Der gegenwärtige und der zukünftige Zeitlauf (3)
Die Gemeinde tritt zum ersten Mal in Erscheinung

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© SoundWords, online seit: 17.08.2006, aktualisiert: 06.11.2023

Leitverse: Matthäus 16,16-18

Mt 16,16-18: Simon Petrus aber antwortete und sprach: Du bist der Christus, der Sohn des lebendigen Gottes. Und Jesus antwortete und sprach zu ihm: Glückselig bist du, Simon, Bar Jona; denn Fleisch und Blut haben es dir nicht geoffenbart, sondern mein Vater, der in den Himmeln ist. Aber auch ich sage dir, dass du bist Petrus; und auf diesen Felsen will ich meine Versammlung bauen, und des Hades Pforten werden sie nicht überwältigen.

3. Die erste Erscheinung der Versammlung im Neuen Testament und ihre Bildung durch den Heiligen Geist

Wenn wir nun zum Neuen Testament übergehen, so sehen wir die Versammlung zum ersten Mal in den Belehrungen des Herrn, bei der Gelegenheit, als Israel Ihn verwarf, erscheinen. Dann sehen wir sie – nachdem sie durch den Heiligen Geist auf den Grund des gestorbenen und auferstandenen Jesus gebildet war – an die Stelle Israels und seines Reiches gesetzt, welches von da an bis auf spätere Zeiten verschoben wird.

So verkündigt auch der Engel der Maria den König dieses Reiches und nicht das Haupt der Versammlung, wenn er ihr sagt: „Du wirst einen Sohn gebären, und du sollst seinen Namen ,Jesus‘ heißen. Dieser wird groß sein und Sohn des Höchsten genannt werden, und der Herr Gott wird ihm den Thron seines Vaters David geben; und er wird über das Haus Jakobs in die Zeitalter herrschen; und seines Reiches wird kein Ende sein“ (Lk 1,31-33).

Jesus saß nie in der Versammlung auf dem Thron Davids; auch herrschte Er nicht über das Haus Jakobs, welches im Gegenteil verworfen und ohne König ist. Aber dies war Israel verheißen (2Sam 7,12-16; Jes 9,6; Jer 23,5.6; 33,15-17 usw.).

Dieses Reich verkündigte Johannes der Täufer: „Tut Buße! denn das Reich der Himmel ist nahe gekommen“ (Mt 3,2). Und die ganze Folge seiner Predigten steht in Beziehung mit diesem Anfang. Er gibt sich für die Stimme aus, von welcher Jesaja 40,3 usw. gesprochen hatte, welcher in der Wüste ruft: „Bereitet dem HERRN den Weg“; und dann, wie der Prophet selbst sagt, würde „die Herrlichkeit des HERRN offenbart werden, und alles Fleisch würde miteinander sehen, dass des HERRN Mund redet“. Ist nun dies die Zeit der Versammlung? Bejaht man diese Frage, so bringt man den Johannes in offenbaren Widerspruch mit dem Apostel Paulus, welcher diese Zeit der Versammlung als die Zeit bezeichnet, wo die ganze Kreatur zusammen seufzt und in Geburtswehen liegt; auch wir selbst, die wir die Erstlinge des Geistes haben, seufzen in uns selbst; und dieses Seufzen hat nur die Erlösung unseres Leibes zum Ausgangspunkt, nämlich unsere herrliche Auferstehung bei der Ankunft des Herrn (Röm 8,19-22).

