Der große Arzt
Johannes 5,1-14

David R. Reid

© SoundWords, online seit: 22.06.2001, aktualisiert: 25.03.2023

Leitverse: Johannes 5,1-14

Joh 5,1-9.13.14: Danach war ein Fest der Juden, und Jesus ging hinauf nach Jerusalem. Es ist aber in Jerusalem bei dem Schaftor ein Teich, der auf Hebräisch Bethesda genannt wird und fünf Säulenhallen hat. In diesen lag eine Menge Kranker, Blinder, Lahmer, Dürrer, [die auf die Bewegung des Wassers warteten. Denn zu gewissen Zeiten stieg ein Engel in den Teich herab und bewegte das Wasser. Wer nun nach der Bewegung des Wassers zuerst hineinstieg, wurde gesund, mit welcher Krankheit irgend er behaftet war.] Es war aber ein gewisser Mensch dort, der achtunddreißig Jahre mit seiner Krankheit behaftet war. Als Jesus diesen daliegen sah und wusste, dass es schon lange Zeit so mit ihm war, spricht er zu ihm: Willst du gesund werden? Der Kranke antwortete ihm: Herr, ich habe keinen Menschen, dass er mich, wenn das Wasser bewegt worden ist, in den Teich wirft; während ich aber komme, steigt ein anderer vor mir hinab. Jesus spricht zu ihm: Steh auf, nimm dein Bett auf und geh umher! Und sogleich wurde der Mensch gesund und nahm sein Bett auf und ging umher. Es war aber an jenem Tag Sabbat. … Der Geheilte aber wusste nicht, wer es war; denn Jesus hatte sich zurückgezogen, weil eine Volksmenge an dem Ort war. Danach findet Jesus ihn im Tempel, und er sprach zu ihm: Siehe, du bist gesund geworden; sündige nicht mehr, damit dir nichts Schlimmeres widerfahre!

Einleitung

Nicht alle Kranken und Behinderten wurden geheilt, als der Herr Jesus auf der Erde war. Nicht einmal alle Gebrechlichen in Jerusalem oder irgendeiner anderen Stadt, in der der Herr Jesus einige Zeit verbrachte, fühlten die heilende Berührung des großen Arztes. Aber viele erlebten sie trotzdem! Einige dieser Geheilten kamen selbst oder wurden von ihren Freunden gebracht. Sie baten den Herrn eindringlich um Hilfe und wurden nicht enttäuscht. Es gab allerdings auch andere, die den Herrn nicht suchten und auch nicht von ihren Freunden gebracht wurden. Diese waren souverän von dem großen Arzt zur Heilung vorgesehen. Der Herr Jesus kam zu ihnen und heilte ihre Krankheiten.

Dies ist der Fall bei dem lahmen Mann in Johannes 5. Er kam nicht zu Christus, um geheilt zu werden. Tatsächlich hatte er, soweit wir wissen, den großen Arzt nie gesehen noch hatte er von ihm gehört (Joh 5,13). Doch der Herr Jesus kam zu ihm, wählte ihn aus den vielen anderen Kranken um ihn herum aus und heilte ihn sofort. Können Sie sich die Freude dieses Mannes vorstellen, der seit achtunddreißig Jahren hoffte und wartete, geheilt zu werden? Wie oft mag er enttäuscht gewesen sein, wenn andere Vorteile durch seine spezielle Behinderung ziehen konnten und dadurch vor ihm das heilende Wasser erreichten. Soweit wir wissen, hatte er keine Freunde, wenigstens niemanden, der sich um seine Probleme gekümmert hätte. 38 Jahre Krankheit, Bitterkeit, Einsamkeit, Frustration und zerstörte Hoffnung! Zudem scheint es, als trage er Schuld für vergangene Sünde oder Sünden und das Bewusstsein, dass sein Zustand möglicherweise eng verbunden war mit seinen Fehlern in der Vergangenheit (Joh 5,14). Welch eine traurige Situation. Aber dieser Zustand wurde durch den großen Arzt schlagartig verändert.

Was für ein schöner Hinweis für das, was Gott für uns tun kann, was Er für uns getan hat! Vor unserer Bekehrung waren wir in einem hoffnungslosen, ja sündenkranken Zustand. Einige von uns waren verbittert und vom Leben enttäuscht. Einige von uns waren geistlich und gefühlsmäßig Krüppel. Viele von uns kämpften mit einer schweren Schuld, Schuld von gewollten, beabsichtigten Sünden. Und viele von uns suchten Gott trotz alledem nicht, waren absolut unwissend, dass Gott uns suchte. Aber der Herr fand uns in unserer hilflosen und hoffnungslosen Verfassung. Der große Arzt erwählte uns für sein Heil, Er gab uns die Kraft, „unser Bett zu nehmen und zu gehen“.

