Stellung – Zustand – Praxis
Zwei alte Briefe

James Butler Stoney

© SoundWords, online seit: 03.10.2005, aktualisiert: 24.02.2021

Anmerkung der Redaktion
Dieser Artikel setzt sich zusammen aus zwei Briefen von J.B. Stoney. Hierin weist er auf die Wichtigkeit hin, dass wir in Bezug auf die Anwendung jeder Wahrheit auf uns zwingend diese drei Sphären berücksichtigen müssen. Die Erfahrung von Seelsorgern zeigt immer wieder, dass solche, die mit ihrem Zustand oder ihrer Praxis beschäftigt sind, ohne ihre Stellung zu kennen, vielfach verzweifeln, weil es unmöglich ist, aus eigener Kraft das zu erreichen, wozu Gott uns schon gebracht hat. Umgekehrt gibt es auch solche, die sehr wohl ihre Stellung kennen und auf ihre Praxis achtgeben, ohne in einem ihrer Stellung gemäßen Zustand mit Gott zu sein. Das führt zwangsläufig zu Formalismus und Oberflächlichkeit. Im schlimmsten Fall war alles nur eine große Show. Eine Wahrheit nur objektiv zu kennen, ohne auch subjektiv den entsprechenden Zustand zu genießen, ist eine große, sehr aktuelle Gefahr. Daher hat J.B. Stoney in seinen Diensten besonders darauf Wert gelegt, diese subjektive Seite hervorzuheben. Sicher besteht auch dann, wenn man zu stark die subjektive Seite betont, eine Gefahr, nämlich die des Mystizismus. Daher ist es wichtig, hier ein gutes Gleichgewicht zu halten.

Leitvers: Galater 2,19.20

Gal 2,19.20: Ich bin mit Christus gekreuzigt, und nicht mehr lebe ich, sondern Christus lebt in mir; was ich aber jetzt lebe im Fleisch, lebe ich durch Glauben, durch den an den Sohn Gottes, der mich geliebt und sich selbst für mich hingegeben hat.

Brief 1

Ich glaube, die Wurzel der gegenwärtigen Probleme ist die Theorie, dass die Annahme unserer Stellung durch Gnade – ohne die Berücksichtigung unseres Zustandes oder irgendeiner moralischen Auswirkung – die ganze Wahrheit Gottes ist. Diese Lehre hat schlimme Auswirkungen gehabt. Die Größe der Position, in welche die Gnade den Gläubigen gestellt hat, hat man ihm begreiflich gemacht, ohne dabei auch die Erwartung zu formulieren, dass diese Position auch in moralischer Kraft eingenommen wird. Die Lauheit, die diese Theorie ermöglicht, ist fast unvorstellbar. Sicherlich ist nichts klarer in der Schrift, als dass ein göttlicher Zustand durch Gott verliehen wird, eine moralische Übereinstimmung mit der Stellung, in die die Gnade uns gesetzt hat. Wenn du durch Glauben gerechtfertigt bist, dann hast du Frieden mit Gott. Du bist in der Stellung der Rechtfertigung vor Gott, während der Frieden dein Zustand mit Gott ist. Beide werden von Gott gegeben.

Nächstes Beispiel: „Mitauferweckt und mitsitzen lassen in den himmlischen Örtern in Christus“ ist unser Platz. Aber Christus wohnend in unseren Herzen durch den Glauben ist der Zustand, den Gott verleiht, der damit in Übereinstimmung ist. Wenn der Zustand ignoriert wird, wird die persönliche Gemeinschaft mit dem Herrn ignoriert. Man sagt dann, Gemeinschaft geht nur über das Wort, Umgestaltung nur durch das Wort und das ist nicht nur allen gemeinsam, sondern wird auch von allen gekannt. Selbstgericht, so sagt man, ist Selbstbeobachtung. Leitung ist durch einen Text. Du bist durch Gnade in die himmlischen Örter in Christus versetzt und das ist dein „Durchfahrtticket“. Damit kommst du durch, auch ohne Übungen über den Weg, auf dem du von den „Wegen und Zäunen“ dorthin „genötigt“ worden bist. Das heißt dann: Es gibt keine Reise-Erfahrungen von der Erde zum Himmel, keine Befreiung, keine Freiheit, keinen Zugang, keinen Jordan, keine Kenntnis des ewigen Lebens über die Aussage der Schrift hinaus, dass du es hast, wenn du glaubst. Natürlich gibt es dieses „Durchfahrtticket“, aber du kannst nicht von der Erde zum Himmel reisen (außer du stirbst oder der Herr kommt), wenn du nicht alle die Stationen passierst, die ich aufgezählt habe. Es gibt keinen anderen Weg, und Gott muss Realität haben.

