Der gegenwärtige und der zukünftige Zeitlauf (8)
Die Frau und das Tier: Ein Weltreich kehrt zurück

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© SoundWords, online seit: 24.08.2006, aktualisiert: 06.07.2023

Leitverse: Offenbarung 17,8; 18,4; Daniel 7,23-27

Off 17,8: Das Tier, welches du sahest, war und ist nicht und wird aus dem Abgrund heraufsteigen und ins Verderben gehen; und die auf der Erde wohnen, deren Namen nicht in dem Buche des Lebens geschrieben sind von Grundlegung der Welt an, werden sich verwundern, wenn sie das Tier sehen, dass es war und nicht ist und da sein wird.

Off 18,4: Und ich hörte eine andere Stimme aus dem Himmel sagen: Gehet aus ihr hinaus, mein Volk, auf dass ihr nicht ihrer Sünden mitteilhaftig werdet, und auf dass ihr nicht empfanget von ihren Plagen;

Dan 7,23-27: Er sprach also: Das vierte Tier: ein viertes Königreich wird auf Erden sein, welches von allen Königreichen verschieden sein wird; und es wird die ganze Erde verzehren und sie zertreten und sie zermalmen. Und die zehn Hörner: aus jenem Königreich werden zehn Könige aufstehen; und ein anderer wird nach ihnen aufstehen, und dieser wird verschieden sein von den vorigen und wird drei Könige erniedrigen. Und er wird Worte reden gegen den Höchsten und die Heiligen der höchsten Örter vernichten; und er wird darauf sinnen, Zeiten und Gesetz zu ändern, und sie werden eine Zeit und Zeiten und eine halbe Zeit in seine Hand gegeben werden. Aber das Gericht wird sich setzen; und man wird seine Herrschaft wegnehmen, um sie zu vernichten und zu zerstören bis zum Ende. Und das Reich und die Herrschaft und die Größe der Königreiche unter dem ganzen Himmel wird dem Volke der Heiligen der höchsten Örter gegeben werden. Sein Reich ist ein ewiges Reich, und alle Herrschaften werden ihm dienen und gehorchen.

Geschichtlicher Hintergrund

Nachdem Gott dem Volk Israel in seinem Zorn einen König gegeben hatte, nahm Er ihn in seinem Grimm wieder weg, obwohl Er lange mit großer Geduld die Verirrungen dieses halsstarrigen Volkes ertrug. Seitdem die Sünde Salomos die Lostrennung der zehn Stämme und ihre Abgötterei herbeigeführt hatte, warnte sie Gott lange durch seine Diener, die Propheten. Als aber Israel nicht zu seinem Gott umkehrte, wurde es endlich durch Salmaneser, den König von Assyrien, gefangen geführt, und ist nie wieder zurückgekehrt. Juda bestand von der Zeit an noch über hundert Jahre; als es aber in den Wegen Israels wandelte und Jerusalem es sogar noch schlimmer trieb als ihre Schwester Samaria, da entbrannte der Grimm des HERRN so sehr, dass kein Hilfsmittel mehr übrigblieb. Und Gott ließ den König der Chaldäer gegen sie kommen (2Chr 36), welcher, nachdem er die Stadt und den Tempel zerstört hatte, das Volk gefangen nach Babylon führte. So ging die Universalherrschaft, welche immer das Vorrecht Israels geblieben wäre, wenn es in den Wegen des HERRN gewandelt hätte, in der Person des Nebukadnezar auf die Nationen über; wie es auch Daniel diesem selbst sagte: „Du, o König, bist der König der Könige, dem der Gott des Himmels die Herrschaft, die Macht und die Gewalt und die Herrlichkeit gegeben; und überall, wo Menschenkinder wohnen, Tiere des Feldes und Vögel des Himmels, hat er sie in deine Hände gegeben und dich über sie alle zum Herrscher gemacht; du bist das Haupt von Gold“ (Dan 2,37.38). Es ist wahr, dass nach siebzig Jahren Juda wieder in sein Land zurückkehrte, seine Stadt und seinen Tempel wieder aufbaute; denn der Gesalbte musste es in seiner Gnade besuchen. Aber die Macht wurde ihm nicht wiedergegeben, und es wird sie auch nicht wiedererhalten, bis derjenige gekommen sein wird, welchem „das Reich gehört“, der Sohn Davids, der gesalbte König Zions, welcher auf der Erde Gericht und Gerechtigkeit ausüben und ewig über das Haus Jakobs regieren wird (Hes 21,30-32; Jer 23,5.6). Bis zu der Zeit gehört die Herrschaft den Nationen; und diese Zeit nennt das Wort Gottes „die Zeiten der Nationen“ (Lk 21,24).