Ja, die Zeit, wo alle Täler erhöht und alle Berge erniedrigt werden, wo das Ungleiche eben gemacht, und wo die Herrlichkeit des Herrn sich offenbaren wird, ist das Gegenteil von dem, was wir jetzt sehen, das Gegenteil von der Seufzenszeit der Schöpfung; es ist die Zeit der Erquickung und der Herstellung aller Dinge „von dem Angesicht des Herrn“ (Apg 3,20.21). Dann wird Er alle hohen Berge und alle erhabenen Hügel erniedrigen, damit Er allein hoch und erhaben sei (Jes 2,14-17). Dann wird auch die Erde voll werden von der Erkenntnis der Ehre des Herrn, wie das Wasser das Meer bedecket (Hab 2,14; Jes 11,9). Dies ist es, was Johannes der Täufer ankündigte. So auch, wenn er sagt: „Er hat seine Worfschaufel in seiner Hand, und er wird seine Tenne ganz und gar reinigen und den Weizen auf seinen Speicher sammeln, die Spreu aber mit unauslöschlichem Feuer verbrennen“ (Lk 3,17). Diese Worte versetzen uns in die Zeit der Ernte; denn im Morgenland folgt das Sichten des Kornes und das Reinigen der Tenne alsbald auf die Ernte und macht einen Teil derselben aus; es kann jedenfalls nie vor ihr geschehen. Die „Ernte aber ist das Ende des Zeitlaufes“ (Mt 13,37-43). Johannes kündigt also das Gericht des Herrn an, das am Ende dieses Zeitlaufes stattfinden wird, wenn Er diejenigen, welche die Erde verdorben haben, zerstören und sein Reich aufrichten wird. Johannes kündigt aber nicht die Versammlung an. Zu jener Zeit wird diese ihren Lauf hier unten vollendet haben und wird bei ihrem Herrn sein.

Wenn Johannes den Herrn Jesus als „das Lamm Gottes, welches die Sünde der Welt wegnimmt“, ankündigt, so schließt dies allerdings die Versammlung in sich, weil sie in der Welt mit inbegriffen ist, aber auch dies wird seine völlige Erfüllung erst im zukünftigen Zeitlauf haben, wenn die ganze Welt an den Früchten des Opfers Jesu Teil haben wird. Er ist jetzt das Versöhnungsopfer für unsere Sünden – für uns, die wir Glieder der Versammlung sind –, und dann wird Er es für die ganze Welt sein (1Joh 2,2). Ohne Zweifel war es dem Johannes gegeben, dies in der Zukunft zu sehen. Er schaute als Seher des irdischen Volkes wie alle alten Propheten die großen und herrlichen Dinge, welche der Herr auf der Erde herstellen wird, wenn Er sein Reich aufrichtet; aber die Versammlung, in dem was sie besonders hat: ihre Berufung, ihren Wandel auf der Erde, ihre Entrückung, war für ihn noch das verborgene Geheimnis. Nur Jesus, der vom Himmel kam, konnte diese Dinge offenbaren. Dies bedeuten auch ohne Zweifel diese Worte des Johannes: „Der von der Erde ist, ist von der Erde und redet von der Erde; der vom Himmel kommt, ist über alle. Und was er gesehen und gehört hat, dieses bezeugt er.“ Auch kann man bemerken, dass Johannes sich nicht allein nicht für den Bräutigam oder den Christus ausgibt, sondern sich ebenso wenig als die Braut, die Versammlung oder als einen Teil derselben darstellt; er nennt sich vielmehr „Freund des Bräutigams“ (Joh 1,28-31).

Johannes lud also Israel zur Buße ein, um dem herrlichen Reich des Herrn, welches er ankündigte, den Weg zu bereiten; aber die Obersten, indem sie sich der Taufe des Johannes weigerten, „machten den Ratschluss Gottes gegen sich selbst wirkungslos“ (Lk 7,30). Und die Versuchung des Johannes bestand ohne Zweifel darin, dass das Reich, welches er angekündigt hatte, durch die Verwerfung Jesu unterbrochen werden sollte; wie es auch Elias nicht ertragen konnte, dass sein Zeugnis in Betreff der Bekehrung Ahabs und Israels wirkungslos blieb (1Kön 19,3-15; Lk 7,19-28).

Jesus selbst fängt an zu predigen: „Die Zeit ist erfüllt, und das Reich Gottes ist nahe gekommen“ (Mk 1,15; Mt 4,17). Die siebzigste Woche des Daniel war in der Tat da. Die Zeit des Reiches und aller seiner Segnungen war gekommen. Damit Israel in den Genuss desselben komme, hatte es nur nötig, den Aufforderungen des Herrn zu gehorchen: „Tut Buße, und glaubt an das Evangelium“ („das Evangelium des Reiches Gottes“) (Mk 1,14).

