Der Prophet Jeremia (1)

Willem Johannes Ouweneel

© SoundWords, online seit: 20.05.2006, aktualisiert: 12.01.2021

Einleitung

Wir wollen also versuchen, in den zwei Sektionen, die wir haben, dem Leben Jeremias gemeinsam nachzugehen. Ich möchte euch ganz einfach die Geschichte Jeremias erzählen. Ich bin mir sicher, dass die meisten von euch die Geschichte kaum kennen. Denn es ist eine wenig bekannte Geschichte. Du hast das Buch Jeremia schon mal pflichtgemäß durchgelesen und fandest es so kompliziert, dass du froh warst, am Ende angekommen zu sein. Und so geht es vielen. Es ist auch auffällig, dass – abgesehen von der Synopsis von Bruder Darby – eigentlich kein gebührender, umfangreicher Kommentar jemals von „den Brüdern“ geschrieben wurde, außer ganz kurz gehaltene. Es ist ein schwierig zu besprechendes Buch. Ich werde jetzt auch nicht das Buch besprechen. Das würde viel zu kompliziert sein. Wir werden das Leben von Jeremia besprechen und werden dabei oft auf das Buch verweisen.

Geschichtlicher Hintergrund

Zu Beginn werde ich euch etwas aus 2. Chronika vorlesen.

Du siehst das Leben der Könige, über die wir sprechen werden und die Geschichte, die den Hintergrund der Erzählung darstellt in 2. Könige 22–25, in 2. Chronika 34–36 und auch in Jeremia 52. Darauf werde ich weiter nicht hinweisen. Sehr viele Dinge aus der Geschichte Israels in dieser Zeit findest du in diesen Kapiteln.

Ich möchte jetzt etwas lesen aus 2. Chronika 35 und 36.

2. Chronika 35,25: Dort lesen wir über den Tod von König Josia und hören zum ersten Mal etwas über Jeremia. Wir werden gleich sehen, dass Josia ein guter König war. Er war der letzte gute König aus dem Haus Juda.

2Chr 36,1: Und das Volk des Landes nahm Joahas, den Sohn Josias, und sie machten ihn zum König in Jerusalem an seines Vaters statt.

Und dann steht da weiterhin, dass er nur drei Monate regierte. Der König von Ägypten kam und setzte ihn ab. Ägypten war damals der mächtige Fürst in der Umgebung von Israel. Er nahm seinen Bruder Eljakim und änderte dessen Namen in Jojakim, um seine Macht zu beweisen – die Macht, die der Pharao hatte, einfach den Namen zu ändern. Joahas wurde nach Ägypten deportiert und Jojakim wird König.

2Chr 36,5.6: Er regierte elf Jahre zu Jerusalem und tat, was böse ist in den Augen des HERRN, seines Gottes. Wider ihn zog Nebukadnezar, der König von Babel, herauf; und er band ihn mit ehernen Fesseln, um ihn nach Babel zu führen.

Dann stirbt er (2Chr 36,8) und sein Sohn Jojakin wird König an seiner Stelle, regiert aber nur drei Monate und zehn Tage zu Jerusalem (2Chr 36,9). Auch er tat, was böse war in den Augen des Herrn: „Und beim Umlauf des Jahres sandte der König Nebukadnezar hin und ließ ihn nach Babel bringen samt den kostbaren Geräten des Hauses des HERRN; und er machte seinen Bruder [seinen Blutsverwandten, seinen Onkel, den jüngeren Bruder von Jojakim] Zedekia zum König über Juda und Jerusalem.“

Nun kommt wieder etwas Wichtiges über Jeremia:

2Chr 36,11-14: 21 Jahre war Zedekia alt, als er König wurde, und er regierte elf Jahre zu Jerusalem. Und er tat was böse war in den Augen des HERRN, seines Gottes. Er demütigte sich nicht vor dem Propheten Jeremia, als er nach dem Befehle des HERRN redete. Und auch empörte er sich gegen den König Nebukadnezar, der ihn bei Gott hatte schwören lassen. Und er verhärtete seinen Nacken und verstockte sein Herz, so dass er nicht umkehrte zum HERRN, dem Gott Israels. Auch alle Obersten der Priester und das Volk häuften die Treulosigkeiten, nach allen Gräueln der Nationen, und verunreinigten das Haus des HERRN, das er in Jerusalem geheiligt hatte.

In den nachfolgenden Versen findest du dann, dass Gott deswegen die Babylonier sendet, den König der Chaldäer (dasselbe wie Babylonier, 2Chr 36,17), König Nebukadnezar. Er deportiert einen Großteil der Bevölkerung nach Babel (2Chr 36,18), der Tempel wird verwüstet und auch die Mauer von Jerusalem wird abgebrochen (2Chr 36,19). Schließlich steht in Vers 21: „… damit erfüllt würde das Wort des Herrn durch den Mund Jeremias“ (2Chr 36,21).

Wer war Jeremia?

Wer war Jeremia? Im Anfang seines Buches (Jer 1) findest du, dass Jeremia aus dem Dorf Anathoth stammt, ca. 5 km nordöstlich von Jerusalem. Er kommt aus einer priesterlichen Familie in Anathoth, wiewohl nirgends eine Andeutung zu finden ist, dass er jemals als Priester aufgetreten ist, obwohl er eigentlich einer war. Sein Vater hieß Hilkija.

Jeremia sagt von sich, ein Knabe gewesen zu sein, als er durch den Herrn gerufen wurde; ein junger Mann also. Hieraus kann man allerdings nicht unbedingt schlussfolgern, wie alt er war. Ich denke, dass er ca. 645 geboren wurde und bin dabei von der Schätzung ausgegangen, dass er ungefähr 18 Jahre alt war. Das ist das Minimum, vielleicht war er 20, vielleicht Anfang 20. Lasst uns davon einfach ausgehen, dass er ungefähr 18 Jahre alt war. Das ist sehr jung und gibt ein Bild von dem Alter, das ihr auch ungefähr habt: 18 Jahre.[1]

Das musst du dir kurz vorstellen, was das bedeuten würde, wenn du jetzt so eine Berufung erhalten würdest: so eine eindeutige Offenbarung und du wüsstest vorher, was das für den Rest deines Lebens alles beinhaltet, genauso wie das bei Jeremia der Fall war.

Jeremia wurde in einer schrecklichen Zeit geboren, als König Manasse noch lebte. Manasse war übrigens der Sohn von Hiskia, der eine gewaltige Reformation in Israel zustande gebracht hatte. Manasse hat das alles wieder abgebrochen. Jahrzehntelang hat er systematisch den Götzendienst wieder eingeführt, bis er das ganze Volk wieder total vom Herrn weggeführt hatte. Manasse hat sich am Ende zwar bekehrt, aber das Böse war schon geschehen und konnte nicht mehr entfernt werden. Sein Sohn Amon folgte ihm zwei Jahre lang und war auch ein gottloser Mann. Josia, sein Sohn – wie gesagt der letzte gute König – war ein kleiner Junge, als er König wurde. Im zwölften Jahre seiner Regierung, als er selbst älter geworden war, finden wir, dass er mit bestimmten Reformen beginnt.

Das ist ungefähr die Zeit, in der Jeremia gerufen wurde. Jeremia wurde also in einer Zeit gerufen, in der es in Israel unheimlich dunkel aussah: überall Götzendienst. Es gab einen jungen König, der vielleicht ungefähr so alt war, wie Jeremia selbst. Ein junger König, der auch auf eine besondere Weise durch den Herrn gebraucht wurde, um den Götzendienst in Israel auszurotten. Sehr merkwürdig: ein junger König Josia und ein junger Prophet. Wir wissen nicht einmal, ob sie sich jemals getroffen haben. Beide wurden durch den Herrn gerufen, um zu versuchen, in Israel gegenüber dem abscheulichen Götzendienst einen Damm aufzuschütten – aber nicht nur gegen die Diener der Götzen. Der Götzendienst ging einher mit großer Sittenlosigkeit, mit großer sozialer Unterdrückung, mit schrecklich vielen Missständen.