Vier Tiere = Vier Weltreiche

Wir kennen die vier Königreiche, welche durch das große Bild, welches Nebukadnezar sah, und durch die vier Tiere Daniels dargestellt sind (Dan 2,7). Diese Königreiche entsprechen gerade der Zeit der Nationen. Wir wissen, dass die drei ersten dieser Reiche – das babylonische, das persische und das griechische – ein Ende genommen haben, nachdem sie zu ihrer Zeit den Absichten Gottes gedient haben. Das vierte (das römische Reich) hat auch schon bestanden; und unter demselben erschien der Heiland. Infolge der Verordnung des Hauptes dieses Reiches, des Kaisers Augustus, gingen Joseph und Maria nach Bethlehem, der Stadt Davids, um dort eingeschrieben zu werden. Unter einem anderen dieser Kaiser, dem Tiberius, ertönte zum ersten Mal in den Ländern Judäas das Wort: „Tut Buße, denn das Reich der Himmel ist nahe gekommen.“ Da die drei ersten Reiche nur von kurzer Dauer waren, so hätte man denken können, dass es mit diesem auch also sein würde und dass dann, nach Beendigung der Herrschaft der Nationen, bald alle Reiche unter allen Himmeln dem Sohn des Menschen unterworfen sein würden. Dies war auch wahrscheinlich die Erwartung vieler; aber Israel verwarf seinen König. Es lieferte denselben diesem vierten Reich sogar aus, indem es Ihn in die Hände seines Repräsentanten, des Pilatus, überlieferte. Danach wurde dieses Reich die Rute Gottes, um sein empörerisches Volk zu züchtigen. Als Christus ausgerottet war, kam das Volk des Fürsten, der kommen wird, und zerstörte die Stadt und das Heiligtum.

Später verblich dieses Reich selbst, und in seinem sechsten Haupt, der kaiserlichen Regierung in Rom, unterlag es tödlich verwundet den Angriffen der Völker des Nordens. Aber seine tödliche Wunde soll geheilt werden; und die ganze Erde, darüber verwundert, wird ihm anhängen (Off 13,3). „Und es werden die staunen, welche auf der Erde wohnen (deren Namen vor Grundlegung der Welt in dem Buch des Lebens nicht geschrieben sind), wenn sie das Tier sehen, welches war, und nicht ist, und da sein wird“ (Off 17,8).

Ungefähr zur Zeit der Entrückung der Versammlung, nähern sich die zerstreuten Glieder dieses vierten Tieres, und es steht wieder auf, schrecklich, fürchterlich, gräulich, um alles zu erfüllen, was geschrieben steht. Dieses Gesicht schaute Johannes. „Und ich sah aus dem Meer heraus ein wildes Tier aufsteigen, das zehn Hörner und sieben Köpfe hatte, und auf seinen Hörnern zehn Diademe, und auf seinen Köpfen Namen der Lästerung. Und das wilde Tier, welches ich sah, war gleich einem Pardel, und seine Füße wie eines Bären, und sein Maul wie ein Löwenmaul. Und der Drache gab ihm seine Macht und seinen Thron und große Gewalt“ (Off 13,1.2).