Folgen wir jetzt dem Herrn Jesus in die Synagoge zu Nazareth. Er wickelt die Rolle des Propheten Jesajas auf und liest: „Der Geist des Herrn ist auf mir, deswegen hat er mich gesandt, die zerknirschten Herzens sind, zu heilen; den Gefangenen die Befreiung zu verkündigen, und den Blinden das Gesicht; die Zerschlagenen in Freiheit wegzuschicken; das angenehme Jahr des Herrn zu verkündigen“ (Lk 4,16-21).

Wenn wir nun selbst Jesaja 61 lesen, so werden wir sehen, dass es die Rückkehr der Gunst Gottes über Israel sowie die Rückkehr aller der Segnungen, welche sein Sabbat- und sein Jubeljahr vorbedeuteten, klar ankündigt, nämlich die Loslassung der Schulden, die Befreiung der Knechte, die Ruhe und Segnung der Erde (2Mo 23,10.11; 3Mo 25; 5Mo 15). Jesus bot also Israel das wahre Jubeljahr, nämlich das Reich mit allen seinen Segnungen an, indem Er die Worte aus Jesaja 61,1.2 gebrauchte. Johannes der Täufer und Jesus hatten schon einigermaßen den Versöhnungstag gepredigt, indem sie sagten: Tut Buße! (3Mo 25,9.10; 23,27-32). Nun bringt Jesus dem Volk Israel, nach der Versöhnung, das Jubeljahr, das heißt nach der Demütigung der Buße das Reich mit allen seinen Segnungen, indem Er zu dem Volk sagt: „Heute ist diese Schrift vor euren Ohren erfüllt.“

Warum hält nun aber der Herr inne, indem Er die Rolle vor den Worten „und den Tag der Rache unseres Gottes“ zuwickelt? Weil Er nicht die Rache brachte, sondern die Segnung. Wenn Israel Ihn dazumal aufgenommen hätte, so hätten die Verheißungen der Propheten ihre Erfüllung gehabt. Wir wissen aber, wie Er bei dieser Gelegenheit selbst aufgenommen wurde. Bei den Bewohnern Nazareths folgte auf eine augenblickliche Bewunderung bald der Zorn, und sie wollten Ihn von dem Berg, an welchem ihre Stadt erbaut war, hinabstürzen. Da nun Israel, den Tag seiner Heimsuchung nicht erkennend, seinen König, der sanftmütig zu ihm kam, der das geknickte Rohr nicht brach und den brennenden Docht nicht löschte, verwarf, so wird es ihn mit vorhergehenden großen und schrecklichen Zeichen kommen sehen müssen – „die Menschen verschmachtend vor Furcht und Erwartung der Dinge, die über den Erdkreis kommen …“ Dies sind die Tage der Rache, damit alles, was geschrieben ist, erfüllt werde (Lk 21; Jes 34,4; 63,4). Dies wird „der große und erschreckliche Tag des Herrn sein“ (Joel 3,4; Mal 4,5). Und erst dann, wenn die Israeliten den Tag der Versöhnung verwirklicht haben werden (Sach 12,10–13,1), wird das wahre Jubeljahr kommen. „Sie werden wieder bauen, was verwüstet war, und werden die verlassenen Orte wieder herstellen.“ Dann werden sie genannt werden: „Die Priester des Herrn, die Diener unseres Gottes.“ Unterdessen genießt die Versammlung, welche an die Stelle des durch Israel verworfenen Reiches gesetzt ist, diese Segnungen in einem geistlichen Sinne.