Wogegen Jeremia alles aufgetreten ist, findest du im ersten Teil seines Buches in seiner ersten Predigt.

Zunächst möchte ich aber noch auf eine Stelle in Jeremia 20,7 hinweisen, in der er später – viel später – als er es schon enorm schwer hatte, etwas darüber sagt, wie er seine Berufung empfunden hat. Denn er war gar nicht bereit, sich durch den Herrn rufen zu lassen. Er hatte allerlei Einwendungen: er fühlte sich zu jung und zu schwach, was ja an sich sehr gut ist. In Jeremia 20,7 schließlich lässt er sehen, wie er doch dran glauben musste. Dort steht:

Jer 20,7: HERR, du hast mich beredet, und ich habe mich bereden lassen; du hast mich ergriffen und überwältigt. Ich bin zum Gelächter geworden den ganzen Tag, jeder spottet meiner.

Da siehst du, wie er gefühlt hat. Der Herr ist ihm zu stark gewesen. Er musste. Ab und zu, wenn er seine schlechten Augenblicke hatte, dann ist es fast so, als ob Jeremia dem Herrn übelnimmt, dass er diese abscheuliche und schwierige Aufgabe ausführen muss. Denn das war nicht nur einmal predigen. Seine ganze Predigt hat länger als vierzig Jahre gedauert. Es gibt keinen Propheten im AT, von dem wir so viel wissen wie von Jeremia.

Ein ganz großer Teil seiner Predigt wird in der Bibel beschrieben. Aber auch aller Widerstand, den er dabei gehabt hat und vor allen Dingen auch alle Gefühle. Es gibt keinen Propheten in der Bibel, dessen Charakter wir so gut kennen. Das Buch Jeremia ist voll von Herzensergüssen von Jeremia, Anklagen dem Herrn gegenüber, der ihn diese schreckliche, schwere Arbeit tun ließ. Manchmal ist er total verzweifelt, dem Ende nahe und sieht keinen Ausweg mehr. Dann will er sogar damit aufhören. Manchmal verflucht er den Tag seiner Geburt. Aber immer siehst du, dass er wieder zum Herrn zurückkommt. Gott lässt ihn nicht los, und er lässt Gott nicht los, wiewohl er eine Arbeit in Israel tun muss, bei der er eigentlich gar keine Freunde mehr hat. Außer zum Beispiel Baruk, ein junger Mann, der im Prinzip ein Schwächling war, keine Kraftfigur, und Einzelne unter den Fürsten Israels, die ihm treu gewesen sind, hat er keine Freunde.

Jeremia hat sich größtenteils gegen Hass, Abkehr, Gespött und Geringschätzung durchsetzen müssen. Er wurde ins Gefängnis gebracht. Menschen haben nach seinem Leben getrachtet. Es wurden Zusammenschlüsse gegen ihn geschmiedet, und vermutlich, wie wir gleich sehen werden, ist er in der Tat am Ende seines Lebens durch die eigenen Landsleute gesteinigt worden. Im Alten Testament gibt es kein Leben, das so düster, so verzweifelt, so pessimistisch, so aussichtslos ist. Man stellt eigentlich fest: ein Leben, dass ein einziger Fehlschlag ist. Alles was er versucht hat, misslang; alles, was er unternommen hat, ist ein Trümmerhaufen geworden. Er hat gewarnt vor dem sich nähernden Unheil, dem Gericht, das Gott über sein Volk bringen würde, doch die Menschen haben nicht gehört. Als das Gericht dann kam, glaubten die Menschen immer noch nicht. Wir werden es gleich sehen. Es ist eine entsetzlich entmutigende Geschichte. Aber dadurch ist es gleichzeitig eine so ermunternde Geschichte. Durch alles hindurch siehst du, dass er Gott nicht loslässt und dass er von dem Herrn empfangene Prophezeiungen ausspricht, die so schön, so warm und so erfüllend sind, jedoch Bezug nehmen auf eine sehr weite Zukunft, die heute auch noch nicht erfüllt ist. Das sind die leuchtenden Kapitel 30 und 31, die inmitten des dunklen Buches wie ein Lichtfleck hervorstrahlen.

Jeremias Extremsituation

Hier ein paar von den schwierigen Umständen Jeremias:

In Jeremia 16,1-9 siehst du, dass es Jeremia verboten ist, zu heiraten. Das war die erste Konsequenz seiner Berufung. Er durfte keine Ehe eingehen, und der Herr sagt auch wieso: Wenn du heiratest, bekommst du Kinder, die sowieso nur zum Tode bestimmt sind. Erzähl ruhig den Menschen, warum du nicht heiratest und gib als Grund an, dass die Kinder der Menschen später alle umkommen oder Sklaven des Königs von Babel werden. Sein Nicht-Heiraten war also eine Predigt an sich.

Ihm wurde sogar verboten, an den gewöhnlichen Bräuchen in seinem eigenen Dorf teilzunehmen, die Gebräuche zur Reue. Der Herr sagte: Nimm nicht an diesen Gebräuchen zur Reue teil und erzähl den Menschen wieso. Erzähl ihnen, dass später solch eine schreckliche Plage über sie kommen wird, dass sie dann gar keine Zeit für Reue-Gebräuche haben werden. So ging von allem, was er tat, eine Botschaft aus.

In Kapitel 15 sagt er zum Herrn, dass er nie fröhlich gewesen ist: „Ich saß nicht im Kreise der Scherzenden und frohlockte; wegen deiner Hand saß ich allein, weil du mit deinem Grimm mich erfüllt hast“ (Jer 15,17) Von seinem (angenommenen) 18. Lebensjahr an hat er nie gelacht, war nie fröhlich, hat keinen Spaß gehabt. Nicht, weil das an sich verboten ist, sondern weil er in einer Zeit lebte, in der er die schreckliche Plage sah, die über Juda kommen würde. Deswegen hat er sich ab der Berufung ganz zielbewusst von allem Scherz und aller Ausgelassenheit distanziert (siehe Jer 15,15-18).

Jeremia und Josia (622–609)

Unmittelbar nachdem Jeremia vom Herrn berufen wurde, hat er gepredigt. Du musst verstehen – ich sagte es schon –, das Böse, das Manasse angerichtet hatte, war überall im Land vorhanden. Man kann sich das fast nicht vorstellen. Heutzutage, wo wir sehen, dass der sogenannte christliche Westen auch in die verderbliche Sittenlosigkeit und den Götzendienst verfällt und sich öffentlich von den Schriften Gottes verabschiedet, verstehen wir vielleicht so langsam auch etwas davon. Die Reformen von Josia waren soeben erst gestartet. Unmittelbar nach dem Eröffnungskapitel, in den Kapiteln 2 und 3 steht, wie Jeremia gepredigt hat. Ein junger Bruder sozusagen, der einfach so als junger Mann – 18, 19, 20 Jahre alt – mit all dem Feuer und der Kraft, die in ihm sind, anfängt zu predigen. Dabei klagt er Israel als treulosen Ehegatten an. So wie eine Ehegattin ihrem Mann untreu wird, so ist Israel dem Herrn untreu geworden. Es ist merkwürdig, dass wir, was die Zeit von Josia betrifft, die Jeremia größtenteils oder vollständig erlebt hat – die ganze Periode von ca. 31 Jahren –, nur sehr wenig hören. Wir hören etwas über die erste Predigt aus der frühen Zeit von Jeremias Dienst und wissen aus anderen Bibelbüchern, dass König Josia mit 18 Jahren seine großen Reformen begann. Hier sind wir dann im Jahr 622 angekommen, fünf Jahre nach der Berufung Jeremias. Zu dieser Zeit wird im Tempel das Gesetzbuch gefunden, vermutlich das fünfte Buch Mose. Daraus wird vorgelesen. Man muss sich das mal vorstellen, dass die nicht einmal mehr wussten, was im Gesetz stand. So tief war Juda gesunken.

