Über das Reden in Sprachen
Auch heute noch?

Christian Briem

© EPV, online seit: 09.10.2005, aktualisiert: 08.11.2022

Leitverse: 1. Korinther 12; 14; Markus 16,20; Apostelgeschichte 2,3-21; 10,46; 19,6

Ehe wir uns mit der Frage beschäftigen, ob es auch heute noch das Reden in Sprachen gibt, wollen wir uns anhand der Heiligen Schrift über Wesen und Ziel des vielfach sogenannten „Zungenredens“ klarwerden und auch gewisse Behauptungen prüfen, die diesbezüglich aufgestellt werden.

1. Erwähnung im NT

Über das Reden in Sprachen wird nur an folgenden Stellen des NT gesprochen:

  • Markus 16,17
  • Apostelgeschichte 2,3-21; 10,46; 19,6;
  • 1. Korinther 12,10.28; 13,1; 14

2. Bedeutung des Wortes

Das griechische Wort für „Sprachen“ (glossa) bedeutet:

  • „Zunge“ (als Organ des Redens): vgl. Lukas 16,24; Markus 7,33; Römer 3,13; Philipper 2,11 u.a.
  • „Sprache“ (oft im Sinn von „Mundart“): vgl. Apostelgeschichte 2,11 mit Apostelgeschichte 2,8; Offenbarung 5,9; 7,9 u.a.

3. Wesen und Merkmale der „Sprachen“

Es handelt sich bei „Arten von Sprachen“ ebenso wie bei „Auslegung der Sprachen“ um geistliche Gnadengaben (1Kor 12,8-10), die allerdings in der Rangfolge von 1. Korinther 12,28-31 an letzter Stelle stehen, also von untergeordneter Bedeutung sind.

Diese Sprachen wurden – wie Apostelgeschichte 2 zeigt – von den Menschen verschiedener Sprachgebiete verstanden. Es waren nicht unartikulierte, unverständliche Worte und Reden, die in einem Zustand „geistlicher Ekstase“ hervorgebracht worden wären. Das eigentlich Wunderbare, Übernatürliche lag auch nicht bei den Hörenden, sondern bei den Redenden: „wie der Geist ihnen gab, auszusprechen“.

Wenn in Markus 16,17 von „neuen“ (kainos) und in Apostelgeschichte 2,4 von „anderen“ (heteros) Sprachen die Rede ist, so erhellt aus Apostelgeschichte 2, dass es nicht andere oder neue Sprachen im absoluten Sinne waren, Sprachen oder Mundarten also, die es zuvor noch nicht gegeben hatte. Sie waren, wie die angeführten Stellen zeigen, neu und anders nicht für die Hörenden, sondern für die Redenden, also für die Apostel: Sie hatten sie nie gelernt.

Zu bemerken ist noch, dass sich die Sprachen in Korinth in ihrem Wesen nicht von den Sprachen zu Pfingsten unterscheiden konnten. Allerdings bestand dieser Unterschied: Es war niemand dort, der sie verstand. Deswegen schränkt der Apostel Paulus den Gebrauch dieser Gabe ein, es sei denn, dass ein Ausleger (übrigens nicht nur: Übersetzer) da war, damit es zur Auferbauung gereichte. Der Apostel erkennt durchaus die Macht des Heiligen Geistes in der Gabe des Sprachenredens an; wenn sie aber nur der persönlichen Eitelkeit und Selbstbefriedigung und nicht der Auferbauung der Versammlung diente, unterbindet er sie.

4. Sinn und Ziel der „Sprachen“

Am Tag der Pfingsten wurde das Reden in Sprachen als Zeichen und Beweis der Herniederkunft des Heiligen Geistes gegeben. Es steht also in enger Verbindung mit dem Beginn der Versammlung. Ebenso verhält es sich bei den beiden anderen Begebenheiten in der Apostelgeschichte, in denen von dem Reden in Sprachen gesprochen wird: In Kapitel 10 werden die aus den Nationen, in Kapitel 19 solche, die bislang nur Jünger Johannes des Täufers waren, der Versammlung Gottes hinzugefügt.