Was Jesus zu Nazareth gepredigt hatte, predigte Er von Ort zu Ort; denn „er ging umher durch alle Städte und Dörfer, lehrend in ihren Synagogen, und verkündigend das Evangelium des Reiches, und heilend jede Krankheit und jedes Gebrechen“ (Mt 9,35). Als Er seine Zwölf Jünger erwählt, gibt Er ihnen Macht über die bösen Geister, um sie hinauszutreiben und um alle Arten von Krankheiten und Gebrechen zu heilen, sogar Tote zu erwecken. Dann befiehlt Er ihnen, weder zu den Heiden noch in eine samaritische Stadt zu gehen, sondern zu den verlorenen Schafen des Hauses Israel, um ihnen zu sagen: „Das Himmelreich ist nahe gekommen“ (Mt 10). Derselbe Auftrag ist den Siebzig gegeben; und wenn man sie in einer Stadt nicht aufnehmen wollte, so sollten sie auf die Straßen hinausgehen und sagen: „Auch den Staub, der uns aus eurer Stadt anhängt, schütteln wir gegen euch ab; doch dieses wisset, dass das Reich Gottes nahe zu euch gekommen ist“ (Lk 10).

So wie aber Israel den Vorläufer seines Königs verworfen hatte, so verwarf es auch seinen König selbst und dessen Gesandten. „Mein Volk aber gehorcht meiner Stimme nicht, und Israel will mein nicht“ (Ps 81,11-16); und Jesus muss ausrufen: „Wem soll ich dies Geschlecht vergleichen? Es ist den Kindern gleich, welche auf den Märkten sitzen und ihren Gespielen zurufen und sagen: Wir haben euch gepfiffen und ihr habt nicht getanzt; wir haben euch Klagelieder gesungen, und ihr habt nicht gewehklagt; denn es ist Johannes gekommen, weder essend noch trinkend, und sie sagen: Siehe! Ein Fresser und Weinsäufer, ein Freund der Sünder und Zöllner“ (Mt 11,16-19). Man muss wohl bemerken, dass Jesus erst nach diesem Ausspruch anfängt, seine Versammlung anzukündigen. „Wer sagen die Menschen, dass ich, der Sohn des Menschen, sei? Sie aber sagten: Die einen: Johannes der Täufer; – andere: Elia; – andere aber Jeremia, oder einer der Propheten. Spricht er zu ihnen: Ihr aber, wer sagt ihr, dass ich sei? Simon Petrus aber antwortete und sprach: Du bist der Christus, der Sohn des lebendigen Gottes! Und Jesus antwortete und sprach zu ihm: Glückselig bist du, Simon, Bar Jona! Denn Fleisch und Blut haben es dir nicht offenbart, sondern mein Vater, der in den Himmeln ist. Aber auch ich sage dir, dass du bist Petrus, und auf diesen Felsen will ich meine Versammlung bauen, und die Pforten des Hades werden sie nicht überwältigen“ (Mt 16,13-18).

Da Petrus von Gott die Gnade erhalten hatte, Jesus nicht nur als den Sohn Davids oder als den Messias Israels zu erkennen, sondern als Sohn des lebendigen Gottes, und da er Ihn als solchen bekannt hatte, antwortet Jesus auf dieses Bekenntnis mit einer neuen Offenbarung, ungefähr, als wollte Er sagen: Es ist so wahr, dass Ich der Sohn des lebendigen Gottes bin, dass nicht nur Mich die Pforten des Hades (ein unsichtbarer Ort, welcher die Seelen nach dem Tode innehält [Jes 38,10.11]) nicht zurückbehalten werden – nicht nur werde Ich, nachdem Ich in denselben hinuntergestiegen sein werde, aus demselben als Sieger hervorgehen; sondern Ich werde auch meine Versammlung daraus hervorgehen lassen, „denn wie der Vater das Leben in sich selbst hat, also hat er auch dem Sohne gegeben, das Leben in sich selbst zu haben; und wie der Vater die Toten auferweckt und lebendig macht, also macht auch der Sohn lebendig, welche er will“ (Joh 5,21.26). Weil Ich lebe, soll auch Meine Versammlung leben (Joh 16,19).