Als das Buch vorgelesen wird, zerreißt der König seine Kleider. Das ganze Volk muss zusammengetrommelt und das Buch soll vorgelesen werden. Von da an geht ein gewaltiger Reformgeist durch das Land. Es kann sein, dass das der Grund dafür ist, dass wir keine Predigt mehr von Jeremia hören. Später erzählt er uns allerdings, dass er während der ganzen Zeit doch gepredigt hat: „Vom dreizehnten Jahre Josias [Jahr seiner Berufung], des Sohnes Amons, des Königs von Juda, bis auf diesen Tag, diese dreiundzwanzig Jahre [hier sind wir schon in der Zeit von König Jojakim angekommen], ist das Wort des HERRN zu mir geschehen; und ich habe zu euch geredet, früh mich aufmachend und redend, aber ihr hörtet nicht“ (Jer 25,3). Du fragst dich, wie kann das sein bei all den Reformen Josias? Das war schon oft bei solchen Reformen. Wenn ein König eifrig für den Herrn war, konnte er durch die Macht, die er hatte, äußerlich enorm viel verändern. Aber der Prophet ließ sich nicht für dumm verkaufen. Er sah, dass die Reformen durch die Macht des Königs äußerlich zustande gebracht wurden, das Herz des Volkes dadurch aber nicht so sehr verändert wurde. Das ist eine erste wichtige Lektion für uns, eine von vielen, die wir hier herausziehen können. Verguck dich nicht in Äußerlichkeiten!

Ich war in dieser Woche in Dillenburg auf der Konferenz, wo wir 2. Timotheus 3 besprachen, in dem du den bekannten Vers liest, dass sie eine Form der Gottseligkeit haben, deren Kraft aber verleugnen (2Tim 3,5). Das wird dort über die letzten Tage gesagt, in denen wir leben. In dem Zustand der Christenheit, in dem augenscheinlich noch Gottseligkeit vorhanden ist, fehlt die Kraft – die geistliche Kraft. Ein Prophet ist derjenige, der das sieht, der das erkennt und der deshalb mit seiner Predigt einfach fortfährt.

Das war in der Zeit der Reformation auch so. Die Reformation hat dazu geführt, dass in Europa sehr viele Menschen Protestanten wurden. Aber dann bekamen wir in den Niederlanden die sogenannten Nach-Reformationen. Da gab es dann ganz viele Prediger, die sagten: Hört mal: Ihr seid zwar alle Protestanten geworden, ihr seid zwar äußerlich reformiert, aber innen hat sich bei euch nicht viel verändert. Das war eine äußerliche Reformation. Aber wenn sich von innen bei dir nichts verändert, wenn du nicht wirklich an den Herrn glaubst und ihm dienst, dann hat das alles keine einzige Bedeutung. Das waren eigentlich alles Prediger wie Jeremia, die eine genauere Reformation predigten, eine innerliche Reformation.

Also gut, das Buch Jeremia erzählt uns über diese Periode fast nichts. Was die schriftlichen Quellen betrifft – das ist ja das Buch Jeremia –, haben wir keine Daten. Das ist eine sehr lange Periode des Schweigens, die bis zum Jahr 609 andauert.

Josia stirbt (609)

Das ist das Jahr, in dem König Josia auf eine tragische Weise stirbt. König Josia ist am Ende seines Lebens eigenwillig geworden und meint, dass er es mit dem mächtigen Pharao von Ägypten aufnehmen könnte, mit Pharao Neko, über den wir noch mehr hören werden. Ägypten war zu der Zeit ein überaus starkes Land. Josia stellt sich ihm in den Weg, als Pharao durch sein Land ziehen will. Das war sehr dumm. Das war so, als wenn eine Maus sich gegen einen Elefanten erheben würde. Man kann nicht verstehen, wieso Josia so dumm sein konnte, und sieht dann, wie so ein herrlicher Mann auf eine so tragische Weise umkommt. Er fällt im Streit mit Pharao Neko.

Joahas – Josias Sohn und Nachfolger (609)

Joahas, sein Sohn – im Buch Jeremia wird er Schallum genannt –, wird dann König. Das dauert allerdings nur drei Monate. Denn Pharao Neko – das war eigentlich der Mann, der in dieser Zeit die Macht über Juda hatte – setzt Joahas ab, nimmt ihn mit und verbannt ihn nach Ägypten.

Eljakim = Jojakim – Sohn Josias und Nachfolger Joahas (609)

Pharao Neko nimmt einen anderen Sohn Josias, Eljakim, den er als untergeordneten Vasall geeigneter findet, verändert seinen Namen in Jojakim und macht ihn dann zum König von Juda. Jojakim spielt im Buch Jeremia eine große Rolle. Das ist eine wichtige Phase im Leben Jeremias gewesen.

Nachruf Josias durch Jeremia

Lasst mich erst noch etwas erzählen, über das Urteil, das Jeremia über Josia gefällt hat (Jer 22). Ich hatte gesagt, dass die Reformen unter Josia nur äußerlicher Art waren, was aber nicht die Schuld Josias war. Wir lasen in 2. Chronika, wo Josia aufgrund seiner Dummheit stirbt, dass Jeremia dennoch ein Klagelied über ihn anstimmen lässt. Es ist, als ob Jeremia gefühlt hätte, dass, obwohl alles so düster trotz des guten Königs aussah, es jetzt erst recht ganz dunkel werden würde. Jetzt war alles vorbei, was noch positiv war und Licht in Israel brachte. Daher das Klagelied über Josia. Wenn drei Monate später Joahas nach Ägypten entfernt wird, sagt Jeremia: „Weinet nicht um den Toten [das ist Josia], und beklaget ihn nicht; weinet vielmehr um den Weggezogenen [das ist Joahas], denn er wird nicht mehr zurückkehren und das Land seiner Geburt sehen“ (Jer 22,10).

Also, der Prophet sagt voraus, dass Joahas sein ganzes Leben in der Verbannung in Ägypten zubringen wird. „Denn so spricht der HERR von Schallum [das ist derselbe wie Joahas], dem Sohn Josias, dem König von Juda, welcher König ward an seines Vaters Josias Statt, und der aus diesem Ort weggezogen ist: er wird nicht mehr hierher zurückkehren; sondern an dem Orte, wohin sie ihn weggeführt haben [Ägypten], daselbst wird er sterben, und er wird dieses Land nicht wiedersehen.“ Dann hörst du noch etwas Positives über Josia: „Hat nicht dein Vater [das ist Josia] gegessen und getrunken und Recht und Gerechtigkeit geübt? Da erging es ihm wohl. Er hat die Rechtssache des Elenden und Armen gerichtet; da stand es wohl. Heißt das nicht mich erkennen? spricht der HERR“ (Jer 22,15).

Mit Josia geht das Licht in Juda aus.

