Auf welcher Grundlage empfangen wir Gläubige am Tisch des Herrn?

William Kelly

© Heijkoop-Verlag/SoundWords, online seit: 26.11.2006, aktualisiert: 05.11.2022

Frage

Nach welchem Grundsatz sollten wir, wenn wir zum Namen des Herrn hin versammelt sind, angesichts der gegenwärtigen Unordnung und des Ruins des Hauses Gottes einen Christen aus einer Benennung oder Parteiung aufnehmen, obwohl er dort bleiben möchte? (R.M.)

Antwort

Der Grundsatz lautet: „Nehmt einander auf, so wie auch der Christus euch aufgenommen hat, zu Gottes Herrlichkeit“ (Röm 15,7). Liegt ein bekannter Fall von Sünde und Schändlichkeit vor, sollten wir den Betreffenden abweisen; denn so hat uns Christus nicht aufgenommen. Selbst als wir im Einzelnen noch viel von der Wahrheit zu lernen hatten (vor fünfzig, sechzig oder mehr Jahren[1]), standen treue Männer entschieden gegen solche auf, die mit grundlegenden Wahrheiten spielten. Ich erinnere mich, dass in jenen Tagen ein glühender Methodist die „glückselige Hoffnung“ (Tit 2,13) verstanden hatte und infolge des Widerstandes jener Gemeinschaft gegen diese Wahrheit moralisch aus ihr hinausgetrieben wurde. Dennoch wurde sein Wunsch, am Mahl des Herrn teilzunehmen, abgelehnt, weil er – was selbst damals recht häufig vorkam – die Personalität des Heiligen Geistes leugnete.

Doch in den letzten Jahren hat die verhängnisvolle Flutwelle von Irrlehren die Christenheit überschwemmt – Irrlehren über die Person Christi zu beiden Seiten sowie über das ewige Gericht der Verlorenen und über die göttliche Inspiration der Schrift. Dieser tatsächlich vorhandene und um sich greifende Zustand zwingt alle Gottesfürchtigen dazu, die zurückzuweisen, die entweder diese ernsten Irrlehren vertreten oder  was womöglich noch schlimmer ist  dieses Böse leichtnehmen und darauf bestehen, weiter dorthin zu gehen, wo die verderblichen Lügen gelehrt werden. Worauf sie sich auch immer berufen mögen, sie disqualifizieren sich selbst für die wahre Gemeinschaft der Heiligen, wenn sie zugleich beanspruchen, solchen Gott verunehrenden Irrlehren gegenüber praktisch gleichgültig bleiben zu dürfen. Es ist ein schrecklicher Gedanke, dass einige, die lange mit treu zu Christus stehenden Männern zumindest äußerlich verbunden waren, es nun weniger genau nehmen als die Liberalsten selbst. In ihrer Untreue geben sie nämlich die Wahrheit und Heiligkeit Gottes preis, um sogenannte Christen, wie verunreinigt sie auch sein mögen, aufzunehmen. Nicht alle werden in gleicher Weise kühn und sorglos sein. Aber es gibt keinen gefährlicheren Weg als den, sich unter Ereiferung für die einen und Widerstand gegen die anderen von einer bekannten und wertgeschätzten Wahrheit abzuwenden und Knechte Gottes, denen sie nicht geringen Dank schulden, geringschätzig zu behandeln. Wenn die Gnade sie nicht befreit, wird es nicht lange dauern und sie werden deren Zeugnis mehr und mehr hassen. Das Licht, das in ihnen ist, wird Finsternis werden – und wie groß dann die Finsternis!

Handelt es sich um einen anerkannten Gläubigen in einer rechtgläubigen, wenn auch unbiblischen Stellung, der aber in keiner Weise hierüber geübt ist, dann scheint mir, dass es nach wie vor unser Vorrecht ist, einen solchen im Namen des Herrn aufzunehmen, wenn er wünscht, mit uns im Brechen des Brotes an Ihn zu denken. Aber er muss ein hinreichendes Zeugnis haben und untersteht nun wie die anderen der Zucht.

Natürlich wäre ein Abweichen nach beiden Seiten untragbar. Wie viele einfältige Seelen mit geistlichen Empfindungen, die aber keineswegs einsichtsvoll waren, haben, nachdem sie einmal die Gegenwart des Herrn in dieser Weise genossen haben, weitergefragt, seinen Willen erkannt und sind nie mehr zu den Betrügereien der Menschen zurückgekehrt! Mit den Leichtfertigen wird es weiter abwärts gehen, ebenso mit den Hartnäckigen und Engstirnigen. Wenn sie einmal einsehen sollten, dass Christus sich nicht auf solchen Wegen befindet, könnten sich daraus vielleicht Konsequenzen ergeben.


Originaltitel: „Scripture Queries and Answers: Gathered to the Lord’s Name“
aus The Bible Treasury, 1902/03, Jg. 4, New Series, S. 64

Anmerkungen

[1] Der Artikel stammt aus dem Jahr 1902; der Autor bezieht sich also auf die Zeit um 1850 oder früher.

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