verurteilt? Sie aber sprach: Niemand, Herr. Jesus aber sprach zu ihr: So verurteile auch ich dich nicht; gehe hin und sündige nicht mehr.]

Es ist der Fehler von Augustinus sowie von anderen in modernen und alten Zeiten, dass wir hier „Elend“ in der Gegenwart von „Mitleid“ haben, was bei der Szene am Ende von Lukas 7 mehr der Wahrheit entspricht.

Hier handelt der Herr als Ich, nicht nur im Bloßstellen seiner selbstgerechten und sündigen Gegner, sondern überall. Es gab jedoch keinen Grund für sein Aufdecken der Frau, die auf frischer Tat ertappt worden war. Deshalb war die Unwissenheit der Schriftgelehrten bzw. Schreiber, die die Geschichte ausließen, ebenso auffallend, wie ihre Unfrömmigkeit unverzeihlich war. Es gibt nicht die geringste Andeutung von Leichtfertigkeit bei der Behandlung ihrer Sünde. Der Herr stellt einfach die Tatsache heraus, dass ihre Ankläger sich von dem Licht, das ihr Gewissen überführte, zurückzogen, als das Gesetz schließlich versagt hatte, das Licht zu erreichen; und ebenso wie sie sie nicht verurteilen konnten, weil sie nicht weniger wahr als sie Sünder waren, so wollte Er sie nicht verurteilen. Es war nicht seine Aufgabe, sich mit Kriminalfällen und Fällen normaler Art abzugeben. Aber wenn die Gnade und Wahrheit durch Ihn geworden sind, so ist Er nichtsdestoweniger das wahre Licht; und so bleibt Er es hier. So wie wir nichts über Buße oder Glauben bei der Frau hören, so haben wir auch nicht solche Worte von Ihm wie dieses: „Deine Sünden sind dir vergeben“, „Dein Glaube hat dich gerettet“, „Gehe hin in Frieden“. Er ist noch das Licht und geht nicht über die Worte „Gehe hin und sündige nicht mehr“ hinaus. Später wird Er als König richten und gerecht urteilen; bei ihrer ebenen Vorführung spricht Er als „Lehrer“ und nicht als Beamter. Und es ging um die Sünde, aber höchst unerwarteterweise um ihre eigene und um ihre Sünden, wenn sie dem Licht Gottes gegenübertreten.

Die Worte unseres Herrn werden außerordentlich durch solche herabgesetzt, die folgern, dass Er für die Ankläger oder die Angeklagte die Sünde auf jene Verletzung der Reinheit, deren die Frau schuldig war, beschränkt. Er meint jede und jegliche Sünde: Sie ist für Gott, der Licht ist und in welchem gar keine Finsternis ist, unerträglich.

Der Herr setzt seine Lehre an das Volk fort, aber nicht ohne Anspielung auf den Zwischenfall, der sich gerade ereignet hatte, oder vielmehr auf den Charakter, mit dem Er damit umgegangen war. Nichts kann offenbarer sein als das wahre Licht, das damals schien und jeden Menschen erleuchtete. Es ist umso auffallender, als das Wort „Licht“ nicht bei jener Situation auftaucht; aber die Tatsache ist ganz und gar in Harmonie mit dem, was unmittelbar darauf folgt.

Verse 12

Joh 8,12: Wiederum nun redete Jesus zu ihnen und sprach: Ich bin das Licht der Welt; wer mir nachfolgt, wird nicht in der Finsternis wandeln, sondern wird das Licht des Lebens haben.

Seine Verwerfung vonseiten der Juden stellt Ihn in einem noch besseren Charakter des Segens und der Herrlichkeit für andere heraus. In unserem Kapitel jedoch redet der Geist von dem, was Er persönlich und unabhängig von allen Umständen und über alle Verfügungen hinausgehend ist. Er ist „das Licht der Welt“. Seine Herrlichkeit und seine Gnade konnten nicht auf Israel begrenzt sein. Er ist gekommen, um von Satans Macht zu befreien und die Freude an Gott und dem Vater zu geben. Wie groß auch immer die Finsternis der Menschen sein mag – und sie war jetzt unter den Juden sehr schlimm –, so heißt es: „Wer mir nachfolgt, wird nicht in der Finsternis wandeln, sondern wird das Licht des Lebens haben.“ Der Christ ist nicht nur aus der Finsternis in Gottes wunderbares Licht berufen, sondern er wird auch Licht in dem Herrn, ein Kind des Lichtes, und er wandelt in dem Licht, da er zu Gott gebracht ist, der Licht ist; und in dem Licht haben wir, wie Johannes sagt, Gemeinschaft untereinander, denn in Ihm ist Leben und Licht; oder, wie Er hier sagt, wer Ihm nachfolgt, hat „das Licht des Lebens“. Er hat Christus, der beides ist.

Solch ein kraftvolles Zeugnis erregt den Stolz und die Feindschaft derer, die zuhörten. Sie mussten empfinden, dass Er von einem Vorrecht und Segen sprach, dessen sie sich nicht freuen konnten.

Verse 13.14

Joh 8,13.14: Da sprachen die Pharisäer zu ihm: Du zeugst von dir selbst, dein Zeugnis ist nicht wahr. Jesus antwortete und sprach zu ihnen: Auch wenn ich von mir selbst zeuge, ist mein Zeugnis wahr, weil ich weiß, woher ich gekommen bin und wohin ich gehe.

Sie kehren seine eigenen Worte in Johannes 5,31 um gegen Ihn, aber auf eine höchst unfaire Weise. Denn dort sprach Er von einem menschlichen Zeugnis und dem Zeugnis allein gegeben, so wie es die Eitelkeit tut; hier hat Er, wie Er fortfährt zu zeigen, die allerhöchste ureigene Unterstützung Gottes selbst.

Sie kannten weder den Vater noch den Sohn in irgendeiner Weise. Sie dachten niemals an den Himmel. Der Herr lebte in dem ständigen Bewusstsein der Wahrheit seiner Person und seines Auftrages; und sein Zeugnis war untrennbar von dem des Vaters. Wie Er anderswo sagt: „Ich und der Vater sind eins“, was bei der göttlichen Natur nicht mehr zutrifft als bei dem Zeugnis an die Menschen. Er verlor nie für einen Augenblick das Bewusstsein, woher Er kam und wohin Er ging, wohingegen sie von beidem keine rechte Ahnung hatten. Sie befanden sich in tiefster Dunkelheit, obwohl das Licht da in Ihm leuchtete. Wie wahr konnte Er deshalb sagen:

Verse 15-17

Joh 8,15-17: Wenn ich aber auch richte, so ist mein Gericht wahr, weil ich nicht allein bin, sondern ich und der Vater, der mich gesandt hat. Aber auch in eurem Gesetz steht geschrieben, dass das Zeugnis zweier Menschen wahr ist. Aber auch in eurem Gesetz steht geschrieben, dass das Zeugnis zweier Menschen wahr ist.