Jojakim – Lebensbild

Das einzige Licht, das jetzt noch übrigbleibt, abgesehen von einigen Treuen, ist dieser Prophet; jetzt ungefähr 36 Jahre alt, können wir vermuten.

Sobald Jojakim an die Macht gekommen ist, beginnt Jeremia wieder mit seinem öffentlichen Auftritt, was auch verständlich war. Jojakim war ein eigensinniger, selbstsüchtiger, arroganter junger König. Ein Mann, der es mal eben so erledigen wollte. Sofort macht er mit allen Reformen seines Vaters Josia ein Ende und kehrt zurück zu all den schrecklichen Sünden von Manasse. Das Licht ging wirklich aus. Im Prinzip war er – wie gesagt – ein Vasall des Königs von Ägypten. Er musste hohe Steuern eintreiben, um den Tribut an den Pharao bezahlen zu können. Aber darüber hinaus wollte er das ein oder andere auch für sich selbst haben. Hier in Jeremia 22,13 steht: „Wehe dem, der sein Haus mit Ungerechtigkeit baut und seine Obergemächer mit Unrecht, der seinen Nächsten umsonst arbeiten lässt und ihm seinen Lohn nicht gibt; der da spricht: Ich will mir ein geräumiges Haus bauen und weite Obergemächer! Und er haut sich Fenster aus und deckt mit Zedern, und er streicht es an mit Zinnober.“ Jojakim wollte, obwohl er nur ein Vasall war, dennoch ein großer und ruhmreicher König sein. Das Volk war durch die Steuern ausgemergelt. Dennoch wollte er einen glänzenden Palast. Arbeitskräfte konnte er nicht mieten, da er kein Geld dafür hatte. Also zwang er das Volk zur Zwangsarbeit. Ohne Lohn mussten seine Untertanen für diesen schrecklichen Mann den Palast bauen, so, wie du das hier in diesem Abschnitt lesen kannst.

Jeremias Tempelpredigt

Aber dann fängt Jeremia an, dem Mann öffentlich zu widerstehen. Sowohl in Jeremia 7 als auch in Jeremia 26 findest du die so genannte Tempelpredigt. Jeremia stellt sich – nebenbei bemerkt – auf den heiligsten Platz in Jerusalem, auf den Tempelplatz. Als Priester hatte er hier selbstverständlich Zugang.

Er steht da, im Auftrag des Herrn, wo das ganze Volk hinkommen konnte, und wendet sich dort gegen das Volk. In Jeremia 7,4 siehst du, welcher Haltung gegenüber er seine Rede hält. Die Menschen sagen: Jetzt hör mal zu! So schlecht sieht es mit Israel nicht aus, denn wir haben immer noch den Tempel! Und im Tempel wohnt Gott der Herr! Und in diesem Tempel werden jeden Tag noch Opfer gebracht! „Der Tempel des Herrn, der Tempel des Herrn, der Tempel des Herrn ist dies“ (Jer 7,4). In der dreifachen Wiederholung ist der ganze Stolz und die Arroganz eingeschlossen. Das kannst du dir gut vorstellen: Es gibt heute eine ganze Menge Menschen, die genauso argumentieren. Ja, sagen sie, in unserer Kirche sieht es zwar schlimm aus. Aber es wird dort doch immer noch durch viele Menschen das Wort Gottes gepredigt. Das muss dann als Deckmantel für all das Schreckliche herhalten, was dort passiert, zugestanden und zugelassen wird und sich ausbreiten darf, ohne dass dagegen aufgetreten wird. Diese Gefahr könnte auch in unserer Mitte genauso gut sein, indem wir sagen: Wir kommen doch auf biblischem Boden zusammen, uns kann eigentlich nichts passieren. Wir sind doch ein treues Zeugnis und, nun ja, was soll über uns kommen?

Jeremia tritt diesen Menschen gegenüber knallhart auf und sagt: Das ganze Haus, auf das ihr so stolz seid, ist eine Räuberhöhle geworden und wird vernichtet werden (vgl. Jer 7,11). Weißt du noch, was Gott seinerzeit mit Silo getan hat, wo die Stiftshütte stand? Die Stiftshütte, die Er selbst hat bauen lassen, über die das Volk froh und stolz war? Diese Stiftshütte hat Gott vernichtet, als das Volk weit von Gott weg geirrt war! Gott hat sich nicht gescheut, die Stiftshütte durch die Philister vernichten zu lassen! Und jetzt wird mit diesem Tempel genau dasselbe passieren!

Das können die Menschen nicht glauben und werden darüber sogar wütend. Heutzutage sagen einige auch: Sieh, was die römische Kirche Schreckliches getan hat und was Gott mit ihr gemacht hat, wie Er die protestantische Kirche verurteilt hat … aber uns, uns kann nichts passieren. Den andern … in der Tat! Früher war es ganz schlimm! Die Pharisäer sagten dasselbe in den Tagen des Herrn Jesus: Früher war es ganz schlimm! Die Propheten wurden durch das gottlose Volk getötet und gesteinigt. Nein, so schlimm sind wir nicht! Aber der Herr Jesus sagt: Ihr seid genauso und ihr werdet Mich auch zu Tode bringen!

Reaktionen auf die Tempelpredigt

Das ist die Predigt von Jeremia. Noch immer ein verhältnismäßig junger Mann, der mit dieser Predigt kommt und einen gewaltigen Hass damit schürt. In Kapitel 26 siehst du das. Ich werde daraus einige Dinge vorlesen:

In Vers 7 geht es höchstwahrscheinlich um dieselbe Situation wie in Jeremia 7,7: „Und die Priester und die Propheten und alles Volk hörten Jeremia diese Worte reden im Haus des HERRN“ (Jer 26,7). Als er ausgeredet hat, siehst du, dass eine ganze Menschenmenge ihn angreift mit den Worten: Sterben sollst du! Sie sind wütend auf ihn. Warum hast du prophezeit, dass der Tempel verwüstet werden wird? Es ist eine Meute da und es scheint, als wollten sie ihn lynchen.

Dann kommen die Fürsten von Juda, die Minister, die Machthaber unter dem König, die aus dem Palast zum Tempel gehen. Hier stellst du jetzt fest, dass noch gute Menschen darunter sind.

Die Priester und Propheten dagegen waren eigentlich die Führer in jeden Götzendienst. Sie sagen: „Diesem Mann gebührt die Todesstrafe, denn er hat wider diese Stadt geweissagt, wie ihr mit euren Ohren gehört habt“ (Jer 26,11).

Aber dann sagt Jeremia zu den Fürsten und dem ganzen Volk, dass er die Wahrheit gesagt hat: „Es wird wirklich so passieren, außer wenn ihr euch bekehrt. Dann wird der Herr das schreckliche Böse von euch abwenden.

Man sieht dann, dass zwischen den Fürsten schlussendlich verständige Leute zu sitzen scheinen. Sie sagen: „Diesem Mann gebührt nicht die Todesstrafe; denn er hat im Namen des HERRN, unseres Gottes zu uns geredet“ (Jer 26,16).

Schließlich sind auch noch ein paar Älteste da, die sagen: Denk an Micha! Das war früher ein anderer Prophet, der auch so etwas gesagt hat. Diesen Mann haben wir doch als einen echten Propheten angesehen?! – Was Jeremia erzählt, ist nicht neu. Andere Propheten haben das auch schon zu uns gesagt. Lasst uns uns bekehren!