Das vierte Tier

Gewiss ist dies das vierte Tier des Daniel, welches wir hier wieder erscheinen sehen, um unter den Schlägen des Herrn bei seiner herrlichen Ankunft zu endigen (Off 19).

  1. Es kommt aus dem Meer wie das des Daniel (Dan 7,23), das heißt aus dem Wogen, den Revolutionen der Völker. Von der Hure, welche uns in der Folge als auf dem Tier sitzend dargestellt wird, ist gesagt, dass sie auf vielen Wassern sitze: „Die Wasser, welche du sähest, wo die Hure sitzt, sind Völker und Volkshaufen, und Nationen und Sprachen“ (Off 17,1.15).

  2. Wir finden darin etwas von jedem dieser drei ersten Tiere Daniels wieder. Es hat den Leib eines Leoparden, die Füße eines Bären und das Maul eines Löwen. Man bemerkt aber gerade die umgekehrte Ordnung Daniels, und zwar ohne Zweifel deshalb, weil der Prophet diese Reiche in der Zukunft sah; Johannes hingegen in der Vergangenheit.

    So sind die vier Tiere Daniels in demjenigen des Johannes vereinigt, weil jedes Reich die vorhergehenden Reiche mehr oder weniger in sich schloss, und weil das wiedererstandene Rom in seinem weiten Reich die Trümmer aller vorhergehenden in sich vereinigen wird. Wir sehen sie auch in der Tat alle im Gericht wiedererscheinen. Wenn der ohne Hände losgemachte Stein das Bild in seinen tönernen und eisernen Füßen zermalmt, „dann sind auf einmal nicht nur Ton und Eisen, sondern auch Erz, Silber und Gold zermalmt und werden wie Spreu auf der Sommertenne sein, die der Wind hin- und herweht“ (Dan 2,34.35.45; 7,11.12).

    Das Tier des Johannes hat „einen Mund, der große Dinge und Lästerungen redet“ (Off 13,5); das des Daniel hatte „einen Mund, der große Dinge redete“ (Dan 7,8.20).

  3. Die Heiligen sind eine Zeit, zwei Zeiten und eine halbe Zeit, das heißt dreiundeinhalb Jahre, in die Hände des Tieres des Daniel gegeben (Dan 7,25). Dem Tier des Johannes ist die Gewalt zweiundvierzig Monate (Off 13,5), also die gleiche Zeitdauer, verliehen.

    Das Tier des Daniel hat zehn Hörner oder zehn Könige, die aus diesem Reich aufstehen werden (Dan 7,24), wie auch die Füße des Bildes in zehn Zehen geteilt waren; und das Tier des Johannes hat ebenfalls zehn Hörner, von denen in Vers 12 gesagt ist: „Die zehn Hörner, die du gesehen hast, sind zehn Könige“ usw. (Off 13,12). Diese zehn Könige sind übrigens noch nicht erschienen; denn sie empfangen eine Stunde mit dem wilden Tier Gewalt, wie Könige, und zwar zu dem Zweck, um die Hure zu zerstören (Off 17,12.17). Die Barbaren, welche im vierten Jahrhundert das Römische Reich verheerten, entsprechen gar nicht den zehn Hörnern oder den zehn Zehen. Die zehn Hörner sind zehn Könige, welche aus diesem Königreich selbst kommen werden, während jene Könige der Barbaren nicht aus dem Schoß des Römischen Reiches, sondern aus dem äußersten Norden kamen, um dieses Reich zu zerreißen und dessen Trümmer unter sich zu verteilen. Die zehn Hörner kommen aus dem siebenten Haupt, dem Ergebnis aller vorhergehenden Häupter und entsprechen offenbar den zehn Zehen, welche aus den beiden Füßen (nicht nur aus einem) des Bildes kommen. Bis jetzt aber war nie das ganze Römische Reich in zehn Königreiche geteilt.

