Der Prediger (4)
Prediger 4

Henri Louis Rossier

© RM Hückeswagen, online seit: 12.03.2006, aktualisiert: 28.01.2018

Leitverse:  Prediger 4

Verse 1-3

Pred 4,1-3: Und ich wandte mich und sah alle die Bedrückungen, welche unter der Sonne geschehen: und siehe, da waren Tränen der Bedrückten, und sie hatten keinen Tröster; und von der Hand ihrer Bedrücker ging Gewalttat aus, und sie hatten keinen Tröster. Und ich pries die Toten, die längst gestorben, mehr als die Lebenden, welche jetzt noch leben; und glücklicher als beide pries ich den, der noch nicht gewesen ist, der das böse Tun nicht gesehen hat, welches unter der Sonne geschieht.

Die Frage des Bösen in der Welt und im Herzen des Menschen wird auch noch in den ersten Versen des 4. Kapitels behandelt.

Der Prediger „wendet sich“, um alle Gräueltaten, die unter der Sonne begangen werden, zu betrachten, wie er es bereits in Prediger 2,12 getan hatte, um die Weisheit und die Torheit zu erkennen. Haben wir nicht auch in unseren Tagen solchen Szenen beigewohnt, wie sie hier beschrieben werden? Haben wir nicht alle diese Dinge gesehen: Bedrückungen, Tränen, Verzweiflung der Bedrückten, an ihren Opfern ausgeübte rohe Gewalt, und kein Tröster ist da? Glücklich die Toten, noch glücklicher die, die noch nicht gewesen sind! Diese haben wenigstens noch nicht die Wirksamkeit des sich bis zu dem großen Tag anhäufenden Bösen gesehen. Der Christ wird selbstverständlich nicht so sprechen, nicht etwa, weil er nicht mit heiligem Abscheu gegen das Böse erfüllt wäre. Aber er geht durch alle diese Dinge hindurch mit Geduld, indem er vom Herrn auf dieser Erde keine Verwirklichung der Dinge erwartet, die seine Hoffnung bilden. Er sieht in eine himmlische Welt, die dem Prediger ganz verschlossen ist, denn seine Aufgabe war es, durch die Weisheit die gegenwärtigen Dinge in einer von der Sünde beschmutzten Welt zu untersuchen, um festzustellen, ob man daraus irgendwelchen Nutzen ziehen könne.

Vers 4

Pred 4,4: Und ich sah all die Mühe und all die Geschicklichkeit in der Arbeit, dass es Eifersucht des einen gegen den anderen ist. Auch das ist Eitelkeit und ein Haschen nach Wind.

Der Weise prüft dann nicht nur die Arbeit des Menschen, sondern auch die Geschicklichkeit, die er dabei entfaltet, und er findet in diesen Anstrengungen nur „Eifersucht des einen gegen den anderen“, die Sucht, einander einzuholen und zu überflügeln, damit der andere nicht die gleichen Vorteile genieße. Auch das ist nur die Frucht der Sünde, Eitelkeit und ein Haschen nach Wind.

Verse 5.6

Pred 4,5.6: Der Tor faltet seine Hände und verzehrt sein eigenes Fleisch. Besser eine Handvoll Ruhe, als beide Fäuste voll Mühe und Haschen nach Wind.

Dieser Gedanke führt den Prediger zur Prüfung der verschiedenen Arten menschlicher Tätigkeit in dieser Welt. Zweifellos gibt es darin nützliche Dinge, Grundsätze, die entsprechend den Regierungswegen Gottes glückliche Folgen haben. Was wird der Weise hier entdecken? Zuerst begegnet er dem Faulen (Pred 4,5), dessen beide Hände leer sind und der sich selbst zerstört (vgl. Jes 49,26). Dann sieht er in Vers 6 die Möglichkeit, eine mittelmäßige Frucht seiner Tätigkeit, aber auch noch die Ruhe zu genießen, und schließlich den, der beide Hände voller Arbeit hat, ohne aber das Erstrebte jemals erlangen zu können.