Aber die Wut des Volkes ist so groß, dass sie, auch wenn sie Jeremia nicht erwischen können – Jeremia wird durch den Herrn beschirmt –, einen anderen Propheten, einen gewissen Urija (Jer 26,20), von dem wir weiter nichts wissen, fangen können. Er flüchtet nach Ägypten, wird aber durch Jojakims Männer verfolgt und dort verhaftet. Sie bringen ihn zu Jojakim, und dieser lässt ihn mit dem Schwert töten und seinen Leichnam auf die Gräber des geringen Volkes werfen (Jer 26,23).

Jeremias Predigt ist lebensbedrohlich

Jetzt weiß Jeremia genau, woran er ist. Jetzt wusste er, woran er bei dem Volk war, dass er nichts von ihm zu erwarten hatte. Von diesem Augenblick an hängt wie das Damoklesschwert der Tod über seinem Kopf. Er weiß, dass er dem gleichen Los anheimfallen könnte. Er hat einen Freund – Achikam, den Sohn Schaphans (Jer 26,24) –, der ihn beschirmt. Und wenn er, menschlich gesprochen, nicht die paar Freunde gehabt hätte, wäre es auch mit ihm schlecht ausgegangen.

Demonstration am Scherbentor – Der leinene Gürtel

Danach finden wir folgende Geschichte im Leben Jeremias. Es gibt jetzt viele aufeinanderfolgende Ereignisse. Viele Teile des Buches Jeremia haben sich vermutlich in der Zeit von 609 bis 605 abgespielt, also in den ersten vier Jahren der Regierung des Königs Jojakim, als es wieder bergab ging mit Israel unter der Leitung dieses bösen Königs. Zu der Zeit muss Jeremia sehr viel gepredigt haben. Jetzt erzähle ich euch von einer Demonstration, die Jeremia am Scherbentor gehalten hat (Jer 19).

In Jeremia 19 und Anfang von Jeremia 20 findest du eine Situation, die auch in diese Zeit eingeordnet werden muss. Es ist ein auffallendes Ereignis, weil Jeremia hier eine Demonstration abhält. Damit meine ich, dass er eine symbolische Handlung verrichtet. Er tat das öfter.

Ein ähnliches Geschehnis habe ich noch eingefügt [wahrscheinlich auf der Tafel, Anm. d. Übers.], von dem nicht klar ist, in welche Zeit es einzuordnen ist (Jer 13,1-11). Dort muss er einen leinenen Gürtel kaufen und in einem Felsspalt verstecken. Viele Tage später sagt Gott zu ihm, dass er wieder zurückgehen und den leinenen Gürtel wieder zum Vorschein holen soll. Er tut das und sieht, dass der Gürtel komplett verdorben und verschimmelt ist. Er taugt zu nichts mehr. Sehr merkwürdig, dass der Herr ihm dazu den Auftrag gibt. Dann sagt der Herr: Sieh, Jeremia, was mit dem Gürtel passiert ist, wird mit dem Volk auch passieren. „Also werde ich verderben die Hoffart Judas und die große Hoffart Jerusalems“ (Jer 13,9). Dieses böse Volk werde Ich richten, sowohl das ganze Haus Israels als auch das ganze Haus Juda, das Ich an Mich geschlossen hatte … aber sie haben nicht gehört (vgl. Jer 13,11). Dies nur zwischendurch.

In Jeremia 19 findest du etwas Ähnliches. Er muss wieder etwas kaufen. Er hat zuerst einen leinenen Gürtel gekauft und muss jetzt einen Töpferkrug kaufen. In Jeremia 18 findest du auch ein Ereignis im Haus des Töpfers, auf das ich nicht weiter eingehen möchte. Es ist unmöglich, alles aufzuzählen. Nun, in Jeremia 19 muss er einen Töpferkrug kaufen und damit zum sogenannten Scherbentor gehen, einer der Pforten Jerusalems. Dorthin muss er einen der Ältesten des Volkes und der Priester mitnehmen. Anschließend muss er vor der Menschenmenge, die immer bei einem Stadttor zu finden ist, sein Zeugnis ablegen. Er muss sagen, dass Gott der Herr Unglück über Jerusalem bringen wird, weil das Volk den Herrn verlassen und anderen Göttern gedient und das Blut Unschuldiger vergossen hat. Deswegen, sagt der Herr, wird ein schreckliches Gericht über diese Stadt kommen, so schlimm, dass die ganze Welt bei all den Plagen, die über diese Stadt kommen werden, stumm stehenbleiben wird.

Er muss dann den großen Krug nehmen und vor den Augen der Menschen zerbrechen (Jer 19,10). Man kann sich das vorstellen. Für uns ist das vielleicht nicht so beeindruckend, aber die Menschen damals waren sehr visuell eingestellt. In den Gleichnissen des Herrn Jesus kannst du das auch wieder finden: bildlichen, stark symbolischen Sprachgebrauch.

Er muss also den Krug nehmen, zerbrechen und zu den Menschen sagen: „Also werde ich dieses Volk und diese Stadt zerschmettern“ (Jer 19,11). Von euren Häusern wird nichts übrigbleiben, genauso wenig wie von diesem Krug. Und von all euren Götzenbildern wird auch nichts übrigbleiben. Schrecklich!

Paschchur setzt Jeremia in Gewahrsam

In dieser Situation ist jemand da, der denkt, dass seine Chance gekommen ist. Jeremia hatte auf dem Tempelplatz gepredigt, wo sie ihm nichts anhaben konnten, weil er dort durch die Fürsten beschützt wurde, die aus dem Palast nach draußen gekommen waren. Aber der Aufseher des Tempels – in Kapitel 20,1 wird sein Name genannt: Paschchur, ein Priester, er war der Hauptaufseher im Tempel – hört die Predigt Jeremias und glaubt, einen Grund zu haben, ihn fangen zu können: „Da schlug Paschchur Jeremia, und legte ihn in den Stock im oberen Tore Benjamin, das im Haus des HERRN ist“ (Jer 20,2). Er setzt ihn für die Nacht mit den Füßen im Stock gefangen. Am folgenden Morgen lässt er ihn frei.

Jeremia hat allerdings keine Angst und sagt zu ihm: „Nicht Paschchur heißt der HERR deinen Namen, sondern Schrecken ringsum“ (Jer 20,3). Er gibt ihm einen Beinamen und auch noch eine Erklärung dazu: „Denn so spricht der HERR: Siehe, ich mache dich zu Schrecken, dir selbst und allen deinen Freunden; und sie sollen durch das Schwert ihrer Feinde fallen, indem deine Augen es sehen; und ich werde ganz Juda in die Hand des Königs von Babel geben, damit er sie nach Babel wegführe und sie mit dem Schwerte schlage“ (Jer 20,4). In Vers 6 folgt dann noch: „Und du wirst nach Babel kommen und daselbst sterben und daselbst begraben werden.

Frühe Ankündigung des Königs des Nordens

Wie wir gleich sehen werden, ist das hier eine ganz besondere Angelegenheit, weil der König von Babel zu diesem Zeitpunkt noch nicht die gewaltige Macht hatte, die er später bekommen würde. Das macht das Besondere aus. Er ist nicht nur ein Prophet, der Brot ist, wie ein biblischer Ausdruck heißt, jemand der anhand der Nachrichten schon einigermaßen voraussagen kann, was passieren wird. Er hat schon ganz zu Beginn, in den Tagen von Josia – in den allerersten Kapiteln kannst du das schon finden – über den Feind aus dem Norden prophezeit. Außerdem findest du das auch in den Kapiteln 4 bis 6. Es kann sein, dass Teile davon aus späteren Zeiten stammen. Aber es kann auch sein, dass sie aus der Zeit Josias stammen. Man hat vermutet, dass sie aus späteren Zeiten stammen, weil Jeremia in Kapitel 4 bis 6 darauf pocht, dass Gott über Juda einen Feind aus dem Norden bringen würde. Er weist immer auf den Norden hin. Später wird in dem Buch allmählich deutlich, wer der Feind aus dem Norden ist: Nebukadnezar.