    Wer kennt heutzutage zehn Reiche der Westgoten, Ostgoten, Vandalen usw., wenn es je zehn gab? Einige Gelehrte bemühen sich in ihren Studierzimmern, die Könige der Barbaren auf diese Zahl zu bringen, aber auf diese Weise erfüllen sich die Prophezeiungen nicht. Als die vier Reiche Israel beherrschten, war es selbst dem Unwissendsten bewusst, ob er die Babylonier, die Perser, die Griechen oder die Römer zu Herren hatte. So wird es ebenfalls sein, wenn das vierte Tier mit seinen zehn Hörnern auferstehen wird.

  4. Das Tier des Johannes wird im Feuer verbrannt wie das des Daniel (Off 19; Dan 7,11).

Wenn man auf diese Beziehung achtet, so wird man überzeugt sein, dass das Tier des Johannes nur die Fortsetzung des vierten Reiches des Daniel ist, welches alle übrigen zusammenfasst – das wiederauferstandene vierte Tier. Es sind aber einige Züge beigefügt, um es in seinem neuen Zustand zu beschreiben:

  1. Es hat einen teuflischen Charakter; „der Drache gibt ihm seine Macht, seinen Thron und große Gewalt“ (Off 13,2). Es wird aus dem Abgrund aufstehen und ins Verderben gehen (Off 17,8). Wenn es uns Johannes zuerst zeigt, als aus dem Meer aufsteigend wie das des Daniel, so steigt es, wenn es wieder erscheint, aus dem Abgrund auf.

  2. Es hat sieben Köpfe oder Häupter (Off 17,9.10), welche sieben Berge sind, auf denen das Weib sitzt und welche Rom zu bezeichnen scheinen. Es sind auch sieben Könige, von denen fünf zur Zeit des Johannes gefallen waren. Diese bezeichnen ohne Zweifel die von allen Geschichtsschreibern angeführten ersten fünf römischen Regierungsformen. Die sechste Form, die kaiserliche, bestand zur Zeit des Johannes; und wenn das siebente in der Verbindung der vereinigten zehn Königreiche wird erschienen sein, so wird das Tier selbst ein achter König sein.

  3. Was uns dieses wilde Tier in seinem neuen Zustand besonders darbietet, ist die Hure, welche auf ihm sitzt. Bemerken wir hier zuerst, dass das Gesicht über dieses Weib, das auf dem Tier sitzt (Off 17), welches von Johannes erst nach dem im 13. Kapitel erwähnten Tier gesehen wird, diesem in der Reihenfolge der Zeit jedoch nicht ganz nachsteht. Wir glauben im Gegenteil, dass es zwischen dem 4. und 5. Vers des 13. Kapitels gehört (Off 13,4.5), bevor von dem Mund, welcher große Dinge und Lästerungen redet (Off 13,5), gesprochen ist; und also noch vielmehr vor das zweite Tier, welches zwei Hörner hat gleich einem Lamm und welches redet wie ein Drache (Off 13,11).

    Dies könnte im ersten Augenblick manchem willkürlich erscheinen; aber es erklärt sich, wenn wir uns daran erinnern, dass die Propheten auf diese Weise verfahren. Sehr oft ist die Reihenfolge ihrer Geschichte keine Reihenfolge der Zeit, welche den Ereignissen, die sie sehen, entsprechen; sondern nachdem sie zuerst in einem Gesicht die Ereignisse, welche sie verkündigen sollen, gleichsam in einem Gesamtbild gesehen haben, haben sie nachher neue Gesichte, welche das erste, allgemeine Gesicht entwickeln und ergänzen, und sich in dasselbe als ebenso viele einzelne Bilder einreihen. Dies bemerkt man vornehmlich im Propheten Daniel.

Was ist denn nun die Hure?

Was könnte sie anders sein als das mit der materiellen Gewalt verbundene religiöse Prinzip, als die Staatsreligion, welche dann in der Christenheit den höchsten Grad ihrer Verdorbenheit erreicht hat.