Das Ich ist die Quelle und das Ziel aller fleischlichen Aktivität, nach der die Juden richteten. Christus brachte Liebe und Licht in die Welt. Er richtete niemand; Er diente allen. Das machte Ihn für die Selbstgefälligen unerträglich. Und doch soll Er der Richter aller sein. In seiner Auferstehung hat Gott das Pfand gegeben, dass Er die Welt richten soll; denn aufgrund seiner eigenen Person ist Er der Geeignete zum Richten, weil Er Sohn des Menschen und Sohn Gottes ist: „Wenn ich aber auch richte, so ist mein Gericht wahr, weil ich nicht allein bin, sondern ich und der Vater, der mich gesandt hat.“ Es war ein anerkanntes Prinzip, dass jede Sache auf dem Mund von zwei oder drei Zeugen bestehen sollte. Hieran appelliert der Herr hier in Vers 17. Wie viel mehr ist das bei dem Zeugnis des Vaters und des Sohnes der Fall!

Vers 18

Joh 8,18: Ich bin es, der von mir selbst zeugt, und der Vater, der mich gesandt hat, zeugt von mir.

Hiervon hatte der Herr auch schon in Kapitel 5 gesprochen, aber sie hatten nicht so zugehört, dass sie es aufgenommen hatten, sondern nur, um Ihn zu verachten.

Vers 19

Joh 8,19: Da sprachen sie zu ihm: Wo ist dein Vater? Jesus antwortete: Ihr kennet weder mich noch meinen Vater; wenn ihr mich gekannt hättet, so würdet ihr auch meinen Vater gekannt haben.

Solche Unkenntnis von dem allein wahren Gott und Jesus, den Er gesandt hat, ist Tod, ewiger Tod; und das umso ernster, weil es nicht den Heiden gesagt wurde, sondern Juden, die die Weissagungen Gottes besaßen. Sie sagten dies, weil sie weder den Vater noch den Sohn kannten; denn die Stunde würde kommen, wo sie glauben würden, Gott einen Gefallen zu erweisen, wenn sie Christi Jünger töteten. Ihr Reden und Tun offenbarte ihren Zustand äußerster Entfremdung von dem Vater und Unkenntnis von Ihm. Alles, was an Verfolgung und Hass folgte, ob für Christus oder für die Versammlung, war nur die Konsequenz daraus.

Vers 20

Joh 8,20: Diese Worte redete er in der Schatzkammer, lehrend in dem Tempel; und niemand griff ihn, denn seine Stunde war noch nicht gekommen.

Ihr Groll war so deutlich und ebenso sehr tödlich; und er richtete sich gegen den Vater ebenso wie gegen den Sohn. Aber trotz ihres Willens waren sie machtlos, bis die Zelt gekommen war. Dann wurde Er ihrer mörderischen Bosheit überantwortet; dann vollendeten sich noch viel tiefere Ratschlüsse durch sein Opfer. Wenn Er auf der einen Seite ausgeschlossen war und nichts von seinen messianischen Rechten in der Mitte der Juden im Lande hatte, so sollte Er auf der anderen Seite für Sünden sterben, der Gerechte für die Ungerechten, um alle, die glauben, zu Gott zu bringen, damit sie in der Höhe verherrlicht würden und damit Er eine Braut habe, die mit Ihm in seiner Erhabenheit über alle Dinge vereint werde. Aber dies würde uns zu der Lehre des Apostels Paulus führen. Lasst uns die Linie verfolgen, die Johannes gegeben ist, wo wir das fleischgewordene Wort schauen und seine göttliche Herrlichkeit, wie sie durch den Schleier der Erniedrigung hindurchleuchtet, und zwar in diesem Kapitel besonders: erst als überführendes Licht, dann als das Licht des Lebens, das die besitzen, die Ihm nachfolgen.* Aber wenn auch seine Worte verworfen wurden, so war Er doch der Sohn, der allein freimachen kann, ja der ICH BIN, wenn sich auch die Menschen sein Menschsein zunutze machten, um Ihn zu verachten, zu steinigen und zu kreuzigen, wie es ihnen gefällt.

Die nächste Rede bezieht sich auf die Ankündigung seines Fortgehens vonseiten Jesu – eine Wahrheit von höchst ernster Bedeutung, besonders für Israel, das dafür verantwortlich war, Ihn als ihren Messias anzunehmen.

Verse 21-24

Joh 8,21-24: Er sprach nun wiederum zu ihnen: Ich gehe hin, und ihr werdet mich suchen und werdet in eurer Sünde sterben; wo ich hingehe, könnt ihr nicht hinkommen. Da sagten die Juden: Er will sich doch nicht selbst töten, dass er spricht: Wo ich hingehe, könnt ihr nicht hinkommen? – Und er sprach zu ihnen: Ihr seid von dem, was unten ist, ich bin von dem, was oben ist; ihr seid von dieser Welt, ich bin nicht von dieser Welt. Daher sagte ich euch, dass ihr in euren Sünden sterben werdet; denn wenn ihr nicht glauben werdet, dass ich es bin, so werdet ihr in euren Sünden sterben.