So haben wir also hier die erste Offenbarung der Versammlung und ihrer Teilnahme am Leben ihres gestorbenen und auferstandenen Jesus. Es ist ungefähr derselbe Gedanke, welchen Jesus später seinem lieben Jünger zum Trost und zur Ermutigung zuruft (Off 1,17.18). Beobachtet wohl, dass der Herr nicht sagt: „Ich habe gebaut“, sondern: „Ich werde bauen“ meine Versammlung. Würde Er wohl also gesprochen haben, wenn diese Versammlung von Anfang der Welt bestanden hätte? Nein, denn zu jener Stunde war sogar noch nicht einmal der Grund dazu gelegt; denn dieser Grund ist der verworfene, gekreuzigte und auferstandene Jesus. Auch war es „von der Zeit an, dass Jesus begann, seinen Jüngern zu zeigen, dass er nach Jerusalem gehen müsse, und vieles leiden von den Ältesten und Hohenpriestern, und getötet, und am dritten Tage auferweckt werden“ (Mt 16,21); und so verband Er den Gedanken seiner Verwerfung, seines Todes und seiner Auferstehung mit dem der Versammlung.

Als der Herr ein wenig später erklärt, dass da, wo zwei oder drei in seinem Namen versammelt seien, Er mitten unter ihnen sei, bezeichnet Er eine Verfassungsgrundlage dieser Versammlung, die uns die Natur derselben begreiflich macht; und wir haben das Glück, auf diese Grundlage, selbst Inmitten des Verfalls unserer Zeit, uns zu stützen.

Es ist wahr, dass Israel später noch einen Augenblick bereit schien, seinen König aufzunehmen. Als eine Menge Volks erfuhr, dass Jesus zum Fest kam, gingen sie vor Ihm her und riefen: „Hosianna dem Sohn Davids! Gesegnet sei, der da kommt im Namen des Herrn!“ Die Kinder im Tempel wiederholten: „Hosianna, dem Sohne Davids!“ (Mt 21,8-16). Auch Griechen, welche gekommen waren, um in Jerusalem anzubeten, wünschten Ihn zu sehen; und eine Stimme vom Himmel gab Ihm Zeugnis (Joh 12,20-29). Es schien, als ob sich alles zu seinem Triumph bereitete. Aber den Obersten des Volkes gelang es wieder, diese guten Neigungen zu ersticken und somit die Erlösung Israels und der ganzen Welt zu verhindern. Sie machten sogar dem Herrn Jesus seine Macht streitig. Danach kündigte ihnen Jesus auch offen ihre Verwerfung an. In dem Gleichnis von den Weingärtnern nötigte Er sie, ihre Verdammnis selbst auszusprechen, indem Er sagte: „Er wird die Übeltäter übel umbringen und den Weinberg andern Weingärtnern verpachten, welche ihm die Früchte zu ihrer Zeit abliefern werden“. Dann fügt Jesus hinzu: „Habt ihr nie in den Schriften gelesen: Der Stein, den die Bauleute verworfen haben, der ist zum Eckstein geworden; dieses ist vom Herrn geschehen, und es ist wunderbar in unseren Augen? Deswegen sage ich euch: Das Reich Gottes wird von euch genommen und einer Nation gegeben werden, welche dessen Früchte bringen wird. Und wer auf diesen Stein fällt, wird zerschmettert werden; den aber, auf welchen er fällt, wird er zermalmen“ (Mt 21,41-46).

So war also dieser Stein zuerst auf der Erde. Man stieß sich an ihm und wird zerschmettert werden. Dies bedeutet offenbar den Herrn selbst in der Erniedrigung bei seiner ersten Ankunft – welcher Israel ein Ärgernis war, und der es der Welt noch immer ist (Apg 4,10-12). Dann fällt der Stein – weil er vorher erhöht worden ist – und derjenige, auf welchen er fällt, wird zermalmt. Dies bedeutet den in der Herrlichkeit wiederkommenden Herrn, um sein Reich durch die Vernichtung seiner Feinde aufzurichten. Es ist der ohne Hände losgemachte Stein, welcher das große Bild in seinen teils irdenen, teils eisernen Füßen zermalmt (Dan 2,35.44.45). Was während der Zeit seiner Verwerfung auf diesen Stein gebaut wird, ist die Versammlung, das „Haus Gottes im Geist“, welches auf „dem lebendigen Stein, der von Menschen zwar verworfen, von Gott aber auserwählt ist“, ruht (Mt 16,18 verglichen mit Mt 16,21 u. 1Pet 2,4-10). Was auf den vom Himmel gekommenen und seine Feinde zermalmenden Stein gebaut wird, ist das Reich (Jes 28,16), in dem man den 118. Psalm, besonders Vers 21-26, singen wird. Ungefähr dieselben Gedanken sind in dem Gleichnis vom Edelmann dargestellt (Lk 19,12 usw.)