Die Versammlung, welche berufen ist, als eine keusche und reine Braut ihren Bräutigam zu erwarten, hatte mit den Mächten der Erde nichts anderes zu tun, als, während ihres Durchgangs durch ihre Staaten, dem Kaiser zu geben, was des Kaisers ist, und für Gott zu bewahren, was Gottes ist; und keine andere Stütze noch Schutz zu suchen, als die ihres himmlischen Hauptes. Gestützt auf seinen unsichtbaren Arm und mit gen Himmel gerichteten Augen sollte sie als Fremdling diese Wüste durchreisen. Aber bald wurde sie ihrer Vereinzelung, ihrer Unscheinbarkeit, ihrer Armut und der unaufhörlichen Kämpfe, welche die Folge ihres Wandels im Glauben waren, müde. Sie wurde in ihren Neigungen und Hoffnungen irdisch; und bald gelang es ihr, Massen von Menschen zu umfassen. Und nachdem sie selbst eine Macht der Erde geworden war, unterhandelte sie mit den Mächten. Sie verkaufte diesen ihren Einfluss auf die Gewissen für eine anerkannte Stellung in dieser Welt, wo ihr Meister keine hatte, für Purpur und Scharlach, womit Er nur aus Spott bekleidet war. Endlich ist sie dahin gekommen – wer hätte es geglaubt! –, mit der Welt eine Körperschaft zu bilden, mit der Welt, von welcher Jesus den Seinen sagte: „Ihr seid nicht von der Welt; denn ich habe euch von der Welt erwählt.“ Anstatt deren Verfolgungen zu erdulden, hat sie sich selbst zum Verfolger derer gemacht, welche ihre Gewissen nur Christus unterwerfen und kein anderes Haupt als Ihn anerkennen wollen; sie hat sie dem Tier überliefert, und dieses hat sie mit Füßen zertreten, zerrissen, so dass ihr Blut auf die Hure zurückspritzte und sie bedeckte. O gewiss!, dies ist ein Geheimnis, wie auch die Einigung der wahren Versammlung mit dem Christus, dessen Leib sie ist – Bein von seinem Bein und Fleisch von seinem Fleisch –, ein Geheimnis ist. Nur ist dieses das Geheimnis der Gottseligkeit, jenes aber das der Bosheit. Dieses Geheimnis sah Paulus schon zu seiner Zeit sich regen und mit dem Menschen der Sünde endigen. Auch trägt die Hure auf ihrer Stirn geschrieben: „Geheimnis, Babylon, die große, die Mutter der Huren und der Gräuel der Erde!“ Unter diesem Bild wird sie uns dargestellt (Off 17,5.18); gerade das Gegenteil der Braut, der Frau des Lammes, welche „die große Stadt ist, das heilige Jerusalem, herniederkommend aus dem Himmel von Gott“ (Off 21,9.10 usw.).

Es ist wahr, dass dieses an die Meinung einiger erinnert, welche an ein Wiederaufleben Babylons glauben, um das zu erfüllen, was davon gesagt ist, indem es nicht ganz erfüllt zu sein scheint. Wir wissen aber, dass Babylon oder Babel Verwirrung bedeutet; und welches System verdiente wohl mehr diesen Namen, als dasjenige, mit welchem wir uns hier beschäftigen? Gab es je eine unermesslichere und abscheulichere Verwirrung? Die Versammlung Jesu Christi mit der Welt, ihrem Feinde, vereinigt!

