Das Gleichnis vom Sauerteig
Matthäus 13,33-35

Arend Remmers

© CSV, online seit: 06.02.2001, aktualisiert: 01.05.2021

Leitverse: Matthäus 13,33-35

Mt 13,33-35: Ein anderes Gleichnis redete er zu ihnen: Das Reich der Himmel ist gleich einem Sauerteig, den eine Frau nahm und unter drei Maß Mehl mengte, bis es ganz durchsäuert war. Dies alles redete Jesus in Gleichnissen zu den Volksmengen, und ohne Gleichnis redete er nicht zu ihnen, damit erfüllt würde, was durch den Propheten geredet ist, der spricht: „Ich werde meine Mund auftun in Gleichnissen; ich werde aussprechen, was von Grundlegung der Welt an verborgen war.“

Das Gleichnis vom Sauerteig steht in engem Zusammenhang mit dem Gleichnis vom Senfkorn. Beide beschreiben in bildlicher Sprache die negative Entwicklung des Reiches der Himmel während der Zeit, in der der Herr Jesus, der wahre König, nicht auf der Erde ist.

Das Gleichnis beginnt mit den Worten: „Das Reich der Himmel ist gleich einem Sauerteig …“ (Mt 13,33). Hier wird nicht mehr die äußere Vermischung von Gut und Böse beschrieben wie im Gleichnis vom Unkraut im Acker, auch nicht die sichtbare irdische Größe und ihre Folgen wie im Gleichnis vom Senfkorn, sondern die verborgene, alles durchdringende Einwirkung des Bösen auf das, was ursprünglich rein und heilig war.

Sauerteig, der auch heute noch beim Backen bestimmter Brotsorten verwendet wird, ist alt gewordener Teig. Wenn er mit ungesäuertem Teig gemischt wird, ruft er einen Gärungsprozess hervor, der zur Lockerung führt und das Brot für den menschlichen Geschmack angenehmer machen soll. Durch die Hitze des Feuers beim Backen hört die Wirkung des Sauerteigs auf.

Sauerteig ist in der Bibel immer ein Bild des Bösen, was auch im Allgemeinen von allen Bibelauslegern anerkannt wird. Nur bei diesem Gleichnis machen viele eine Ausnahme, obwohl es dafür keinen plausiblen Grund gibt. Es spricht viel mehr dafür, dass der Sauerteig hier ein Sinnbild der Durchdringung des Reiches der Himmel mit falscher Lehre ist und nicht von der Ausbreitung des Evangeliums in der ganzen Welt. Dafür können die folgenden Gründe angeführt werden:

  1. Erstens dürfen wir den Zusammenhang mit den beiden vorigen Gleichnissen nicht außer Acht lassen, in denen das Einwirken des Teufels auf das Reich der Himmel beschrieben wird.

  2. Zweitens finden wir nirgends in der Bibel, dass die ganze Welt in der jetzigen Zeit durch die Botschaft Gottes umgestaltet wird.[1] Man könnte eher das Gegenteil sagen, denn wenn auch der Herr seinen Jüngern den Auftrag gab, zu allen Völkern zu gehen, so musste Paulus doch schreiben: „Der Glaube ist nicht aller Teil“ (2Thes 3,2), und leider ist es heute noch nicht anders.

  3. Drittens gibt es weder einen klaren Anhaltspunkt noch ein einleuchtendes Argument dafür, dass das Wort Sauerteig gerade an dieser Stelle ausnahmsweise eine positive Bedeutung haben soll.[2]

Schon bei der Einsetzung des Passahfestes bestimmte Gott, dass jeder Sauerteig aus den Häusern der Israeliten entfernt werden musste und nur ungesäuertes Brot gegessen werden durfte (2Mo 12,15), und bei der Erklärung der geistlichen Bedeutung in 1. Korinther 5,6-8 wird der Sauerteig mit Bosheit und Schlechtigkeit gleichgesetzt. In Galater 5,8 vergleicht Paulus die gefährliche Wirkung falscher Lehre mit Sauerteig. Auch der Herr Jesus benutzte in seinen Reden öfter den Begriff Sauerteig, um das Böse zu charakterisieren: In Matthäus 16,5-12 spricht Er von dem Sauerteig der Lehre der Pharisäer und Sadduzäer, in Markus 8,15 außerdem von dem Sauerteig des Politikers Herodes und in Lukas 12,1 von dem Sauerteig der Heuchelei. Immer ist also die oft schleichende Wirksamkeit des geduldeten Bösen gemeint, die der natürliche Mensch nicht nur schwer oder gar nicht erkennt, sondern im Gegenteil noch als angenehm empfinden kann.