Weltpolitischer Hintergrund

Ich muss euch jetzt – das ist notwendig, weil ihr sonst die ganzen Hintergründe nicht versteht – kurz etwas über die Weltpolitik dieser Zeit erzählen. Ihr wisst, als Jeremia geboren wurde, war Assur noch im Zenit seiner Macht; das gewaltige assyrische Reich, das auch das Zehnstämmereich vereinnahmt und ins Exil geführt hatte. Das Jahr, in dem Jeremia berufen wurde (627), war gleichzeitig das Todesjahr des letzten großen assyrischen Königs Assurbanipal. Nach seinem Tod geht das assyrische Reich schnell unter. Es fällt schnell auseinander.

Einer der Vasallen des Königs, war König über einen kleinen Teil des assyrischen Reiches, nämlich Babel. Dieser mächtige König ist Nabopolassar. Im Jahr 626 befreit er Babel aus der Macht Assyriens und macht Babel unabhängig. Er wird stets mächtiger und mächtiger, während Assyrien immer weniger mächtig wird und schließlich, im Jahr 607 – das ist ungefähr die Zeit, um die es uns gerade geht –, wird Ninive verwüstet. Es ist also die Zeit, in der der König von Babel stets mächtiger wird und Jeremia überall unter dem Volk predigt: Das ist der Mann, vor dem ihr euch fürchten solltet. Dieser Mann wird später den ganzen mittleren Osten überrumpeln. Die Israeliten glaubten davon kein Wort, denn ich habe soeben schon gesagt, dass Ägypten damals eine gewaltige Macht darstellte. Immerhin hatte Ägypten Joahas ins Exil geschickt und auch Jojakim war ein Vasall Ägyptens. Ägypten war so stark, dass Israel es sich nicht anders vorstellen konnte, als das Ägypten so stark bleiben würde. Und, obwohl sie Vasallen waren, suchten sie Schutz hinter dem breiten Kreuz Ägyptens und dachten: Der König von Babel kann uns mal gern haben. Vor dem haben wir überhaupt keine Furcht. Jeremia predigt zwar über den König von Babel, aber glaubst du, dass der König von Babel es jemals mit Ägypten aufnehmen könnte? Daran war nicht zu denken!

Die Schlacht bei Karchemis (605)

Die Menschen beurteilten mit der Zeitung in der Hand das, was Jeremia erzählte und glaubten davon nichts, bis dass ein gewaltiges Ereignis stattfand […]: die Schlacht bei Karchemis im Jahr 605.

Die Dorfbewohner gegen Jeremia

Aber ich will nicht zu schnell vorpreschen. Ich will euch erst noch ein paar andere Dinge erzählen, die vermutlich in derselben Zeit stattgefunden haben, in welcher Jeremia überall predigt: Wenn ihr euch nicht bekehrt, dann wird Gott diesen König von Babel schlussendlich über uns senden und dann wird es komplett schiefgehen. – Das ist genauso, wie wenn du heute den Menschen in der Welt erzählst: Bald kommt der Herr Jesus zurück, und dann geht ihr alle verloren, wenn ihr euch vorher nicht bekehrt. Dann sagen die Menschen: Komm schon, du hast sie doch nicht mehr alle! Die Vorstellung, dass jemand vom Himmel auf die Erde niederkommt und auf einmal die ganze Weltgeschichte anhält, so wie man das elektrische Licht ausschaltet und dann das Gericht über all die Menschen bringen wird … die frommen Christen mal wieder! – Christen, die heute über das Kommen von Christus und über das kommende Gericht sprechen, befinden sich eigentlich in derselben Situation wie Jeremia. Die Menschen sagen auch: Was ist das lächerlich! Wer glaubt schon so etwas Törichtes? Irrsinnig!

Jeremia hat dadurch ernorm viel Gegenwind erfahren. Was du dann feststellst – das ist ein psychologisches Gesetz, das findest du hier auch –, ist, dass seine Mitbürger im Dorf Anathoth sich mehr oder weniger verpflichtet fühlen, ihn zum Schweigen zu bringen.

Jeremia 11,18: „Der Herr hat es mir kundgetan, und ich erfuhr es; damals zeigtest du mir ihre Handlungen.“ Da gingen seine Augen plötzlich auf, was sie hinter seinem Rücken planten. Er war selbst ein zahmes Lamm, das zum Schlachten geführt wird, sagt er. Er wusste nicht, dass sie solche Anschläge gegen ihn ersannen: „Lasst uns den Baum mit seiner Frucht verderben“ (Jer 11,19). Die Früchte waren seine deutlichen Botschaften. Nun, sagten sie, lasst uns den Baum ausrotten, dann wird die Frucht auch ausgerottet werden. Lasst uns ihn aus dem Land der Lebendigen ausrotten. Jeremia 11,21: „Darum, so spricht der HERR über die Männer von Anathoth, welche nach deinem Leben trachten und sprechen: Du sollst nicht weissagen im Namen des HERRN, damit du nicht durch unsere Hände sterbest“, und dann folgt das Urteil, das auch über diese Männer von Anathoth, seine eigenen Dorfbewohner angekündigt wird.

Die Familie gegen Jeremia

In Jeremia 12,6 ist es noch schlimmer: „Denn auch deine Brüder und deines Vater Haus, auch sie sind treulos gegen dich, auch sie rufen dir nach aus voller Kehle.“ Seine eigene Familie. Er hatte keine Frau, bei der er sich ausweinen konnte, denn er durfte nicht heiraten. Seine eigenen Familienmitglieder erklärten ihn für verrückt. Seine Mitbürger des Dorfes versuchten, ihn umzubringen. Jeder war gegen ihn. Er stand ganz allein da. Du kannst dir vorstellen, wie wahnsinnig schwer er es gehabt hat. Wenn du die paar Verse, die auch auf der Tafel stehen, genau besiehst, kannst davon etwas erkennen. Ich lese sie schnell vor:

Jeremia klagt

Jeremia 15,10: „Wehe mir, meine Mutter, dass du mich geboren hast, einen Mann des Haders und einen Mann des Zankes für das ganze Land!“ Er nimmt es seiner Mutter übel, dass sie so einen Menschen zur Welt gebracht hat. Ein Mensch, der das ganze Land in helle Aufregung bringt und der überall Hader und Zank verursacht. Er fühlt sich fast schuldig. Er nimmt es seiner Mutter übel, dass sie so ein Kind zur Welt gebracht hat.

Jaremia 17,15: Dort klagt er seine Not auch dem Herrn gegenüber: Siehe, jene sprechen zu mir: Wo ist das Wort des HERRN? Es möge doch kommen.“ Sie lachen ihn aus. Das starke Ägypten und der kleine König von Babel, wo er sich so wichtig mit macht. Sie sagen: Wo bleibt der König von Babel denn? – Und dann sagt er: „Ich habe den unheilvollen Tag nicht herbeigewünscht“ (Jer 17,16). Er wird gewissermaßen böse auf den Herrn: All das Unheil über das Volk musste ich ausrufen. Ich hatte doch nicht darum gebeten, Herr! Ich habe dich doch nicht um Unheil gebeten! Nun nehmen sie es mir übel, dass ich das alles vorhergesagt habe: „Ich habe den unheilvollen Tag nicht herbeigewünscht“, sagt er, „du weißt es ja. Was aus meinen Lippen hervorging, war vor deinem Angesicht [oder: war dir bekannt].“ Und so klagt er seine Not. Er beklagt sich beim Herrn, dass er diese schlechte Botschaft immer wieder ausrufen muss.