Das Fortgehen Jesu nach seinem Kommen ist der Umsturz des Judentums und die notwendige Grundlage des Christentums. Wir müssen uns also nicht wundern, wenn unser Herr immer wieder darauf zu sprechen kommt und auf seine moralischen Verbindungen und Konsequenzen und vor allem auf seine Bedeutung für Ihn persönlich, was immer der oberste Gedanke unseres Evangelisten ist. Er war im Begriff zu gehen, und sie würden Ihn suchen und in ihren Sünden sterben. Sie suchten falsch und fanden Ihn nicht. Sie suchten einen Messias, damit sie ihren Ehrgeiz und ihre weltlichen Gelüste befriedigen könnten; und so ist nicht der Messias Gottes, der jetzt von solchen gefunden wird, die Ihn nicht gesucht haben, nachdem Er seine Hände immerfort nach einem rebellischen Volk ausgestreckt hat, das alles andere als gut wandelte, nämlich nach ihren eigenen Gedanken lebte. Aber Gott lässt sich nicht spotten, und wer auf das Fleisch sät, erntet Verderben; wenn es nicht öffentliches Gericht gibt, so ist doch nichtsdestoweniger der Lohn des Bösen in der schuldigen Brust. „Ihr werdet in euren Sünden sterben.“ Sie verwarfen Christus und hingen an ihrem eigenen Willen und ihrem eigenen Weg. Es gab keine Gemeinschaft zwischen ihnen und Ihm. „Meine Seele hat sie verabscheut, und ihre Seele hat auch mich verabscheut.“ Der Ausgang würde es noch deutlicher machen: „Wo ich hingehe, könnt ihr nicht hinkommen.“ Sie konnten Ihm nicht folgen.

Der Herr war im Begriff, in den Himmel zu gehen, zu seinem Vater. Ihr Schatz war nicht dort und deshalb auch nicht ihr Herz, wie bei Ihm. Wie die Gnade das Herz des Gläubigen zu Christus hin zieht, so folgt also der Glaube Ihm dorthin, wo Er ist; Er wird kommen und uns zur rechten Zeit dorthin bringen, damit wir auch da seien, wo Er ist. Der Unglaube haftet an dem Ich, an der Erde und an gegenwärtigen Dingen; und so war und ist es mit den Juden: „Wo ich hingehe, könnt ihr nicht hinkommen.“ Sie verwarfen den Einen, der von der Erde abbringen und für den Himmel geeignet machen konnte, der ihnen in ihrer Sünde begegnete, damit sie nicht darin sterben sollten, sondern durch Ihn leben sollten. Aber sie wollten Ihn nicht haben und sind verloren, und sie bewiesen das durch ihre gänzlich falsche Einschätzung von Ihm und von sich selbst in Gegenwart oder Vergangenheit, wie wir in dem Folgenden sehen. „Da sagten die Juden: Er will sich doch nicht selbst töten, dass er spricht: Wo ich hingehe, könnt ihr nicht hinkommen.“ Es gab nichts, was so böse war, dass sie es Ihm nicht zutrauten, den sie mehr und mehr hassten.

Aber Er sagt ihnen noch mehr. „Und er sprach zu ihnen; Ihr seid von dem, was unten ist, ich bin von dem, was oben ist; ihr seid von dieser Welt … ich bin nicht von dieser Welt. Daher sagte ich euch, dass ihr in euren Sünden sterben werdet.“ Hier offenbart der Herr ernst die Ursachen der Dinge. Von dieser Welt zu sein, bedeutet jetzt nicht, bloß von der Erde zu sein, sondern von unten. So ist der Jude, der Jesus verwirft, der nicht von dieser Welt, sondern von oben ist. Deshalb sollten sie in ihren Sünden sterben: Ihre Natur war böse wie ihre Werke, und sie lehnten das einzige Licht des Lebens ab – wie sollten sie anders enden? „Denn wenn ihr nicht glauben werdet, dass ich es bin, so werdet ihr in euren Sünden sterben.“ Die Wahrheit leuchtet voll von einem verworfenen Christus her – nicht nur seine persönliche Herrlichkeit, sondern auch ihre Unterwerfung unter Satan, der sie gebraucht, um Ihn zu verunehren. Aber seine Verwerfung ist ihr ewiges Verderben. Sie sterben in ihren Sünden und haben den als Richter, dem sie es ablehnten, zum ewigen Leben zu glauben.

Vers 25

Joh 8,25: Da sprachen sie zu ihm: Wer bist du? Jesus sprach zu ihnen: Durchaus das, was ich auch zu euch rede.

Jesus ist nicht bloß der Weg und das Leben, sondern auch die Wahrheit. Er ist im Grunde seines Seins das, was Er auch redet. Es konnte keine weniger erwartete Antwort gegeben werden und auch keine, die ihre Gedanken über sich und über Ihn noch schroffer abfertigte. Er allein von allen Menschen konnte so viel sagen; und doch war Er der Niedrigste der Menschen. Sein Handeln und seine Worte waren in vollkommener Übereinstimmung; und alles brachte die Absicht Gottes zum Ausdruck. Es ist nicht bloß so, dass Er tut, was Er sagt, sondern Er ist durch und durch und im Wesentlichen das, was Er auch in der Rede ausdrückt. Die Wahrheit ist die Wirklichkeit von ausgesprochenen Dingen. Er kann Gott nicht kennen außer durch Ihn selbst; auch können wir nicht den Menschen kennen außer durch Ihn. Gutes und Böses wird nur durch Ihn offenbar gemacht oder entdeckt, und Er macht sich eins mit seiner Rede.

So war der Eine, den die Juden da verwarfen. Sie haben damals und dort die Wahrheit verloren. Es ist unmöglich, die Wahrheit ohne Jesus zu haben, der hinzufügt:

Vers 26

Joh 8,26: Vieles habe ich über euch zu reden und zu richten, aber der mich gesandt hat, ist wahrhaftig; und ich, was ich von ihm gehört habe, das rede ich zu der Welt.

Er war ein Diener, wenn Er auch der Sohn war. Und Er redete, was dem Vater als notwendige Wahrheit auszusprechen gefiel. Er redete nicht entsprechend dem Überfluss dessen, was Er zu sagen und zu richten hatte im Hinblick auf die Juden.

Es ist unmöglich, den Vater zu kennen, wenn man den Sohn nicht annimmt; und Ihn verwarfen sie, wie sie es bis zum Kreuz hin taten.

Verse 27-29

Joh 8,27-29: Sie erkannten nicht, dass er von dem Vater zu ihnen sprach. Da sprach Jesus zu ihnen: Wenn ihr den Sohn des Menschen erhöht haben werdet, dann werdet ihr erkennen, dass ich es bin und dass ich nichts von mir selbst tue, sondern wie der Vater mich gelehrt hat, das rede ich. Und der mich gesandt hat, ist mit mir; er hat mich nicht allein gelassen, weil ich allezeit das ihm Wohlgefällige tue.