Das Reden in Sprachen war zudem eine außerordentliche Hilfe bei der Verbreitung des Evangeliums durch die Predigt der Apostel und ein Zeichen der sie begleitenden Macht Gottes. Gott hatte seit Babel die Sprache der Menschen verwirrt und dadurch ihrer Verständigung untereinander und ihren Vorhaben Grenzen gesetzt. Israel besaß nur eine der Sprachen, vielleicht sogar die ursprüngliche. Die wahre Kenntnis Gottes war über Jahrtausende auf Israel beschränkt. Als aber das Christentum seinen Anfang nahm, übersprang gleichsam die Gnade Gottes diese Barrieren und begrüßte die Heiden dort, wo sie waren – in Dunkel und Finsternis, ohne sie unter das jüdische Joch zu zwingen. Wie passend war es da und wie sehr zeugte es von der Gnade Gottes, wenn Gott das Evangelium zu jedem Einzelnen von ihnen in seiner eigenen Sprache oder Mundart reden ließ (Apg 2,8-11)! „Daher sind die Sprachen zu einem Zeichen, nicht den Glaubenden, sondern den Ungläubigen“ (1Kor 14,22).

5. Behauptungen

  1. Es wird behauptet, dass die in Korinth in Sprachen Redenden selbst nicht verstanden hätten, was sie sagten. Das ist durchaus nicht so! Sie mochten im Geiste Geheimnisse reden und sie redeten Gott, aber sie wurden von anderen nicht verstanden (1Kor 14,2.23). Sie redeten gleichsam „in den Wind“ (1Kor 14,9), weil ihre Rede den anderen unverständlich war. Die Worte in Vers 4: „Wer in einer Sprache redet, erbaut sich selbst“ (1Kor 14,4), zeigen deutlich, dass die Redenden selbst das Gesprochene wohl verstanden. Dass die Erbauung bei Unkenntnis dessen, was geredet wurde, nicht einfach in dem Bewusstsein bestand, dass hier eine göttliche Macht wirksam war, wird daran deutlich, dass dann schließlich auch die Versammlung durch dieses Bewusstsein erbaut worden wäre, während jedoch der Apostel unbedingt darauf besteht, dass das Gehörte durch einen Ausleger verständlich gemacht würde, weil eben die Versammlung sonst nicht erbaut würde (1Kor 14,5.13.17.28).[1]

  2. Man behauptet heute vielfach mit Blick auf 1. Korinther 13,1, in Sprachen der Engel zu reden, wie es ja auch der Apostel Paulus getan habe.

    Hierzu möchten wir zuerst bemerken, dass Paulus nicht eigentlich von sich spricht, sondern die Sache gleichsam personifiziert darstellt, wie er es des Öfteren tut (vgl. 1Kor 9,26.27; Röm 7,7-25 auf dem Grundsatz von 1Kor 4,6).

    Zweitens ist 1. Korinther 13,1 kein Aussagesatz (in diesem Falle müsste für „wenn“ die griechische Partikel ei stehen), sondern ein hypothetischer Satz, der mit eav = „gesetzt den Fall“ eingeleitet wird. „Gesetzt den Fall, ich würde in Sprachen der Menschen reden, und (sogar) der Engel, hätte aber nicht Liebe …“, so könnte man wörtlich übersetzen. Selbst in diesem extremen Fall würde er nur einem toten Gegenstand gleichen, einem tönenden Erz und einer schallenden Zimbel. Dass er selbst oder andere in Sprachen der Engel geredet haben, ist aus 1. Korinther 13,1 nicht abzuleiten, obgleich der Apostel Paulus mehr in einer Sprache redete als sie alle (1Kor 14,18).