Falsche Priester, Weise und Propheten gegen Jeremia

In Jeremia 18,18 findest du wieder so eine Verschwörung. Dort sagen die Menschen: „Kommt und lasst uns Anschläge wider Jeremia ersinnen; denn nicht geht dem Priester das Gesetz verloren, noch der Rat dem Weisen und das Wort dem Propheten.“ Nun, hier kannst du erkennen, welche Menschen hier sprechen. Das sind die falschen Priester, die falschen Weisen und die falschen Propheten. Die sagen: Wir sind die wahren Propheten des Herrn! – Propheten gab es einige in Israel, und die hatten hohes Ansehen. Es waren alles Propheten des Herrn und weise Männer und Priester, die per Definition Ansehen genossen. Das waren die Männer, die jeden Tag mit den Opfern Gott dienten. Viele in Israel waren sehr zufrieden mit der Situation, wie sie war. Dem Herrn wurde jeden Tag treu gedient.

Aber jetzt kommt da so ein Prophet, so ein Quertreiber und ist gegen alle anderen Propheten und gegen alle Priester. Nun, das ist doch jemand, den man nicht tolerieren kann. Das ist doch verständlich. Jemand, der sogar gegen die Dienstknechte des Herrn ist! Der kann doch nicht am Leben bleiben!

Du kannst dafür sogar mit allen möglichen frommen Bibeltexten die besten Argumente finden. Sie sagen in Vers 18b: „Kommt lasst uns ihn mit der Zunge schlagen und nicht aufmerken auf alle seine Worte!“

Dann beklagt er sich wieder: „Merke du, HERR, auf mich, und höre die Stimme meiner Gegner! Soll Böses für Gutes vergolten werden? Denn sie haben meiner Seele eine Grube gegraben. Gedenk, dass ich vor dir gestanden habe, Gutes über sie zu reden, um deinen Grimm von ihnen abzuwenden“ (Jer 18,19). Er hat sich sogar für sie eingesetzt. Er fand es nicht schön, das Gericht über sie anzukündigen. Es war nicht so, dass er daran Vergnügen hatte, so wie Jona gewissermaßen, der über Ninive das Gericht ankündigte und enttäuscht war, als es nicht eintraf. Jeremia war so nicht. Er tat Fürbitte für das Volk, damit der Herr das Unheil abwenden würde. Aber jetzt ist es genau umgekehrt. Jetzt kommt Jeremia auch nicht mehr dagegen an. Jetzt ruft er gerade das Gericht über sie herab, weil er nicht länger dagegen ankommt.

Jedes Mal unterbricht er seine Prophezeiungen für diese Art Herzensergüsse, die seine Verzweiflung und seinen Pessimismus und seine Traurigkeit und sein Unglücklichsein so ergreifend wiedergeben. Der am meisten ergreifende Abschnitt ist vielleicht in Jeremia 20,7-18. Das ist, kurz nachdem er eine Nacht gefangen gewesen ist – weißt du noch, nach der Tempelpredigt, nach der Affäre mit dem Töpferkrug, dort beim Scherbentor. Vor allem den Abschnitt aus Jeremia 20,7-18 solltest du zu Hause für dich selbst lesen. Vers 7 habe ich schon vorgelesen, in dem der Herr ihn gezwungen hat, das Werk zu tun, und wo er sich dann darüber beklagt, dass er die Arbeit tun muss. Die Folge davon ist Vers 8: „Denn sooft ich rede, muss ich schreien, Gewalttat und Zerstörung rufen; denn das Wort des Herrn ist mir zur Verhöhnung und zum Spott geworden den ganzen Tag. Und spreche ich: Ich will ihn nicht mehr erwähnen, noch in seinem Namen reden.“ Solche Gefühle hatte er, und dann dachte er bei sich selbst: Ich höre damit auf, ich tue es nicht mehr, ich gehe nicht mehr los, Unheil zu predigen. Während sie ihn so enorm bespotten, steht in Vers 9: „So ist es in meinem Herzen wie brennendes Feuer, eingeschlossen in meinen Gebeinen; und ich werde müde, es auszuhalten.“ Er tat sein Bestes, um das Feuer zu bezwingen und seinen Mund geschlossen zu halten, aber es ging nicht. Das Feuer sprühte hinaus, und er musste das Wort des Herrn predigen.

Freunde gegen Jeremia

In Jeremia 20,10 hört er dann das Gemurmel der Menschen um sich her, die ihn angreifen und anzeigen wollen. „Alle Freunde lauern auf meinen Fall.“ Sogar seine Freunde werden ihm untreu.

Jeremia hin und her gerissen

Aber dann sagt er in Jeremia 20,11.12: „Aber der HERR ist mit mir wie ein gewaltiger Held. Und du, HERR der Heerscharen, der du den Gerechten prüfst, Nieren und Herz siehst, lass mich deine Rache an ihnen sehen.“ Und plötzlich dann in Jeremia 20,13: „Singet dem HERRN, preiset den HERRN! Denn er hat die Seele des Armen errettet aus der Hand der Übeltäter.“ Und prompt hinterher: „Verflucht sei der Tag, an welchem ich geboren wurde; der Tag, da meine Mutter mich gebar, sei nicht gesegnet.“ Einerseits jauchzt er darüber, dass ihm Recht gegeben werden wird, und im nächsten Augenblick verflucht er den Tag, an dem er geboren wurde, den Tag, an dem jemand seinem Vater die frohe Botschaft brachte: Dir ist ein Junge geboren, und ihn damit so sehr erfreute (vgl. Jer 20,15). „Und jener Mann werde den Städten gleich, die der HERR umgekehrt hat, […] weil er mich nicht tötete im Mutterleib, so dass meine Mutter mir zu meinem Grabe geworden und ihr Leib ewig schwanger geblieben wäre. Warum bin ich doch aus dem Mutterleib hervorgekommen, um Mühsal und Kummer zu sehen, und dass meine Tage in Schande vergingen?“

So schrecklich am Ende ist er. Man kann sich das nicht vorstellen. Wenn du nur etwas versuchst, dich da hineinzuversetzen: Jahrzehnte das Wort des Herrn verkündigen und total allein sein … Selbst deine Freunde werden dir untreu und versuchen, dich anzuzeigen, und lauern auf dein Leben. Man würde sagen: Das hält kein Mensch aus.

Die Schlacht von Karchemis (Fortsetzung)

Plötzlich und unerwartet steht in der Zeitung in Juda etwas von der Schlacht von Karchemis. Die Bibel und die Geschichtsbücher erzählen darüber, weil es so wichtig ist, was dort passierte. In Jeremia 46,2 findest du eine Prophezeiung, die über Ägypten ausgesprochen wurde: „Wider die Heeresmacht des Pharao Neko, des Königs von Ägypten, welche zu Karchemis war, am Strome Euphrat, welche Nebukadrezar, der König von Babel, schlug im vierten Jahre Jojakims, des Sohnes Josias, des Königs von Juda.“ Hier wird er schon König von Babel genannt. Das ist noch etwas zu früh. Ein halbes Jahr später wurde er König. Eigentlich war sein Vater Nabopolassar König. Nebukadnezar war sein Sohn und leitete die eigentlichen Feldzüge. Er kommt am Euphrat gegenüber dem Heer des Pharaos zu stehen. Eine entscheidende Schlacht. Das assyrische Reich ist untergegangen, und die Frage ist jetzt: Wer wird der Herrscher im mittleren Osten? Ägypten oder Babel? Auch für Juda eine ganz entscheidende Frage, da Juda im Schutz- und Einflussgebiet Ägyptens steht.