Es ist die gegenwärtige Wahrheit, die Gott darbietet, um die Seele zu prüfen. Ein früheres Zeugnis, auch wenn es noch so wahr ist, reizt nicht in derselben Weise zur Opposition. Oft bedient sich in der Tat auch der Unglaube selbst der Vergangenheit, um seinen gegenwärtigen Kampf gegen das, was Gott tut, zu stärken. So bedienen sich die Juden der Einheit Gottes, um den Sohn und den Vater zu leugnen, denn sie wussten nicht, von Wem Jesus redete. sein Kreuz könnte sie nicht göttlich überführen oder ihr Herz für Gott gewinnen; aber es würde sie der überlegten und absichtlichen Verwerfung des Messias überführen und beweisen, dass das, was Er redete, von höchster Autorität her geredet wurde. So wie Er gesandt wurde, so wurde Er gelehrt. Der Vater war auch bei Ihm, denn Christus tat immer, was Ihm wohlgefällig war. Wenn wir das in unserem Maß kennen, wie viel voller und unerschütterlicher war es bei Ihm wahr, der keine Sünde tat und bei dem keine Arglist gefunden wurde!

Wie ernst ist es, die Wucht der folgenden Worte zu ermessen: „Wenn ihr den Sohn des Menschen erhöht haben werdet, dann werdet ihr erkennen, dass ich es bin und dass ich nichts von mir selbst tue, sondern wie der Vater mich gelehrt hat, das rede ich.“ Denn der Sohn des Menschen ist gleicherweise sein Titel als der verworfene Messias und als der ernannte Richter der Lebendigen und der Toten. So wurde Er gekreuzigt, und so kehrt Er zu dem Reich umfassender Herrlichkeit zurück, wie in Psalm 8 und Daniel 7. Wie schrecklich, dies zu spät zu erkennen, wenn der Stolz der Buße zum Erkennen der Wahrheit die Tür verschlossen hat!

Es ist eine ermutigende Tatsache, dass eine Zeit ungläubiger Herabsetzung von Gott gebraucht werden kann, um ausgedehnt in Seelen zu wirken.

Vers 30

Joh 8,30: Als er dies redete, glaubten viele an ihn.

Aber der Glaube ist, wenn er göttlich gewirkt ist, nicht trennbar von dem Leben und lebt sich selbst in Freiheit aus und ist dem Sohn Gottes unterworfen; wo er menschlich ist, wird er bald seiner Gegenwart überdrüssig und verlässt Den, Den er nie richtig anerkannt hat, um entweder in Gedanken oder in Taten sich gegen Ihn aufzulehnen. Deshalb die Eindringlichkeit des feierlichen Appells vonseiten des Herrn. Fortdauer in und mit Ihm ist von Gott.

Verse 31-40

Joh 8,31-40: Jesus sprach nun zu den Juden, welche ihm geglaubt hatten: Wenn ihr in meinem Worte bleibet, so seid ihr wahrhaft meine Jünger; und ihr werdet die Wahrheit erkennen, und die Wahrheit wird euch frei machen. Sie antworteten ihm: Wir sind Abrahams Same und sind nie jemandes Knechte gewesen; wie sagst du: Ihr sollt frei werden? Jesus antwortete ihnen: Wahrlich, wahrlich, ich sage euch: Jeder, der die Sünde tut, ist der Sünde Knecht. Der Knecht aber bleibt nicht für immer in dem Hause; der Sohn bleibt für immer. Wenn nun der Sohn euch frei machen wird, so werdet ihr wirklich frei sein. Ich weiß, dass ihr Abrahams Same seid; aber ihr suchet mich zu töten, weil mein Wort nicht Raum in euch findet. Ich rede, was ich bei meinem Vater gesehen habe, und ihr nun tut, was ihr von eurem Vater gehört habt. Sie antworteten und sprachen zu ihm: Abraham ist unser Vater. Jesus spricht zu ihnen: Wenn ihr Abrahams Kinder wäret, so würdet ihr die Werke Abrahams tun; jetzt aber suchet ihr mich zu töten, einen Menschen, der die Wahrheit zu euch geredet hat, die ich von Gott gehört habe; das hat Abraham nicht getan. Ihr tut die Werke eures Vaters. 

In seinem Wort zu bleiben, ist also die Bedingung, wenn man in Wahrheit Christi Jünger sein will. Andere mögen sehr interessiert sein, aber sie werden bald müde oder wenden sich über kurz oder lang anderen Zielen zu. Christi Jünger hängt an seinem Wort und findet neue Quellen in dem, was ihn zuerst angezogen hat. Sein Wort beweist sich als so göttlich, da es der Glaube ist, der darin bleibt, und die Wahrheit wird also nicht nur gelernt, sondern auch gekannt. Unsicherheit und Ungewissheit verschwinden, während die Wahrheit, anstelle von ständiger Knechtschaft wie das Gesetz, die Seele frei macht, wie auch immer ihre vorherige Sklaverei aussah. Es gibt Wachstum in der Wahrheit und Freiheit dadurch. Das Gesetz packt den verdorbenen und stolzen Willen des Menschen, um ihn zu Gottes Gunsten zu verdammen, wie es auch richtig ist; die Wahrheit macht die Erkenntnis von Ihm, wie sie in seinem Wort offenbart wird, kund und gibt so Leben und Freiheit: Vorrechte, die der natürliche Mensch, der die souveräne Gnade Gottes ebenso sehr hasst, wie er sich selbst erhebt und liebt, während er andere verachtet und verschmäht, nicht begreifen kann. Des Menschen einziger Gedanke deshalb, wie man Gerechtigkeit erlangen könne, geht über das Gesetz. Sie kennen nicht die Kraft der Wahrheit und fürchten die Freiheit, als wenn sie in Knechtschaft ende; während sie zur gleichen Zeit stolz auf ihre eigene Stellung sind, als wenn sie unveräußerlich wäre und als wenn Gott ihr Diener wäre und nicht sie verpflichtet, seine Diener zu sein. Deshalb antworteten die Juden Jesus: „Wir sind Abrahams Same und sind nie jemandes Knechte gewesen. Wie sagst du; Ihr sollt frei werden?“