Warum erwähnt Johannes gerade dieses Wunder?

Die Heilung dieses lahmen Mannes in Johannes 5 ist eines der Wunder im Johannesevangelium. Unter der Inspiration des Heiligen Geistes entschied Johannes sich, sieben Wunder des Herrn Jesus in sein Evangelium aufzunehmen; am Ende des Buches zeigt er uns die Gründe dafür. „Noch viele andere Zeichen tat Jesus vor seinen Jüngern, die in diesem Buche nicht geschrieben sind. Diese aber sind geschrieben, damit ihr glaubet, dass Jesus der Christus, der Sohn Gottes ist, und dass ihr durch den Glauben Leben habet in seinem Namen“ (Joh 20,30.31). Wir erkennen, dass Johannes zwei Absichten verfolgte, wenn er genau diese sieben Wunder auswählt. Eins dieser beiden Ziele war, zu zeigen, dass Jesus von Nazareth tatsächlich der Messias der Juden war, der Sohn Gottes, dessen Ankunft in den prophetischen Schriften angekündigt war. Das andere Ziel war, zu zeigen, dass die persönliche Zuwendung zu Jesus als Herr und Gott ein neues geistliches Leben hervorruft. Daher zeigt jedes der ausgewählten sieben Wunder im Johannesevangelium die Gottheit Jesu und lehrt uns etwas Signifikantes über das Glaubensleben. Diese beiden Themen sind der Schlüssel zur Bedeutung der ins Johannesevangelium aufgenommenen Wunder. Was also lehrt uns dieses Wunder über die Gottheit Christi, was lehrt sie uns über den christlichen Glauben?

Die Gottheit des Herrn Jesus wird sicherlich durch die Tatsache betont, dass der Lahme sofort und ohne Hilfe des heilenden Wassers geheilt wurde. Man beachte, dass der Herr den Mann nicht heilte, indem er ihm im richtigen Moment in den Teich half, noch dadurch, dass er einen Heilungsprozess einleitete und den Mann auf den Weg zur Besserung brachte. Nein! Es war eine sofortige und vollständige Heilung, ohne irgendeinen Heilungsprozess, ohne einen helfenden Engel, ohne eine reale oder imaginäre Heilkraft des Wassers. Welcher menschliche Heiler könnte die Heilkraft dieses großen Arztes erreichen? Jesaja prophezeite, dass „der Lahme hüpfen wird wie ein Hirsch“ als Zeichen für den wahren Messias (Jes 35,6). Haben Sie je einen Menschen gesehen, dessen Bein gebrochen und wochenlang in Gips war, der sofort nach dem Entfernen des Gipses normal gehen konnte? Dieser Mann konnte nach 38 im Bett verbrachten Jahren springen! Diese dramatische Heilung des Lahmen am Teich von Bethesda sollte keinen Zweifel bei den Beobachtern der Szene lassen als auch bei den Lesern des Evangeliums (früher und heute), dass Jesus von Nazareth der versprochene Messias, der Sohn Gottes war.

Es mag andere Gründe geben, warum der Heilige Geist Johannes veranlasste, gerade diese Heilung des Lahmen auszuwählen, um die Gottheit Jesu zu demonstrieren. Schließlich gab es auch andere Lahme, die von diesem großen Arzt geheilt wurden (z.B. Mt 15,30). Einige Ausleger vermuten, dass dieser Lahme ausgewählt wurde, um die Nation Israel unter der zerstörerischen Auswirkungen der Sünde zu illustrieren, ohne dass Gesetz und Judentum in irgendeiner Form helfen konnten. Israel hatte das von Gott gegebene Gesetz in den fünf Büchern Mose (vielleicht in dem Teich mit den fünf Säulenhallen zu erkennen), es war aber durch die Sünde verkrüppelt und unfähig, in Gottes Wegen zu gehen. Nicht dass das Gesetz schlecht war, es konnte nur den Menschen nicht die geistliche Lebendigkeit geben. Nur Gott allein konnte das tun. Das Gesetz mit Gottes ursprünglicher Absicht konnte den Menschen nur zeigen, wie hoffnungslos ihre Situation ohne die heilbringende Berührung des Messias war. Israels achtunddreißig Jahre dauernde Wüstenwanderung nach der Gabe des Gesetzes (vgl. Joh 5,5 mit 5Mo 2,14) hat bewiesen, dass Israel ohne seinen Messias hilflos war. 