Verse 7.8

Pred 4,7.8: Und ich wandte mich und sah Eitelkeit unter der Sonne: Da ist ein einzelner und kein zweiter, auch hat er weder Sohn noch Bruder, und all seiner Mühe ist kein Ende; gleichwohl werden seine Augen des Reichtums nicht satt: „Für wen mühe ich mich doch, und lasse meine Seele Mangel leiden am Guten?“ Auch das ist Eitelkeit und ein übles Geschäft.

Jetzt „wendet“ sich der Prediger wiederum und entdeckt die Eitelkeit des Menschen, der unaufhörlich arbeitet, reich wird und „allein bleibt“. Sein Leben ist zwecklos, er besitzt keinerlei Glück. Welch undankbare und vergebliche Beschäftigung!

Verse 9-12

Pred 4,9-12: Zwei sind besser daran als einer, weil sie eine gute Belohnung für ihre Mühe haben; denn wenn sie fallen, so richtet der eine seinen Genossen auf. Wehe aber dem einzelnen, welcher fällt, ohne dass ein zweiter da ist, um ihn aufzurichten! Auch wenn zwei beieinander liegen, so werden sie warm; der einzelne aber, wie will er warm werden? Und wenn jemand den einzelnen gewalttätig angreift, so werden ihm die zwei widerstehen; und eine dreifache Schnur zerreißt nicht so bald.

Im Gegensatz zu dieser Einsamkeit und dem einzelnen Arbeiter prüft der Prediger, der jede nützliche und gute Einrichtung in der Tätigkeit des Menschen zu würdigen versteht, die Arbeitsgemeinschaft auf ihren Wert. „Zwei sind besser daran als einer, weil sie eine gute Belohnung für ihre Mühe haben.“ Sie richten einander auf, erwärmen sich gegenseitig in der Stunde der Ruhe und reichen sich im Kampf und in der Verteidigung die starken Hände. Aber weit mehr noch, der Mensch hat eine dreifache Kraft nötig, denn drei ist die göttliche Zahl. „Eine dreifache Schnur zerreißt nicht so bald.“ Diese Zahl haben wir Gläubige sowohl für den Kampf als auch für den Dienst: „Angetan mit dem Brustharnisch des Glaubens und der Liebe und als Helm mit der Hoffnung der Seligkeit“ (1Thes 5,8).

Verse 13-16

Pred 4,13-16: Besser ein armer und weiser Jüngling als ein alter und törichter König, der nicht mehr weiß, sich warnen zu lassen. Denn aus dem Hause der Gefangenen ging er hervor, um König zu sein, obwohl er im Königreiche jenes arm geboren war. Ich sah alle Lebenden, die unter der Sonne wandeln, mit dem Jünglinge, dem zweiten, welcher an jenes Stelle treten sollte: kein Ende all des Volkes, aller derer, welchen er vorstand; dennoch werden die Nachkommen sich seiner nicht freuen. Denn auch das ist Eitelkeit und ein Haschen nach Wind.

Handelt es sich um die Regierung der Menschen, so ist Jugend und Armut in Verbindung mit Weisheit der Macht und dem der Einsicht beraubten Alter vorzuziehen, das sich nicht mehr belehren lässt. Ein solcher Mensch ähnelt dem Sklaven und Armen, der unrechtmäßigerweise mit königlicher Würde bekleidet ist. Wie viele Beispiele bietet uns für diese Wahrheit die Geschichte der Königreiche! Selbst der Erfolg des Jünglings, der nach dem alten König kommt, dauert nicht an, denn die Gunst des Volkes ist unbeständig.

Der Schluss des Kapitels, schon von Vers 5 an, zeigt somit das bei der menschlichen Tätigkeit in moralischer Hinsicht Nützliche auf, aber trotzdem schließt der Prediger, dass auch das Eitelkeit und ein Haschen nach Wind ist.

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Aus einer vergriffenen Betrachtung, die von Richard Mohncke, Hückeswagen, herausgeben wurde


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