Die Wahrheit war weit davon entfernt. Sogar äußerlich, um von der Seele gar nicht zu sprechen, waren die Juden – und waren es lange gewesen – in der Abhängigkeit von den Heiden. So bekannte Esra (Esra 9) beim Abendopfer: „Von den Tagen unserer Väter an sind wir in großer Schuld gewesen bis auf diesen Tag; und um unserer Missetaten willen sind wir, wir, unsere Könige, unsere Priester, der Hand der Könige der Länder übergeben worden, dem Schwerte, der Gefangenschaft und dem Raube und der Beschämung des Angesichts, wie es an diesem Tage ist. Und nun ist uns für einen kleinen Augenblick Gnade vonseiten des HERRN, unseres Gottes, zuteilgeworden, indem er uns Entronnene übriggelassen und uns einen Pflock gegeben hat an seiner heiligen Stätte, damit unser Gott unsere Augen erleuchte und uns ein wenig aufleben lasse in unserer Knechtschaft. Denn Knechte sind wir; aber in unserer Knechtschaft hat unser Gott uns nicht verlassen; und er hat uns Güte zugewandt vor den Königen von Persien.“ So heißt es wiederum bei Nehemia (Neh 9): „Und du verzogest mit ihnen viele Jahre und zeugtest wider sie durch deinen Geist, durch deine Propheten, aber sie gaben kein Gehör. Da gabst du sie in die Hand der Völker der Länder. … Siehe, wir sind heute Knechte; und das Land, welches du unseren Vätern gegeben hast, um seine Früchte und seine Güter zu genießen – siehe, wir sind Knechte in demselben! Und seinen Ertrag mehrt es für die Könige, die du um unserer Sünden willen über uns gesetzt hast; und sie schalten über unsere Leiber und über unser Vieh nach ihrem Wohlgefallen, und wir sind in großer Bedrängnis.“

So fühlten Menschen mit Gewissen, wenn sie von Eroberern unterjocht wurden, die noch weit milder waren als die Römer, die jetzt herrschten. Nicht dass die Juden heute erleuchtet waren, sondern sie waren so mit dem Joch vertraut geworden, dass sie es ganz vergaßen und ableugneten. Und wenn es äußerlich wegen Gottes gerechtem Gericht so war, so schätzten sie innerlich ihren wahren Zustand vor Gott noch viel weniger richtig ein, wie der Herr es jetzt offenbarte. Ihr hochmütiger Geist ärgerte sich über sein Wort, das ihr dem Feind Verfallensein so bloßlegte. „Wir sind Abrahams Same und sind nie jemandes Knechte gewesen; wie sagst du; Ihr sollt frei werden?“ Jesus brachte mit seiner Antwort Gottes Licht herein, für die Ewigkeit wenigstens gewiss, aber auch für die Gegenwart. „Wahrlich, wahrlich, ich sage euch: jeder, der die Sünde tut, ist der Sünde Knecht.“ Wie wahr, wie ernst und erniedrigend! Es gibt keine Knechtschaft, die so wirklich und so herabsetzend ist wie die der Sünde; konnten sie ernsthaft ableugnen, dass das ihre Knechtschaft war? Wirklich macht der Unglaube dem moralischen Zustand gegenüber und sogar klaren Tatsachen gegenüber blind. Nur die Gnade befreit, und zwar durch die Wahrheit, der man glaubt.

Aber der Herr teilt noch mehr mit. Keiner, der unter der Sünde steht, ist berechtigt, von Dauerhaftigkeit zu sprechen. Solch eine existiert nur für die Duldung bis zum Gericht. Es gab keine Knechtschaft, als Gott alles erschuf und nach seinem Plan machte; auch wird es keine Knechtschaft geben, wenn Er alles neu machen wird. Der Knecht in jedem Sinn gehört nur zur vorübergehenden Herrschaft der Sünde und des Schmerzes. So sagt der Herr: „Der Knecht aber bleibt nicht für immer in dem Hause.“ Eine andere und gegensätzliche Beziehung passt zu Gottes Willen: „Der Sohn bleibt für immer.“ Aber da ist noch unendlich mehr in Christus. Er ist nicht bloß Sohn, sondern „der Sohn“. Er ist der Sohn mit seinem eigenen Recht und Anspruch, wie Gott, auch als Mensch, in Zeit und Ewigkeit. Er ist deshalb nicht nur „frei“ wie alle Söhne, sondern seine Herrlichkeit ist solcherart, dass Er kraft seiner Gnade, die zu Ihm allein gehört, freimachen kann und freimacht. So ist es nicht nur die Wahrheit, die freimacht, wo Gesetz nur verdammen könnte, sondern der Sohn schenkt und bestätigt auch denselben Charakter der Freiheit entsprechend seiner eigenen Fülle. Es geht um das, was nicht bloß für sie passend ist, sondern für Ihn. Er konnte die freimachen, die Ihn hören und in seinem Wort bleiben, und nichts sonst als frei. Es ist seiner würdig, von Sünde und Satan zu befreien; und „wenn nun der Sohn euch frei machen wird, so werdet ihr wirklich frei sein“. Er befreit nach göttlicher Art. Er führt aus der Knechtschaft der Sünde, die der erste Mensch uns zu unserem traurigen Erbteil machte, in seinen eigenen Charakter der Gemeinschaft. Der letzte Adam ist ein lebendig machender Geist und ein Befreier. Lasst uns fest in seiner Freiheit stehen und nicht wieder unter einem Joche der Knechtschaft gehalten werden, wie der Apostel die Galater vor dem Missbrauch des Gesetzes warnte, wie auch immer er aussehen mochte.

Abrahams Same zu sein, ist, wie der Herr die Juden wissen lässt, ein trauriger Schutzwall. Man kann von Abraham stammen und doch der schlimmste Feind Gottes sein. Das waren nämlich die Juden damals, die Jesus zu töten suchten, weil sein Wort bei ihnen nicht einschlug. Jeder handelt seiner Herkunft entsprechend; der Charakter folgt daraus. So geruht unser Herr zu sagen: „Ich rede, was ich bei meinem Vater gesehen habe, und ihr nun tut, was ihr von eurem Vater gehört habt.“ Von Abraham abzustammen, schützt nicht vor Satan. Den Sohn zu hören und an Ihn zu glauben, bedeutet, seine Natur von Gott abzuleiten und ewiges Leben zu haben. Es rühmten sich diejenigen am meisten Abrahams, die noch in der Finsternis des Unglaubens und in der Macht des Feindes steckten. „Deshalb antworteten und sprachen sie zu ihm; Abraham ist unser Vater. Jesus spricht zu ihnen: Wenn ihr Abrahams Kinder wäret, so würdet ihr die Werke Abrahams tun; jetzt aber suchet ihr mich zu töten, einen Menschen, der die Wahrheit zu euch geredet hat, die ich von Gott gehört habe; das hat Abraham nicht getan. Ihr tut die Werke eures Vaters.“ Es wurde schon eingeräumt, dass sie von dem Vater der Gläubigen abstammten; aber trugen sie die Familienmerkmale? War es nicht eine Verschlimmerung ihrer Bosheit, dass sie im Gegensatz tu dem standen, von dem abzustammen, sie prahlten? Abraham glaubte, und das wurde ihm zur Gerechtigkeit gerechnet. Sie glaubten nicht, sondern suchten solchen Menschen, wenn Er auch der Sohn Gottes war, zu töten, der ihnen die Wahrheit sagte, die Er von Gott dem Vater hörte. Wessen Werke waren das? Sicher und gewiss nicht die Abrahams, sondern die eines ganz anderen Vaters. Sie waren verdorben und schändlich.