Nachdem Er den blinden Führern seines blinden Volkes „Wehe!“ zugerufen hatte, nimmt Jesus seinen rührenden Abschied von Jerusalem: „Jerusalem, Jerusalem, die du die Propheten tötest, und die, welche zu dir gesandt sind, steinigst; wie oft habe ich deine Kinder versammeln wollen, wie eine Henne ihre Küchlein unter ihre Flügel versammelt, und ihr habt nicht gewollt. Siehe, es wird euch euer Haus öde gelassen werden. Denn ich sage euch: Ihr werdet mich von jetzt an nicht sehen, bis ihr sagt:„Gesegnet, der da kommt im Namen des Herrn!“ (Mt 23,33-39).

Man sieht es aber, dass es nicht ein Abschied für immer ist: „Ihr werdet mich nicht sehen, bis Ihr sagt“, usw. Dies hatte der Herr schon durch seinen Propheten gesagt: „Ich werde wieder an meinen Ort gehen, bis sie erkennen, dass sie gesündigt haben und mein Angesicht suchen“ (Hos 5,15). Die Zeit wird also kommen, wo Israel zu seinem König und Gott umkehrt, und indem es Ihn kommen sieht, wird es Ihn aufs Neue mit dem Zuruf begrüßen: „Gesegnet, der da kommt im Namen des Herrn!“ (Hos 3,5; Ps 118,26). Das Reich ist bis auf jenen Augenblick verschoben, und bis zu jenem Augenblick ist es durch die Versammlung ersetzt.

Endlich ist bekannt, was Israel mit seinem König machte; es übergab Ihn den Heiden, dass sie Ihn töteten, indem es rief: „Kreuzige, kreuzige ihn!“ Als Pilatus zu ihnen sagte: „Soll ich euren König kreuzigen?“, da antworteten die Ältesten: „Wir haben keinen anderen König als den Kaiser.“ Zur Krone flocht man Ihm Dornen, zum Zepter gab man Ihm ein Rohr und zum Thron ein Kreuz, auf welchem man jedoch zum Ärger seiner Feinde in griechischer, lateinischer und hebräischer Sprache lesen musste: „Jesus von Nazareth, der König der Juden“, um gleichsam der Welt bekannt zu machen, dass, wenn Israel von jetzt an ohne König sei, es nicht daran liege, dass der König seinem Volk untreu geworden, sondern daran, dass das Volk seinen König verworfen und gekreuzigt habe.

Israel war, wie seine Väter, an den Grenzen des verheißenen Landes angekommen (4Mo 13–14). Das Himmelreich war ihm nahe gekommen, es war ihm angeboten worden; aber es verhinderte, wie auch seine Väter, durch seinen Unglauben die Erfüllung der Verheißung, und jetzt, bevor sie erfüllt ist, muss es viele Tage in der „Wüste der Völker“, „ohne König, ohne Fürst, ohne Opfer und ohne Altar, ohne Ephod und ohne Theraphim“ umherirren (Hes 20,35; Hos 2,14; 3,4).

