Das Gleichnis vom Senfkorn
Matthäus 13,31.32

Arend Remmers

© CSV, online seit: 06.02.2001, aktualisiert: 30.10.2022

Leitverse: Matthäus 13,31.32

Mt 13,31.32: Ein anderes Gleichnis legte er ihnen vor und sprach: Das Reich der Himmel ist gleich einem Senfkorn, das ein Mensch nahm und auf seinen Acker säte, das zwar kleiner ist als alle Samenkörner, aber wenn es gewachsen ist, ist es größer als die Kräuter und wird ein Baum, so dass die Vögel des Himmels kommen und sich niederlassen in seinen Zweigen.

Unmittelbar im Anschluss an das Gleichnis vom Unkraut im Acker, noch während der Herr Jesus draußen am Ufer des Sees saß, erzählte Er zwei weitere Gleichnisse über das Reich der Himmel. In der dreimaligen Wiederholung der Einführungsworte „Ein anderes Gleichnis …“ (Mt 13,24.31.33) kommt die Zusammengehörigkeit dieser beiden Gleichnisse mit dem vorigen zum Ausdruck; denn alle drei beschreiben die negative Entwicklung des Reiches der Himmel auf der Erde, während der rechtmäßige König von seinem Volk verworfen und abwesend ist. So ergänzen sie einander in wunderbarer Weise.

Eine den beiden Gleichnissen vom Senfkorn und Sauerteig gemeinsame Besonderheit ist, dass in ihnen nicht mehr wie in den vorigen die einzelnen Menschen betrachtet werden, sondern das Reich der Himmel als Ganzes. Das wird manchmal übersehen. Gerade die beiden Gleichnisse, mit denen wir uns jetzt beschäftigen wollen, werden in der Christenheit meistens positiv als Bilder von der Ausbreitung des Evangeliums erklärt, obwohl sie ganz im Gegenteil die negativen Einflüsse des Bösen auf das Reich der Himmel beschreiben.

Das Gleichnis vom Senfkorn ist das dritte, das vom Säen handelt, allerdings jetzt in einem etwas anderen Sinn. Zwar ist auch hier der Acker ein Bild der Welt (vgl. Mt 13,38). Aber der Vergleichspunkt ist nicht wie in den beiden vorigen der Sämann, der den guten Samen ausstreut, sondern die geringe Größe des Samenkorns: „Das Reich der Himmel ist gleich einem Senfkorn, welches ein Mensch nahm und auf seinen Acker säte; das zwar kleiner ist als alle Samen …“ (Mt 13,31.32). Das Senfkorn steht im Mittelpunkt, und die einzige Tätigkeit des Menschen ist, dass er es auf seinen Acker sät. Das Wesentliche ist hier nicht die gute Qualität des ausgestreuten Samens, sondern seine Unscheinbarkeit, ein Bild davon, dass auch das Reich der Himmel klein und unbeachtet begann.

Das Senfkorn ist zwar nicht der absolut kleinste Same, aber doch wesentlich kleiner als Getreidekörner und Samen von anderen Nahrungspflanzen. In der Bibel wird es als beinahe sprichwörtlicher Ausdruck für etwas sehr Kleines und Geringes verwendet. So sagt der Herr in Matthäus 17,20 zu seinen Jüngern: „Wenn ihr Glauben habt wie ein Senfkorn …“ Aber während Er dort nur die mögliche Größe der Glaubenskraft beschreibt, geht es Ihm hier auch um das, was sich aus kleinsten Anfängen entwickelt: „… wenn es aber gewachsen ist, so ist es größer als die Kräuter und wird ein Baum“ (Mt 13,32). Die aus dem Samen des schwarzen Senfs aufschießende strauchartige Pflanze kann eine Höhe von zwei bis drei Metern erreichen. Im Vergleich zu Kräutern und anderen Gartengewächsen erscheint sie wirklich wie ein Baum, auf dessen Zweigen die Vögel sich niederlassen können.

Ein Baum ist in der Bibel oft ein Sinnbild für eine große irdische Macht. Assur (Hes 31,3) und Nebukadnezar (Dan 4,10-14) werden zum Beispiel mit großen Bäumen verglichen. Wie ganz anders ist dagegen der Glückselige in Psalm 1, der einem an Wasserbächen gepflanzten Baum gleicht, dessen Blatt nicht verwelkt und der seine Frucht bringt zu seiner Zeit!

Der Baum, der sich aus dem kleinen Senfkorn entwickelt, ist dagegen kein positives, sondern ein negatives Bild. Das Reich der Himmel, das doch einen himmlischen Charakter tragen soll, wird zu einer irdischen Macht! Beachten wir, dass der Herr hier nicht die gottgewollte Entwicklung beschreibt, sondern auf dessen äußere Entfaltung als Folge seiner Verwerfung hinweist. Dies wird durch den Schlusssatz bestätigt: „… so dass die Vögel des Himmels kommen und sich niederlassen in seinen Zweigen“ (Mt 13,32). Schon im ersten Gleichnis erklärt der Herr, dass die Vögel, die die auf den Weg gefallenen guten Samenkörner fressen, ein Bild des Teufels sind, der das Wort aus den Herzen der Hörer wegreißt (Mt 13,4.19). Dieselbe Macht des Bösen, die zuerst das Werk Gottes vernichten wollte, nistet sich hier ein!

Vögel sind in der Bibel sehr häufig Bilder von teuflischen Einflüssen (vgl. 1Mo 15,11; 40,17; Jer 5,27). Besonders deutlich kommt dies in Offenbarung 18,2 zum Ausdruck, wo die große Hure Babylon, das Bild der zukünftigen Christenheit ohne Christus, als „Gewahrsam jedes unreinen Geistes und … jedes unreinen und gehassten Vogels“ bezeichnet wird.

Das Reich der Himmel in seiner äußeren Form entspricht heute der Christenheit (nicht der Versammlung Gottes, das heißt der Gesamtheit aller Erlösten!). Das Gleichnis vom Sämann (Mt 13,3-9) zeigt, dass Satan immer versucht, die Ausbreitung des Wortes Gottes zu verhindern. Da ihm dies unmöglich ist, setzt er alles daran, eine Vermischung des Guten mit dem Bösen zustande zu bringen, wie wir es im Gleichnis vom Unkraut im Weizen sehen (Mt 13,24-30). Im Gleichnis vom Senfkorn hat das Reich der Himmel seinen himmlischen Charakter verloren und hat sich zu einem beachtlichen Machtfaktor in der Welt entwickelt (obwohl natürlich immer wahre Gläubige da sind). Durch Einmischung in die weltliche Politik, Aufnahme philosophischen Gedankengutes und immer deutlicheres Abweichen von Gottes Wort ist die in den großen Kirchen organisierte Christenheit zu einem „Baum“ geworden, der heute allen möglichen Gedanken und deren Trägern Unterschlupf bietet.


Originaltitel: „Das Gleichnis vom Senfkorn“
aus Ermunterung und Ermahnung, Jg. 50, 1996, S. 146–149


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