Die Juden fühlten, was darin lag, und beriefen sich sofort auf den höchsten Ursprung.

Verse 41-47

Joh 8,41-47: Da sprachen sie zu ihm: Wir sind nicht durch Hurerei geboren; wir haben einen Vater, Gott. Jesus sprach zu ihnen: Wenn Gott euer Vater wäre, so würdet ihr mich lieben, denn ich bin von Gott ausgegangen und gekommen; denn ich bin auch nicht von mir selbst gekommen, sondern er hat mich gesandt. Warum verstehet ihr meine Sprache nicht? Weil ihr mein Wort nicht hören könnt. Ihr seid aus dem Vater, dem Teufel, und die Begierden eures Vaters wollt ihr tun. Jener war ein Menschenmörder von Anfang und ist in der Wahrheit nicht bestanden, weil keine Wahrheit in ihm ist. Wenn er die Lüge redet, so redet er aus seinem Eigenen, denn er ist ein Lügner und der Vater derselben. Weil ich aber die Wahrheit sage, glaubet ihr mir nicht. Wer von euch überführt mich der Sünde? Wenn ich die Wahrheit sage, warum glaubet ihr mir nicht? Wer aus Gott ist, hört die Worte Gottes. Darum höret ihr nicht, weil ihr nicht aus Gott seid.

Der Fall wird hinsichtlich der Juden so abgeschlossen. Sie waren ohne Zweifel von dem Teufel, wie dieses ernste Streitgespräch bewies. Es ist wirklich die Haltung des Menschen gegen Christus in jedem Land, in jeder Sprache, zu jeder Zeit. Er schält sich als nicht anders heraus, wenn er von der Wahrheit, von dem Sohn, ins Licht gerückt wird; wie verschieden auch die Verhältnisse sein mögen, dies ist der Ausgang; und es zeigt sich dort das Schlimmste, wo es am schönsten aussah. Wenn es auf Erden ein Volk gab, das am weitesten von der Unreinheit entfernt zu sein schien, so waren es die Juden; wenn irgendwelche für sich in Anspruch nehmen konnten, Gott als ihren Vater zu haben, dann sie am meisten. Aber Jesus ist der Prüfstein; und sie erweisen sich dabei als Feinde Gottes, nicht als seine Kinder; sonst würden sie den geliebt haben, der von Gott herabgekommen ist und zu der Zeit in ihrer Mitte weilte, der nicht aus seiner eigenen Veranlassung heraus gekommen war, sondern den Gott gesandt hatte. Er kam und war in einer Liebe gesandt, die menschliches Denken und Fassungsvermögen übersteigt; und sie erhoben sich wider Ihn in Hass und suchten, Ihn zu töten.

Die Juden erkannten nicht einmal seine Rede; so außerordentlich waren sie Ihm und dem, der durch Ihn redete, nämlich Gott, fremd. Der Grund ist sehr ernst: Sie konnten sein Wort nicht hören. Dadurch dass man das Denken, den Bereich und die Absicht der Person, die spricht, versteht, kennt man die Redeweise und nicht umgekehrt. Wenn die innere Absicht nicht erfasst wird, bleibt die äußere Form unerkannt. So war es bei Jesus, wo Er zu den Juden redete; so ist es besonders auch in dem Zeugnis in den Schriften des Johannes jetzt. Die Leute beklagen sich über den Mystizismus in der Ausdrucksweise, weil sie die beabsichtigte Wahrheit nicht begreifen. Das Hindernis liegt in der blind machenden Macht des Teufels, der die Quelle ihres Denkens und Fühlens ist, ebenso sicher wie er der Feind Christi ist. Die Beurteilungen der Menschen entstammen ihrem Willen und ihren Gefühlen, und diese unterliegen der Macht seines Feindes. Und so wie er die Menschen, besonders diejenigen, die am meisten verantwortlich wären, sich Christus zu beugen wie die Juden damals, antreibt, die Gelüste ihres Vaters zu tun, so folgt Gemeinheit ebenso natürlich wie Falschheit. Denn Satan war ein Menschenmörder von Anfang an, und er besteht nicht in der Wahrheit, weil keine Wahrheit in ihm ist. Er ist der große persönliche Gegenspieler des Sohnes.

Jesus allein von allen Menschen ist die Wahrheit; Er ist nicht nur Gott, sondern der Eine, der Gott den Menschen offenbart. In Ihm ist keine Sünde, auch hat Er keine Sünde getan, und es wurde keine List in seinem Munde gefunden. Er war in jeder Hinsicht das deutliche Gegenteil des Teufels, der, wann immer er lügt, aus seinem eigenen Schatz heraus spricht, weil er ein Lügner ist und der Vater derselben. Jesus ist die Wahrheit und macht sie denen bekannt, die sie sonst nicht erkennen könnten. „Weil ich aber die Wahrheit sage, glaubet ihr mir nicht.“ Wie schrecklich, und doch wie richtig ist Gottes Urteil über solche Menschen! Denn wir sind sicher, dass Gottes Gericht der Wahrheit entspricht; und was kann das Ende davon sein außer Tod und Gericht?