Doch Jesus hatte am Kreuz für seine Mörder gebeten: „Vater, vergib ihnen, denn sie wissen nicht, was sie tun“, und als Antwort auf diese Bitte wurde das Reich ihnen abermals angeboten. Man kann den Worten des Petrus keinen anderen Sinn geben, wenn er sagt: „Und jetzt, Brüder, ich weiß, dass ihr in Unwissenheit gehandelt habt, gleichwie eure Obersten. Gott aber hat, was er durch den Mund aller seiner Propheten zuvor verkündigt hat, dass der Christus leiden sollte, also erfüllt. – So tut nun Buße und bekehret euch, dass eure Sünden ausgetilgt werden, dass Zeiten der Erquickung von dem Angesicht des Herrn kommen möchten und dass er euch den zuvor verordneten Jesus Christus senden möchte; welchen freilich der Himmel empfangen muss, bis zu den Zeiten der Wiederherstellung aller Dinge, wovon Gott von jeher durch den Mund seiner heiligen Propheten geredet hat“ (Apg 3,17-26). Wenn nun auch einige glaubten, so verhärtete sich jedoch die Masse auf den Zuruf der Apostel, wie sie es auch bei dem Zuruf ihres Meisters tat.

Stephanus wandte sich nochmals zu Israel als zu dem Volke Gottes und bat dasselbe auf das Dringendste, den Vorvätern nicht nachzuahmen, welche voll Neid Joseph, welchen Gott als Erretter seiner Familie und der Welt erweckt hatte, verkauften – noch zu tun, wie die Hebräer in Ägypten, welche zu Mose sagten: „Wer hat dich zum Fürsten und Richter über uns gesetzt?“ Denn dieser Mose, den sie verworfen hatten, war der Mann, den Gott zum Fürsten und Befreier gesandt hatte. Aber die Juden, noch mehr als ihre Väter verhärtet, steinigten den Stephanus und schickten ihn, sozusagen, dem Herrn nach, wie den Knecht im Gleichnis, um damit zu sagen: „Wir wollen nicht, dass dieser über uns herrsche!“ Von da an wurde dieser Leib, welchen der Heilige Geist aus Kindern Abrahams gebildet hatte, auch aus Samaritern und bald auch aus den Nationen gesammelt (Apg 5 u. 13). Demgemäß nahm er den Charakter der Versammlung dieses neuen Menschen an, in welchem weder Jude noch Grieche gilt; die Versammlung trat an die Stelle des Reiches. Zur selben Zeit erweckte Gott aus der Zahl der Mörder des Stephanus denjenigen, welcher der Diener der Versammlung, der „Verwalter dieses von den Zeitaltern her verborgenen Geheimnisses“ sein sollte (Kol 1,24-29). Und es scheint, dass er in seiner Berufung selbst die Versammlung als den Leib, der hier unten mit dem gestorbenen und auferstandenen Jesus wandelt, kennenlernen sollte. „Saul, Saul, warum verfolgst du mich?“, sagte ihm der Herr, und als Paulus antwortete: „Wer bist du, Herr?“, antwortete Er: „Ich bin Jesus, den du verfolgst“ (Apg 9,4.5).

Die Versammlung hatte in der Tat vor Paulus begonnen, jedoch ohne von denen, welche sie bildeten, selbst verstanden zu sein. Als zum Beispiel Petrus den Befehl erhielt, den Heiden das Wort zu bringen, gehorchte er sozusagen nur mit Widerwillen und ohne Verständnis; er ergab sich erst dann vollständig darin, als er sah, dass der Heilige Geist den Heiden, nachdem sie glaubten, gegeben wurde. Diese Tatsache wurde ihm zum Beweis, dass er nicht das Recht habe, ihnen das Wasser zu wehren. „Wer war ich, um Gott zu widerstehen?“ Petrus verstand zwar die Tatsache, dass Heiden durch den Glauben errettet worden waren, aber er begriff damals die Einheit der mit Christus für Gott in einem Leib gesammelten Gläubigen nicht. Gewiss war es Paulus vorbehalten, der Verwalter dieses Geheimnisses zu sein, welches er ohne Zweifel „sein Evangelium“ nennt (Röm 16,25; 2Tim 2,8).

So sind wir denn wieder bei unserem Ausgangspunkt angekommen, nämlich bei den Belehrungen Paulus über die Natur der Versammlung, welche wir nun besser verstehen können.

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Originaltitel: „Der gegenwärtige und der zukünftige Zeitlauf“
aus Botschafter des Heils in Christo, 1857, S. 47–56
aus dem Französischen übersetzt
von der Redaktion sprachlich leicht angepasst


Hinweis der Redaktion:

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