Wenn uns übrigens dieses System, als über Völker und Zungen herrschend, dargestellt wird (Off 17,1.15), so erscheint Rom dennoch als Mittelpunkt, wenn gesagt wird, dass „die sieben Häupter sieben Berge sind, auf welchen die Frau sitzt.“ Wenn wir uns daran erinnern, dass das vierte Reich dann wieder auferstanden sein wird, ist es da nicht natürlich zu denken, dass seine alte Hauptstadt ihre frühere politische und religiöse Bedeutung geltend machen, ihren Platz wieder einnehmen und der Mittelpunkt dieses Systems in seiner neuen Form sein wird? Sie kann dann Babylon genannt werden, wie Jerusalem „Sodom und Ägypten“ genannt ist (5Mo 32,32; Jes 1,10; Off 11,8), und das umso mehr, als die tönernen und eisernen Füße, die Fortsetzung des goldenen Hauptes sind, so dass in einem gewissen Sinne Rom und Babylon nur eins bilden.

Der Luxus der Hure und das Blut, von welchem sie trunken ist, scheint zwar mehr das Papsttum oder die vergangene Christenheit als die Christenheit in ihrem gegenwärtigen und zukünftigen Zustand zu charakterisieren. Aber außerdem, dass wir nicht wissen, was sie werden kann, muss man daran denken, dass, wenn eine Versammlung oder ein Volk zum Gericht Gottes erscheint, es mit seiner ganzen Vergangenheit beladen erscheint: „Erfüllet das Maß eurer Väter!“, sagt Jesus den Juden (Mt 23,32-36), „dass alles gerechte Blut, vergossen auf der Erde, auf euch komme, von dem Blut Abels, des Gerechten, an, bis zum Blut des Zacharia, des Sohnes Barachiä, den ihr zwischen dem Tempel und dem Altar ermordet habt.“ Nach diesem muss, obschon die Hure nicht eigentlich und einzig das päpstliche Rom, sondern vielmehr die ganze abtrünnige Christenheit ist, dasselbe, da es einen bedeutenden Teil der Christenheit ausmacht, hier in seinen Hauptzügen, in seinem Purpur, Scharlach und Blut der Heiligen, von welchem es trunken geworden ist, unter dem vierten, wiederauferstandenen Reich, nochmals erscheinen. Vielleicht geht der Herr noch weiter zurück und sieht dieses System der Erdrückung der Gewissen unter den Staat in seiner ganzen Dauer der Zeit der Nationen – von Nebukadnezar und seinem goldenen Bild an[1] bis zu dem Ende des abgefallenen Rom.

Weil nun die Hure dieses System in den letzten Tagen darstellt, könnte man wohl buchstäblich von ihr sagen: „Das Blut von Propheten und Heiligen und aller derer, die auf der Erde geschlachtet sind, ist in ihr gefunden worden“ (Off 18,24).

Geht aus ihr hinaus …

Das Ende der Hure erinnert uns daran, dass, „wer das Schwert nimmt, durch das Schwert umkommt“, und dass, „wenn jemand ins Gefängnis führt, er ins Gefängnis geht; wenn jemand mit dem Schwert töten wird, er mit dem Schwert getötet werden muss“ (Mt 26,52; Off 13,10). Die Hure hat bei den Königen Stütze und Schutz gesucht, um sie nachher zu beherrschen und um durch sie zu verfolgen. Die Könige, endlich müde geworden, ihre willigen Werkzeuge zu sein, lassen ihren längst zurückgehaltenen Hass ausbrechen, machen sie öde und nackt, fressen ihr Fleisch und verbrennen sie mit Feuer. „Dies ist die Absicht der gerechten Rache Gottes, welche zu tun Er in ihre Herzen gegeben hat; denn ihre Sünden sind bis zum Himmel aufgehäuft“ (Off 17,16.17; 18,5.6).

Die Belehrung, die aus all diesem hervorgeht, ist: „Gehet aus von Babylon, mein Volk, auf dass ihr nicht ihrer Sünden mitteilhaftig seid und dass ihr nicht von ihren Plagen empfanget“ (Off 18,4).