Endlich geht der Herr dazu über, sie herauszufordern, um ihre bodenlose Bosheit bloßzulegen. „Wer von euch überführt mich der Sünde? Wenn ich die Wahrheit sage, warum glaubet ihr mir nicht? Wer aus Gott ist, hört die Worte Gottes. Darum höret ihr nicht, weil ihr nicht aus Gott seid.“. Er war der Heilige nicht weniger als die Wahrheit, und sicher gehören beide Attribute zusammen. Und so wurden sie überführt, dass sie in Wort und Tat, in Denken und Fühlen ganz von Gott entfremdet waren und rebellisch gegen Gott waren. Sie waren nicht von Gott, außer in ihrer hochmütigen Anmaßung, die ihre Entfernung von Ihm und Opposition gegen Ihn noch deutlicher machte. Anstatt Christus der Sünde zu überführen, waren sie selbst Knechte der Sünde; anstatt die Wahrheit zu reden, verwarfen sie den, der die Wahrheit ist; anstatt die Worte Gottes zu hören, hassten sie den, der sie redete, weil sie nicht von Gott, sondern von dem Teufel waren. Ein schreckliches Bild, das da das unbeirrbare Licht nicht versäumte, von seinen Gegnern zu entwerfen und unverwischbar stehen zu lassen! Nicht von Gott zu sein, bedeutet, ganz ohne Gutes zu sein und im Bösen zu stecken und dessen Folgen ausgeliefert zu sein entsprechend dem Gericht dessen, der seinen Abscheu davor nicht dämpfen wird und kann. So waren und sind diejenigen, die Jesus verwerfen.

Nichts lässt ein Mensch so widerstrebend zu wie das Böse in sich selbst; nichts nimmt er so sehr übel, als wenn ein anderer etwas Böses von ihm sagt und ihm kein Schlupfloch zum Entwischen lässt. So war es jetzt auch bei den Juden, denen der Herr absprach, von Gott zu stammen, da sie seine Worte nicht hörten. Niemals vorher war ihre Selbstgefälligkeit so angegriffen worden. Die Verachtung der Heiden war nichts im Vergleich mit solch einer Schmähung, die hart im Verhältnis zu ihrer augenscheinlichen Wahrheit war. Denn die angenommene Grundlage war unbestreitbar. Wer konnte bezweifeln, dass der, der von Gott ist, die Worte Gottes hört? Wie ernst ist es dann, sieh die Tatsache vor Augen zu halten, dass Einer, der redete wie keiner jemals vorher, mit heiliger Ruhe erklärte, dass sie deshalb nicht hörten, well sie nicht von Gott waren! Das Gewissen mochte schlagen, aber man lehnte ab, sich zu beugen. Der Eigenwille und der böse Wille offenbarte sich, allerdings war er wirklich von unten angeregt.

Verse 48-51

Joh 8,48-51: Die Juden antworteten und sprachen zu ihm: Sagen wir nicht recht, dass du ein Samariter bist und einen Dämon hast? Jesus antwortete: Ich habe keinen Dämon, sondern ich ehre meinen Vater, und ihr verunehret mich. Ich aber suche nicht meine Ehre: es ist einer, der sie sucht, und der richtet. Wahrlich, wahrlich, ich sage euch: Wenn jemand mein Wort bewahren wird, so wird er den Tod nicht sehen ewiglich.

Von jetzt an nehmen die Juden, die nicht in der Lage sind, Jesus zu widerlegen, und nicht bereit sind, die Wahrheit zu bekennen, ihre Zuflucht zu frecher Gegenrede und Spott. Sie rechtfertigen und wiederholen offen ihre Anwendung eines „Samariters“ auf Ihn; denn was konnte in ihren Augen die Feindschaft mehr beweisen, als dass ihr Anspruch, herausragend Gottes Volk zu sein, abgelehnt wurde? Wenn Er erklärte, dass sie von ihrem Vater, dem Teufel, seien, so hatten sie keine Skrupel zu erwidern, dass Er einen Dämon habe. Er stehe, so wagten sie es zu behaupten, außerhalb des Israels Gottes und fern von dem Gott Israels. Doch war Er das wahre Israel und der wahre Gott. Kein Christ hat jemals Schlimmeres in dieser Art der Verunehrung erlebt als Christus. Der Jünger ist nicht über seinem Herrn und kann keine Ausnahme erwarten. Und diejenigen neigen am meisten dazu, andere falsch zu verdächtigen, die selbst wirklich Sklaven des Feindes sind. Aber lasst uns von dem lernen, der sanftmütig und von Herzen demütig ist und jetzt ruhig verachtet, dass sie Ihm einen Dämon zusprechen. Nicht so, sondern Er ehrte seinen Vater, und sie verunehrten Ihn. Doch gab es keinen persönlichen Groll wie bei solch einem Menschen, der jetzt seine eigene Ehre sucht oder der versucht, solche zu beschimpfen, die ihn beleidigen. „Ich aber suche nicht meine Ehre; es ist einer, der sie sucht, und der richtet.“ Er überlässt alles seinem Vater. Er selbst ist damit zufrieden zu dienen, und Er ist fähig und bereit zu retten. „Wahrlich, wahrlich, ich sage euch: Wenn jemand“ – und sei es der Verruchteste seiner Feinde – „mein Wort bewahren wird, so wird er den Tod nicht sehen ewiglich.“ Solch eine Äußerung ist jede feierliche Betonung seinerseits wert, und sie verdient ihrerseits volle Akzeptierung.

Verse 52-59

Joh 8,52-59: [Da] sprachen die Juden zu ihm: Jetzt erkennen wir, dass du einen Dämon hast. Abraham ist gestorben und die Propheten, und du sagst: Wenn jemand mein Wort bewahren wird, so wird er den Tod nicht schmecken ewiglich. Bist du etwa größer als unser Vater Abraham, der gestorben ist? Und die Propheten sind gestorben. Was machst du aus dir selbst? Jesus antwortete: Wenn ich mich selbst ehre, so ist meine Ehre nichts; mein Vater ist es, der mich ehrt, von welchem ihr saget: Er ist unser Gott. Und ihr habt ihn nicht erkannt, ich aber kenne ihn; und wenn ich sagte: Ich kenne ihn nicht, so würde ich euch gleich sein, ein Lügner. Aber ich kenne ihn, und ich bewahre sein Wort. Abraham, euer Vater, frohlockte, dass er meinen Tag sehen sollte, und er sah ihn und freute sich. Da sprachen die Juden zu ihm: Du bist noch nicht fünfzig Jahre alt und hast Abraham gesehen? Jesus sprach zu ihnen: Wahrlich, wahrlich, ich sage euch: Ehe Abraham ward, bin ich. Da hoben sie Steine auf, damit sie auf ihn würfen. Jesus aber verbarg sich und ging aus dem Tempel hinaus.