  3. Die Behauptung, das Reden in Sprachen sei der Ausdruck eines hohen geistlichen Zustandes, eines „Erfülltseins mit dem Geiste“, wird allein schon durch den fleischlichen Zustand der Korinther selbst Lügen gestraft (1Kor 3,1-3).

6. Gibt es auch heute noch Reden in Sprachen?

Wir wollen, auf das bereits Gesagte aufbauend, im Folgenden darlegen, warum wir nicht glauben, dass diese Gabe in unseren Tagen noch Bestand hat.

  1. Ebenso wie sich der Herr Jesus durch mächtige Taten und Wunder und Zeichen als der Sohn Gottes auswies (Apg 2,22; Röm 1,4), so wurde auch die Herniederkunft des Heiligen Geistes als Person und damit der Beginn des Christentums durch Wunderwerke begleitet und beglaubigt, „indem der Herr mitwirkte und das Wort bestätigte durch die darauf folgenden Zeichen“ (Mk 16,20), „indem Gott außerdem mitzeugte, sowohl durch Zeichen als durch Wunder und mancherlei Wunderwerke und Austeilungen des Heiligen Geistes nach seinem Willen“ (Heb 2,4). Die Wunderwirkungen und damit auch die „Sprachen“ stehen also klar mit dem Anfang des christlichen Zeugnisses in Verbindung, nicht mit dessen Ende (2Tim 3).

  2. In der Heiligen Schrift finden wir keine Verheißungen über das Bleiben dieser Gaben bis zur Ankunft des Herrn. Deswegen fehlen sie auch in Epheser 4.[2]

  3. 1. Korinther 13,8 sagt ausdrücklich, dass die Sprachen aufhören werden. Der Wechsel des Ausdrucks von „weggetan werden“ (in Verbindung mit Prophezeiungen und Erkenntnis) zu „werden aufhören“ (wenn es sich um die Sprachen handelt) ist doch sehr bedeutsam. Damit wird wohl angedeutet, dass nur die beiden Ersteren bleiben werden, bis „das Vollkommene gekommen sein wird“, das heißt bis zur Ankunft des Herrn (1Kor 13,10).

  4. Mit fortschreitender Zeit, das heißt in den späteren Briefen des NT und mit Vollendung des Wortes Gottes (Kol 1,25), hören wir immer weniger von Wunderwerken des Geistes und schon gar nichts mehr von dem Reden in Sprachen. Auch im AT waren Wunder nur vorübergehende Erscheinungen, jeweils zu Beginn eines neuen Werkes Gottes.

  5. Durch Unordnung, Zersplitterung und Auflehnung gegen Gottes Wort wird in der bekennenden Christenheit heute der Heilige Geist betrübt und an seiner freien Wirksamkeit gehindert, der Herr Jesus wird zutiefst verunehrt. Wäre es nicht geradezu eine Billigung dieses traurigen Zustandes, wenn Gott noch durch Zeichen und Wunder wirkte? Setzte Er damit nicht gleichsam sein Siegel unter unsere Untreue?