„Das Reich der Himmel ist gleich einem Sauerteig, welchen eine Frau nahm und unter drei Maß Mehl verbarg, bis es ganz durchsäuert war.“ Dass hier im Unterschied zu den anderen Gleichnissen nicht ein Mann, sondern eine Frau die Handelnde ist, ist ein Hinweis darauf, dass nicht das Tun des Herrn Jesus vorgestellt wird, sondern das einer anderen Macht, und zwar einer bösen Macht. Der Ausdruck „verbarg“ hebt noch zusätzlich hervor, dass es sich um eine heimliche Tätigkeit handelt. Eine bemerkenswerte Parallele zu diesem Gleichnis, das ja das vierte in Matthäus 13 ist, findet sich im vierten Sendschreiben des Buches der Offenbarung. Der Herr muss dort der Versammlung in Thyatira sagen: „Ich habe wider dich, dass du die Frau Jesabel duldest, welche sich eine Prophetin nennt, und sie lehrt und verführt meine Knechte, Hurerei zu treiben und Götzenopfer zu essen“ (Off 2,20). Auch hier ist es eine Frau, die das Böse einführt.

Wir müssen uns nun noch den drei Maß Mehl zuwenden, die durch den verborgenen Sauerteig durchsäuert wurden. Sie haben sicher nicht die allgemeine Bedeutung wie der Acker in den vorigen Gleichnissen. Drei ist in erster Linie die Zahl des dreieinen Gottes, und Mehl symbolisiert in der Bibel häufig die Reinheit und Vollkommenheit Christi (z.B. im Speisopfer in 3Mo 2; vgl. 2Kön 4,41). Daher ist in den drei Maß Mehl jedenfalls nicht die ganze Welt zu sehen, sondern das, was nach Gottes Willen und durch den Dienst des Herrn Jesus in Vollkommenheit begann: das Reich der Himmel auf dieser Erde. Von dem Sauerteig falscher, ja böser Lehren wurde das gesamte Reich der Himmel erfasst, „bis es ganz durchsäuert war“. Aber nicht die Dauer des Säuerungsprozesses ist dabei das Wesentliche, sondern das Ergebnis der vollständigen Durchsäuerung. Auch in den Warnungen vor dem Sauerteig in 1. Korinther 5,6 und Galater 5,9 legt der Apostel Paulus die Betonung nicht auf den Vorgang, sondern auf das Ergebnis: „Ein wenig Sauerteig durchsäuert den ganzen Teig.“

Welch eine Entwicklung seines Reiches sah der Herr, der als rechtmäßiger König gekommen war, voraus! Da Er von seinem Volk verworfen wurde, sprach Er jedoch nicht mehr offen zu ihnen, sondern in diesen Gleichnissen, „damit erfüllt würde, was durch den Propheten geredet ist, welcher spricht: Ich werde meinen Mund auftun in Gleichnissen; ich werde aussprechen, was von Grundlegung der Welt an verborgen war.“ Dies sind die „Geheimnisse des Reiches der Himmel“ (Mt 13,11), deren Verständnis der Heilige Geist denen öffnet, die die Verwerfung ihres Herrn sehen und teilen wollen.


Originaltitel: „Das Gleichnis vom Sauerteig“
aus Ermunterung und Ermahnung, Jg. 50, 1996, S. 150–154

Anmerkungen

[1] Es geht also in diesen Gleichnissen nicht um das Wachstum der Versammlung Gottes, sondern um die Entwicklung des Reiches der Himmel. Am Anfang des Tausendjährigen Reiches wird allerdings „die Erde voll sein von der Erkenntnis des HERRN, gleichwie die Wasser den Meeresgrund bedecken“ (Jes 11,9). Doch wird dies nicht das Ergebnis einer fortschreitenden Ausbreitung des Wortes Gottes sein. Vorher wird ein gewaltiger Einschnitt in der Weltgeschichte durch die Entrückung aller Gläubigen der jetzigen Zeit stattfinden, und danach werden vor der Errichtung des Reiches noch furchtbare Gerichte über die Erde kommen.

[2] Als Begründung dafür, dass der Sauerteig in Matthäus 13 etwas Positives sei, wird meistens das an sich richtige Argument angeführt, dass Symbole in der Bibel nicht immer dieselbe Bedeutung haben müssen. So stellt zum Beispiel der Löwe aus dem Stamm Juda in Offenbarung 5,5 den Herrn Jesus dar, während in 1. Petrus 5,8 Satan als brüllender Löwe bezeichnet wird. Aber im Gegensatz zu unserer Stelle, die keinerlei Andeutung enthält, dass Sauerteig etwas Positives bedeutet, wird dort aus dem Zusammenhang zweifelsfrei klar, was gemeint ist. Manchmal werden 3. Mose 7,13; 23,17 als Argument dafür angeführt, dass Sauerteig, der an sich bei den Opfern verboten war (3Mo 2,11), doch eine positive Bedeutung haben könne. Doch erstens handelt es sich hier nicht um noch wirkenden Sauerteig, sondern um gesäuerte, aber gebackene Brote. Die Wirksamkeit des Sauerteigs ist also vorüber. Außerdem sprechen gerade die gesäuerten Brote beim Friedensopfer und beim Wochenfest von den Gläubigen, die früher böse waren, aber durch die Gnade Gottes errettet sind.


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