Der Unglaube urteilt nach seinem eigenen Denken und ist nie so zuversichtlich, wie wenn er vollständig irrt. So benutzen die Juden, die die glaubensvollen Aussagen des Herrn Jesus falsch deuten, diese als triumphierenden Beweis dafür, dass Abraham und die Propheten mit seiner Lehre nichts zu tun haben konnten. Denn sie waren unbestreitbar schon tot. Er musste deshalb besessen sein, dass Er so etwas redete. Maßte Er sich an, größer als sie zu sein ? Was machte Er aus sich? Ach! Hier sind Juden und Heiden gleicherweise blind. Jesus machte nichts aus sich, Er erniedrigte sich selbst und nahm Knechtsgestalt an und wurde ein Mensch, obwohl Er Gott über alles, gepriesen in Ewigkeit war; und als der erniedrigte Mensch erhöhte Ihn Gott der Vater. Wenn das Auge einfältig ist, so ist der ganze Leib voll Licht. So war es bei Ihm, der herabkam und Mensch wurde, um den Willen Gottes zu tun, auf den Er trauen konnte und traute, um Ihn zu verherrlichen. Sein Weg war der einer ununterbrochenen Gemeinschaft und eines ungetrübten Gehorsams. Er suchte nie seine eigene Ehre, Er bewahrte immer das Wort seines Vaters; Er konnte von Anfang bis Ende sagen: Ich kenne Ihn. Er hinterließ uns in allen Dingen ein Beispiel, dass wir seinen Fußstapfen folgen sollten. Wir können von Ihm lernen, dass, wenn es die größte Anmaßung für Weltmenschen ist, die Kenntnis von Gott dem Vater zu erheucheln, es das größte Unrecht bei einem Kind Gottes ist, diese Kenntnis abzuleugnen. „Wenn ich sagte: Ich kenne ihn nicht, so würde ich euch gleich sein – ein Lügner.“ Aber Er, der für sich in Anspruch nimmt, Ihn zu kennen, hält sein Wort und gibt hierin das Zeugnis für die Wirklichkeit im Zusammenhang mit diesem Anspruch. Der Geist der Wahrheit ist der Heilige Geist, und wo Er die Wahrheit kundtut, wirkt Er auch erfolgreich in Heiligkeit gemäß dem Willen Gottes.

Aber der Herr zögerte nicht, auf ihre Herausforderung in Bezug auf Abraham einzugehen, und Er lässt die Juden wissen, dass der Vater der Gläubigen frohlockte, dass er seinen Tag (ich nehme an, sein Erscheinen in Herrlichkeit) sehen sollte und dass er ihn sah und sich freute. Das geschah natürlich im Glauben, genau wie das Nichtsehen oder Nichtschmecken des Todes in diesem Zusammenhang; aber die Juden fassten alles bloß körperlich auf. Und als sie sein verhältnismäßig jugendliches Alter für die Leugnung, dass Abraham Ihn sah, einsetzten, kommt es zu der noch tiefer gehenden Aussage: „Wahrlich, wahrlich, ich sage euch: Ehe Abraham ward, bin ich“, Er, der ewig Bestehende.

Es war gesagt: das gute Bekenntnis vor den Juden, die Wahrheit der Wahrheiten, das unendliche Geheimnis seiner Person, das zu kennen, den wahren Gott und das ewige Leben zu kennen bedeutet, da Er beides ist. So war Er und so ist Er von Ewigkeit zu Ewigkeit. Die Inkarnation stellte das in keiner Weise in Frage, sondern gab vielmehr Gelegenheit für seine Offenbarung im Menschen an die Menschen. Er, der Gott war, ist Mensch geworden, und so wie Er nicht aufhören kann, Gott zu sein, so wird Er auch nicht aufhören, Mensch zu sein. Er ist der Ewige, auch als Mensch, und Er hat die Menschenart mit sich, dem Sohn, dem Wort, vereint, nicht mit Gott allein, sondern auch mit Gott. „Ehe Abraham ward, bin ich.“ Abraham wurde ins Leben gerufen. Jesus ist Gott, und Gott ist. „Ich bin“ ist der Ausdruck des ewigen Bestehens, der Ausdruck der Gottheit. Er hätte ebenso gut sagen können: Ehe Adam ward, bin ich; aber es ging um Abraham; und Er sagt das mit der ruhigen Würde, die niemals mehr als die notwendige Wahrheit ausspricht; aber was Er sagt, könnte nicht wahr sein, wenn Er nicht der immer Gegenwärtige und Unwandelbare wäre, der ICH BIN, vor Adam, vor den Engeln und vor allen Dingen; denn in der Tat, Er war ja der, der sie erschaffen hat. Alles wurde durch Ihn geschaffen, und ohne Ihn ist nichts geschaffen, das geschaffen ist.

Ihn nicht zu kennen, ist der schicksalhafte Irrtum der Welt; Ihn zu leugnen, ist die ungläubige Lüge der Juden und aller, die sich anmaßen, Gott unabhängig zu kennen, was seine göttliche Herrlichkeit ausschließt. Und es bedeutet Tod, während sie noch leben, ewiger Tod, der bald der zweite Tod sein soll, nicht Auslöschung, sondern Strafe in dem Feuersee. In der Zwischenzeit kann der Unglaube ungestraft seinen Hass zeigen. „Da hoben sie Steine auf, damit sie auf ihn würfen. Jesus aber verbarg sich und ging aus dem Tempel hinaus.“ Die letzten Worte sind wahrscheinlich aus Lukas 4,30 entnommen, wenn auch viele Zeugen (A C E L X K. etc. mit einigen sehr alten Fassungen) sie einsetzen.

Vorheriger Teil Nächster Teil

Weitere Artikel des Autors William Kelly (106)


Hinweis der Redaktion:

Die SoundWords-Redaktion ist für die Veröffentlichung des obenstehenden Artikels verantwortlich. Sie ist dadurch nicht notwendigerweise mit allen geäußerten Gedanken des Autors einverstanden (ausgenommen natürlich Artikel der Redaktion) noch möchte sie auf alle Gedanken und Praktiken verweisen, die der Autor an anderer Stelle vertritt. „Prüft aber alles, das Gute haltet fest“ (1Thes 5,21). – Siehe auch „In eigener Sache ...

Bibeltexte im Artikel anzeigen