Und König Nebukadnezar – oder Nebukadrezar, was eigentlich die richtige Aussprache gemäß der Tontafeln ist; so wird er auch im Buch Jeremia genannt – schafft einen gewaltigen Sieg.

Nebukadrezar wird König (605)

Man kann jetzt fühlen, dass man in Juda Furcht vor ihm hat, weil Juda im Prinzip ein Stück Ägypten war. Was wird jetzt mit Juda passieren?

Fast sah es so aus, als wenn die Gefahr gewichen wäre, denn im August dieses Jahres 605 hört Nebukadrezar, dass sein Vater gestorben ist, und er muss schleunigst zurück nach Babel, um dort das Königtum an sich zu nehmen. Am Ende des Jahres 605 ist er jetzt selbst König (siehe Jer 25,1: dort wird über das vierte Jahr von Jojakim gesprochen, das ist das Jahr 605).

In Jeremia 25,1 steht dabei (und das ist sehr spektakulär; ich werde gleich sagen wieso): „Dies ist das erste Jahr Nebukadrezars, des Königs von Babel.“ Er ist soeben König geworden im Jahr 605. Warum ist das so spektakulär? Israel war immer das Volk Gottes gewesen. Die Jahrzählung war immer abhängig von der Anzahl der Jahre des Königs von Israel. Jetzt ändert sich das. Am Ende des Buches Jeremia wird ausschließlich in Jahren des Königs Nebukadrezars gezählt. Das erste Jahr von Nebukadrezar.

Nebukadnezar bei den Philistern (604)

Sobald er König geworden ist, zieht er wieder in den mittleren Osten zurück. In 604 kommt er in Palästina an und zieht als Erstes gegen die Städte der Philister: Askalon – eine wichtige Stadt der Philister (Jer 47,5-7). Er belagert Askalon, nimmt es ein und verwüstet es.

Jeremia hatte das von vornherein schon prophezeit (Jer 47,5-7). Wir wissen genau, wann es geschah: im Jahr 604. In Jeremia 36,9 siehst du, dass in demselben Monat Askalon fällt: „Und es geschah im fünften Jahre Jojakims [das ist also das Jahr 604], … da rief man … ein Fasten aus.

Fasten aus Furcht

Das ist immer so. Sobald Plagen kommen, werden die Menschen plötzlich wieder fromm. Sie hatten den Götzen gedient. Sie hatten auf Ägypten vertraut. Sie nahmen sich nichts von Jeremia zu Herzen. Jeremia lachten sie aus. Und nun, plötzlich ist Ägypten geschlagen. Ägypten war zwar noch nicht in Besitz genommen worden, aber Pharao war wohl geschlagen. Nebukadnezar stand direkt vor der Tür. Beim Nachbarn ist er schon gewesen: Askalon ist gefallen.

Wie gesagt, sie hatten Furcht vor ihm: Jojakim mit seinem großen Mund, der arrogante König, mit all seinen Regenten. Sie sitzen dort beieinander und rufen auf einmal ganz fromm ein Fasten aus. Ein Fasten für den Herrn. Wenn Not am Mann ist, strömen die Kirchen wieder voll. So war es im 80-jährigen Krieg[2], und so war es im Zweiten Weltkrieg. Dann gehen die Menschen plötzlich wieder in die Kirche. Und sobald das Leid gelitten ist, sind die Kirchen auch wieder leer. Lasst uns zu dem Herrn rufen!

Jojakim unterwirft sich Nebukadnezar

Jetzt kannst du dir vorstellen, was im Herzen Jeremias los war. Wenn man’s menschlich besieht, war es ein glorreicher Tag, denn seine Prophezeiungen hatten sich erfüllt. Nebukadnezar hatte das Land zwar noch nicht in Besitz genommen, aber er war auf einmal der Stärkste geworden. Pharao war ausgeschaltet worden. Nebukadnezar war der mächtigste Mann, der frische König von Babel, der stärkste Mann im mittleren Osten. Eine Nachbarstadt, Askalon – sie liegt in der Tat nur einen Steinwurf von Jerusalem entfernt –, ist ihm zur Beute geworden. Sie zitterten.

Was jetzt passiert, kannst du indirekt aus 2. Könige ableiten. Darüber hinaus ist vor nicht allzu langer Zeit eine Chronik in Babel aus der Zeit von Nebukadnezar gefunden worden, in der all die Ereignisse geschrieben stehen und die die Bibel eigentlich untermauert und vervollständigt. Allerlei Dinge, die wir in der Bibel nicht finden, finden wir dort. Jojakim kommt nun sehr höflich zu Nebukadnezar, beugt sich vor ihm nieder und sagt, dass er sich sehr gern König Nebukadnezar unterwerfen will. Das ist aber alles Täuschung, alles nur Schein.

Jeremia nutzt die Zeit der Furcht

Jeremia bekommt den Auftrag, die Zeit auszunutzen. Du hast die Chance, dass der König und das Volk jetzt zuhören, weil sie sehen werden, dass du Recht hattest.

Der Herr gibt ihm den Auftrag, eine Zusammenfassung dessen in ein Buch aufzuschreiben, was er bisher prophezeit hatte. Baruk, der eine Art Knecht Jeremias ist, muss das Buch dem Volk und den Obersten vorlesen. Er tut das, und bald wird dies bei dem König bekannt. Das Buch wird beschlagnahmt, und der Sekretär des Königs liest es König Jojakim vor.

Jojakim zerreißt die Prophetie

Stell dir vor: Jojakim sitzt da in seinem Zimmer auf seinem Ruhebett. Der Sekretär kommt und liest ihm das Buch vor. Jojakim ist natürlich wütend im Herzen. Er gehörte zu Ägypten und jetzt hat er sich niederbeugen müssen vor dem König von Babel, wo er gar keine Lust zu hatte. Zum guten Schluss kommt jetzt auch noch der dumme und komische Prophet und erzählt: Siehst du, ich habe die ganze Zeit Recht gehabt.

Ihr wisst alle, dass nichts irritierender ist, als wenn jemand zu einem kommt und sagt: Siehst du, dass ich die ganze Zeit Recht gehabt habe? – Das zu hören, finden wir nicht angenehm. Jedes Mal, wenn Jehudi ein Stückchen aus dem Buch gelesen hatte, drei oder vier Spalten, nimmt der König sein Schreibermesser, schneidet die Spalten vom Buch ab und schmeißt sie in den Kamin (Kap. 36,23). Jetzt kannst du erkennen, was für ein Mann Jojakim war. Ein schrecklicher Mann, der, wiewohl er sieht, dass das Wort des Herrn im Begriff steht, sich zu erfüllen, sich nicht darum schert und seelenruhig das Wort des Herrn von sich wirft.

Es gibt Menschen, die sich fürs Vaterland hingeben, aber das Wort des Herrn nicht kennen. Diese sind noch zu entschuldigen. Jojakim hingegen kannte das Wort des Herrn und hat es dennoch so achtlos, so arrogant, so von oben herab neben sich liegen lassen. So ein Aufstand gegen Gott ist abscheulich.

Wir werden gleich im zweiten Teil sehen, wie es mit Jeremia und mit Jojakim zu Ende gekommen ist.


Übersetzung: Stephan Winterhoff

Nächster Teil

Anmerkungen

[1] Anm. d. Red.: Der Vortrag wurde vor jungen Menschen gehalten.

[2] Anm. d. Red.: Gemeint ist der Unabhängigkeitskrieg der Niederlande gegen die spanische Herrschaft in den Jahren 1568–1648.

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