Wir sind nun berufen, den Geist Babylons da, wo er wirkt, zu unterscheiden und uns davon fernzuhalten, damit unsere Seelen nicht davon leiden. Dieser Geist aber ist die Vermengung der Dinge Gottes mit den Dingen dieser Welt. Befleißigen wir uns deshalb, jedem zu geben, was ihm gehört: „Gott, was Gott gehört, und dem Kaiser, was dem Kaiser gehört.“ Lasset uns den hochgestellten Mächten untertänig sein: die Steuer geben, dem die Steuer, und den Zoll, dem der Zoll gebührt. Weit entfernt die Mächte zu verachten und die Majestäten zu lästern, lasst uns vielmehr für sie bitten, damit wir ein ruhiges und stilles Leben führen mögen in aller Gottseligkeit und Ehrbarkeit (1Tim 2,1.2). Aber zugleich lasst uns eingedenk sein, dass Jesus allein das Haupt seiner Versammlung ist, das Haupt, aus welchem „der ganze Leib wohl zusammengefügt und zusammenbefestigt durch jedes Gelenk der Darreichung, das Wachstum schafft“ usw. (Eph 4,15.16; 5,29.30). Er hat niemandem diese Macht und diese Sorge übertragen; Er hat niemand beauftragt, Ihn in diesem zu ersetzen, die Obrigkeit ebenso wenig als den niedrigsten ihrer Untertanen. Da wir Glieder dieses gesegneten Leibes sind, so lasst uns unser himmlisches Haupt nicht verleugnen, indem wir jemand anders als Ihm irgendwelche Gewalt in der Versammlung geben. Lasst uns nicht seinen Geist verleugnen, indem wir uns diesen toten Formen beigesellen, durch welche eine blinde Volksmenge Gott einen angenehmen Dienst zu bringen glaubt. Wenn wir seines Geistes teilhaftig geworden sind, so lasst uns alle diejenigen aufsuchen, aus welchen sein Geist lebendige Steine gemacht hat, um mit ihnen dieses Haus Gottes im Geist zu bilden, in welchem wir, als heilige Priester, Gott durch Jesus Christus wohlgefällige Opfer bringen mögen. Mit einem Wort, lasst uns, was das Irdische und Menschliche betrifft, unterworfene Untertanen des Kaisers sein, ihm in allem gehorchen, was nicht dem Willen Gottes zuwider ist. Was aber die Versammlung betrifft, so lasst uns kein anderes Haupt anerkennen als Christus, und keine anderen Eingebungen als die seines Wortes und seines Geistes.

In der Geschichte der Hure könnt ihr Christen, die ihr euch bemüht, die Bande, welche die Kirche mit dem Staat verbinden, noch enger zu schließen, indem ihr hofft, die Kirche so zu heben, um endlich alle Völker in ihrem Schoß zu bergen, euren Irrtum erkennen. Und auch ihr, Brüder, die ihr viel zu sehr in Bewegung seid, diese Bande zu zerreißen, indem ihr glaubt, der Versammlung durch ihre Unabhängigkeit auch ihr ehemaliges Leben wieder zu verschaffen, auch ihr könnt hier eure falsche Einbildung erkennen. Das Wort lehrt uns, dass die Zeit kommt, wo die Völker und die Könige, ermüdet von den Anmaßungen einer hurerischen Kirche und vom Joch einer heuchlerischen Form, welche sie ihnen auferlegen will, dieses Joch abwerfen und diese Ketten zerreißen werden; sie werden die Hure hassen, öde und nackt machen, ihr Fleisch fressen und im Feuer verbrennen. Werden sie es aber tun, um sich Gott und seinem Christus zu unterwerfen? Keineswegs, sondern um ihre Macht dem Tiere zu geben, welches mit den Königen der Erde und ihren Herren dem, welcher „Wort Gottes“ heißt, den Krieg erklären wird. Es ist also ein unnützes Sich-Zerarbeiten, wenn man Babylon reformieren will und sich zu diesem Zweck in die eitlen Projekte der Völker und Könige mischt. Es ist uns nicht befohlen, mit Babylon zu unterhandeln, sondern von ihm auszugehen. „Wir wollten Babylon heilen, aber sie ist nicht heil geworden; verlasset sie und lasst uns ziehen“ (Jer 51,51, 9; Off 18,4). Ein jeder Einzelne muss aus Babylon ausgehen, um dem Herrn außerhalb des Lagers zu folgen, seine Schmach tragend. Dies ist’s, wozu uns das Wort beruft.