Aber selbst nachdem der Messias zu seinem Volk kam und ihnen Heilung anbot, war ihre Antwort der des Lahmen in Johannes 5 ähnlich. Wie der lahme Mann, der glaubte, dass seine Heilung nur durch die Wasser des Teichs geschehen könne, dachten sie noch immer, dass ihre Heilung irgendwie mit dem Versuch, das Gesetz zu halten verbunden war, wie man es im Judentum lehrte. Was für eine pathetische Situation! Das Heilmittel für ihre schwierige Lage war vorhanden: Alles was sie zu tun hatten, war zu erkennen, dass sie unfähig waren, Gottes heiligen Ansprüchen aus eigener Kraft zu genügen, und in Glauben den gnädigen Anweisungen des Messias zu folgen. Durch ein Wunder wären sie in der Lage gewesen, in der Kraft eines neuen Lebens zu „laufen“. Aber Israel entschied sich, weiter in seiner Hoffnungslosigkeit zu bleiben, auf Hilfe zu warten, die niemals ohne ihren Messias hätte kommen können. Und der war bereits gekommen.

Die obige Interpretation ist sicherlich im Einklang mit der theologischen Absicht des Johannes, die Gottheit des Messias zu verherrlichen. Obgleich die Vergeistlichung der fünf Säulenhallen und die Parallelität der 38 Jahre zu der Wüstenwanderung ein wenig weit hergeholt erscheinen mag, scheint es, dass diese weitreichende Betrachtungsweise des Zustands Israels in diesem Wunder sicher beabsichtigt war. Dies ist besonders offensichtlich, wenn man der scharfen Verurteilung „der Juden“ im ganzen Johannesevangelium folgt.

Was lernen wir hier über den christlichen Glauben?

Was können wir aus diesem Wunder über den christlichen Glauben lernen? Sicherlich wird die Tatsache deutlich, dass der rettende Glaube Resultat der souveränen Auserwählung Gottes ist. Johannes 20,31 stellt fest, „dass ihr durch den Glauben Leben habet in seinem Namen“. In diesem Wunder sehen wir, dass unser Glaube nicht aus uns und unserer Initiative entsteht, sondern durch Gott. Hätte Gott uns nicht für sein Heil auserwählt, wären wir noch immer in unserer Hoffnungslosigkeit, in unserem sündenkranken Zustand, warteten noch immer auf Hilfe von der falschen Quelle.

Dieses Gleichnis lehrt uns auch etwas über den Glaubenspfad des Christen. Der Herr Jesus befahl dem Lahmen nicht nur aufzustehen, sondern auch zu gehen. Wenn der Herr uns rettet, gibt Er uns nicht nur die Kraft aufzustehen, sondern auch zu gehen. Das „Heilspaket“, das wir bei der Bekehrung empfangen, enthält viel mehr als die Vergebung unserer Sünden und den „Fahrschein zum Himmel“. Wir erhalten auch ein neues Leben in seinem Namen, das uns befähigt, zu gehen – vorwärtszugehen – als Christen durch dieses Leben. Beachten Sie, dass der geheilte Mann sein Bett – seine Matte oder Polster – nehmen sollte, auf der er bis dahin völlig unfähig zur selbständigen Bewegung gelegen hatte. Sicherlich wäre es einfacher für ihn gewesen, das Bett liegen zu lassen, diese Last nicht mit sich zu tragen, die auch unangenehme Erinnerungen an die Vergangenheit wecken konnte. Doch der Herr wies ihn an, dieses Bett mitzunehmen. Genauso wird auch der Christ angewiesen, „sein Bett zu tragen“. Unser neues Leben ist nicht vollständig von unserer Vergangenheit getrennt. Die Tatsache, dass „das Alte vergangen ist, dass alles neu geworden ist“ (2Kor 5,17) bedeutet nicht, dass alle unsere Probleme und Verantwortlichkeiten aufhören, wenn wir Christen werden. Was auch immer unser „Bett“ sein mag, das wir nicht tragen konnten, wir können es jetzt in der Kraft neuen Lebens aufnehmen. Viele Christen müssen diese Lektion noch lernen. Sie haben das Heil der Erlösung empfangen, sie gehen ihren Wag aber nicht im Glauben. Sie bleiben als geistliche und emotionale Krüppel auf ihrem Bett des Selbstmitleids liegen oder sie humpeln herum und erkennen nicht, dass ihnen alle erforderliche Stärke zum Tragen bereits verliehen ist. Lasst uns darum dieses Wunder nicht allein zum intellektuellen Verständnis der Verherrlichung der Gottheit des großen Arztes nutzen. Lasst uns ebenso den Befehl des Sohn Gottes hören und befolgen, den Er jedem Geheilten zuruft: „Steh auf! Nimm dein Bett und geh umher!“


Originaltitel: „The Great Physician“
Quelle: www.growingchristians.org

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