  6. Wenn wir nun noch kurz einen Blick auf die Praktiken jener werfen, die da vorgeben, in Sprachen zu reden, so erkennen wir, dass diese nicht nur in einem Punkte den Aussagen der Schrift glatt zuwiderlaufen:
    • Im Gegensatz zu Pfingsten wird überhaupt nicht in irgendeiner menschlichen Sprache oder Mundart gesprochen, die irgendjemand verstehen könnte:
    • Im Gegensatz zu der in 1. Korinther 14,27 angegebenen Ordnung, nacheinander und höchstens zwei oder drei reden zu lassen, beten oder reden fast immer mehrere Personen zur gleichen Zeit.
    • Entgegen den Worten in 1. Korinther 14,5.13.27.28 ist gewöhnlich kein Ausleger da, der das Gesprochene verständlich machen könnte; sie reden oder beten aber dennoch.
    • Entgegen dem eigentlichen Betätigungsfeld (1Kor 14,22) wird das Reden in Sprachen fast durchweg vor den Gläubigen, nicht vor den Ungläubigen ausgeübt.
    • Die „Sprachen“ bringen niemandem wirklichen Nutzen oder Auferbauung („alles geschehe zur Erbauung“!); eine Botschaft oder Mitteilung an irgendjemanden enthalten sie offenbar nicht.
    • Obwohl die Schrift sagt: „Eure Frauen sollen schweigen in den Versammlungen“ (1Kor 14,34), sind es oft gerade Frauen, die in Sprachen reden oder beten.
  1. Es ist bemerkenswert, dass das sogenannte Zungenreden vielfach in solchen religiösen Sekten und Gemeinschaften gefunden wird, die grobe Irrlehren haben. Ein Beispiel mag für viele andere stehen: Anfang des 19. Jahrhunderts lehrte ein gewisser Edward Irving die Wiederherstellung des Zungenredens und betete öffentlich dafür. Nach seinen eigenen Aussagen empfing er die „Gabe“ lange Zeit nicht, „weil da nichts war, was der Heilige Geist hätte bezeugen können“. Erst als er die (lästerliche!) Lehre von der Sündhaftigkeit der Natur Jesu verbreitete, sei ihm die „Gabe“ verliehen worden, als Bestätigung des Heiligen Geistes für diese Lehre.

7. Schlussfolgerung

Nach alledem, was gesagt wurde, sind wir völlig davon überzeugt, dass Personen, die heute das Zungenreden praktizieren, sich selbst und andere täuschen und betrügen. Wir wollen uns davon fernhalten, wie geschrieben steht: „Von aller Art des Bösen haltet euch fern.“[3]

Wenn wir auch Wunderwirkungen und „Sprachen“ nicht mehr haben, so besitzen wir doch aufgrund des Werkes Christi etwas weitaus Größeres und Herrlicheres: die Person des Heiligen Geistes selbst, der in uns, den Gläubigen, und in der Versammlung wohnt; diesen Tröster und Fürsprecher, den der Herr Jesus uns vom Vater herabsandte, dass Er bei uns sei in Ewigkeit; diesen Geist der Wahrheit, der die Welt von Sünde, Gerechtigkeit und von Gericht überführt, uns aber in die ganze Wahrheit leitet, das Kommende verkündigt und die Person Christi verherrlicht.

Wie geeignet und gnädig auch die Gabe der „Sprachen“ zu ihrer Zeit war, die Gabe und Innewohnung des Heiligen Geistes ist die charakteristische und bleibende Segnung wahren Christentums. Dafür sei Gott gepriesen!


Originaltitel: „Über das Reden in Sprachen“
aus Hilfe und Nahrung, Ernst-Paulus-Verlag, 1975, S. 27–32

Anmerkungen

[1] Anm. d. Red.: Der Apostel fordert allerdings auch nicht dazu auf, dann das Sprachenreden ganz zu unterlassen, nur soll es nicht in der Gemeinde geschehen – siehe auch 1. Korinther 14,28, wo der Apostel sagt: „Er rede sich selbst und Gott.“

[2] Anm. d. Red.: Dort in 1. Korinther 12,28 fehlen allerdings auch „Hilfeleistungen, Regierungen“, die zwar in 1. Korinther 12 aufgezählt werden, nicht jedoch in Epheser 4. Trotzdem wird allgemein davon ausgegangen, dass diese Gaben heute noch existieren.

[3] Anm. d. Red.: Wenn auch die Redaktion die obigen Argumente für sehr überdenkenswert hält, geht sie im Urteil doch nicht so weit, grundsätzlich jedes Zungenreden als per se böse anzusehen, da sie das in der Schrift nicht eindeutig finden kann. Obwohl die Redaktion auf der einen Seite nicht über die Schrift hinausgehen will, möchte sie auf der anderen Seite dennoch jeden, der die Zungengabe praktiziert, bitten, obige Gedanken ernstlich zu erwägen.

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