Der große Verführer

Doch die Hure ist noch nicht die völlige Entwicklung des Übels, noch nicht der letzte Triumph Satans. Dieser Engel der Finsternis hat nie seine listigen Anschläge aufgegeben, die er schon in Eden offenbarte, um den Menschen dahin zu treiben, sich in vermessener Weise an die Stelle Gottes zu setzen. Diesen Gedanken, an dessen Verwirklichung er seit Jahrhunderten gearbeitet hat und in welchem das stolze Herz des Menschen ihm behilflich ist, wird er am Ende verwirklichen. Und zu diesem Zweck wird er sich einen Menschen erwählen, in welchem er alle seine Gaben vereinigen wird, indem er ihn mit allem ausrüstet, was dem Fleisch gefällt und was die Volksmassen nach sich ziehen kann. Dann wird er ihn den Nationen als denjenigen darbieten, welcher endlich die Einbildungen von irdischem Glück, welchen sie schon so lange nachjagen, verwirklichen soll; und wird ihn den Juden als den Messias, welchen sie erwarten, darbieten. Den einen wie den andern als das Ideal, in welchem der Mensch sich rühmen und selbst anbeten soll. Die Entehrung, welche die auf dem Tier sitzende Frau mit den heiligen Dingen so lange vor den Nationen getrieben hat, der eingewurzelte Hass der Juden gegen Jesus von Nazareth, dies alles, vereint mit dem Stolz und mit der Bosheit des menschlichen Herzens, wird dieses teuflische Unternehmen gelingen lassen. Wie sich Juden und Nationen schon einmal vereinigt haben, um den Heiland, welchen Gott ihnen gesandt hatte, zu kreuzigen und zu verwerfen, so werden sie sich nochmals vereinigen, um den Menschen, in welchem Satan eingefleischt ist, aufzunehmen und anzubeten. Dann erfüllt sich, was eine große Stimme vom Himmel spricht, wenn Satan aus demselben geworfen wird: „Wehe der Erde und dem Meer! Denn der Teufel ist zu euch hinabgekommen und hat große Wut“ (Off 12,12). Dann wird für die Heiligen, welche auf der Erde sind, für die in Israel insbesondere, „die große Drangsal sein, wie sie von Anfang der Welt bis jetzt nicht gewesen ist, und auch nicht werden wird.“ Dann ist aber auch die Ernte, welche das Ende des Zeitlaufes ist, und die Weinlese ist bereit; denn die Trauben der Rebe der Erde werden reif sein, um in die Kelter des Zornes Gottes geworfen zu werden.

Lasst uns nun sehen, ob diese allgemeine Übersicht, den Belehrungen des Wortes gemäß ist.


Originaltitel: „Der gegenwärtige und der zukünftige Zeitlauf“
aus Botschafter des Heils in Christo, 1857, S. 104–113
aus dem Französischen übersetzt
von der Redaktion sprachlich leicht angepasst

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Anmerkungen

[1] Man denke daran, dass Nebukadnezar zuerst eine Staatsreligion einführte. (Anm. d. Üb.)


Hinweis der Redaktion:

Die SoundWords-Redaktion ist für die Veröffentlichung des obenstehenden Artikels verantwortlich. Sie ist dadurch nicht notwendigerweise mit allen geäußerten Gedanken des Autors einverstanden (ausgenommen natürlich Artikel der Redaktion) noch möchte sie auf alle Gedanken und Praktiken verweisen, die der Autor an anderer Stelle vertritt. „Prüft aber alles, das Gute haltet fest“ (1Thes 5,21). – Siehe auch „In eigener Sache ...

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