Der erste Johannesbrief wurde geschrieben, damit du bewusste Kenntnis des ewigen Lebens haben würdest, und es gibt drei Zeugen – der Geist, das Wasser und das Blut –, um dir selbst zu beweisen, dass du es weißt und das Bewusstsein dessen hast. Und ich habe Sorge, dass nicht einer von zehn das zweite Zeugnis erklären könnte, geschweige denn das Zeugnis davon in seiner Seele hat. Seit Jahren hat man sich bewusst geweigert, irgendeine Belehrung anzunehmen, die das formende Werk des Geistes in dem Gläubigen vorstellt, das ist nämlich der Zustand. Ich gestehe voll zu, dass die Beschäftigung mit dem Zustand ohne Glauben an unsere Stellung sehr verderblich ist. Aber es gibt auch die andere Seite. Gott hat mir in seiner Gnade nicht nur eine Stellung gegeben, ohne mir auch den Zustand zu geben, der damit in moralischer Übereinstimmung ist. Und wenn ich den Zustand habe, ist das der Beweis, dass ich im Glauben in die Stellung eingegangen bin. Je höher die Position ist, in die Gott mich gestellt hat, desto höher bin ich moralisch der Gnade gemäß in jedem Detail meiner Pflichten hier auf der Erde. Im Römerbrief finden wir keine Familienpflichten. Im Kolosserbrief, wo du über den Jordan bist, bist du befähigt, im Kreis deines Hauses dich in einem neuen Licht zu verhalten. Und im Epheserbrief, wo du versetzt bist in den Himmel, ist das noch weitaus mehr so. Ja, sogar so sehr, dass ich selten jemand gesehen habe, der im Kreis seines Hauses das Maß von Epheser erreicht hat.

Ich brauche nicht mehr viel hinzuzufügen, außer dass ich den Sauerteig von Laodizea in der Theorie sehe, dass „Stellung alles ist“. Man rühmt sich dessen, was man hat, aber Christus ist draußen. Die höchsten Wahrheiten werden gelehrt und akzeptiert, aber man besteht nur darauf als „Stellung“. Dadurch sind die Seelen dazu gekommen, zufrieden zu sein mit einer verstandesmäßigen Annahme der Wahrheiten ohne irgendein Gefühl von dem Zustand, der dazu moralisch passend ist. Dieser Zustand bedeutet, dass Christus in meinem Herzen durch Glauben wohnt, indem Er mir seine eigenen Gefühle, Vorlieben und Wege mitteilt. Oder kurz gesagt: alles, was Er selbst moralisch ist. Das Wunder göttlicher Gnade ist nicht nur, dass alles nach dem Herzen Gottes durch den Tod und die Auferstehung Christi für mich gesichert wurde, sondern dass ich, ein Kind Adams, nicht nur in Frieden mit Gott sein sollte, wo ich unter seinem Gericht stand, sondern dass ich von Adam zu Christus herübergebracht wurde und dass jetzt Christus in mir gebildet werden soll, und das Leben, das ich jetzt im Fleisch lebe, lebe ich „durch den Glauben an den Sohn Gottes, der mich geliebt und sich selbst für mich hingegeben hat“. Ich bin aus Gott geboren – habe jetzt einen neuen und göttlichen Ursprung und ein neues Gefäß, um neuen Wein aufzubewahren, und ich soll jetzt hier auf der Erde sein, wo ich ein Kind Adams war, in der Gnade und Schönheit Christi, geleitet durch seine eigene Kraft, um für Ihn da zu stehen „und, nachdem wir alles ausgerichtet haben, zu stehen“. Wir sollten täglich mehr und mehr in dasselbe Bild von Herrlichkeit zu Herrlichkeit als durch den Herrn den Geist verwandelt werden.


Brief 2

Den beigefügten Artikel habe ich schon früher gesehen. Viele halten ihren eigenen Zustand fälschlicherweise für den wahren christlichen Zustand. Unser wahrer Zustand ist der, dass der Geist in uns ist. Solange Er nicht betrübt wird, beschäftigt Er uns mit Christus. Jeder wahre Dienst führt zu Christus, wenn du durch den Geist geleitet wirst, dann betest du, dass du das ergreifen mögest, wozu du auch ergriffen bist. Es ist viel Schaden dadurch in den Seelen entstanden, dass, nachdem man auf die souveräne Gnade Gottes bestanden hat, man sofort weitergegangen ist zum Wandel und zum Verhalten. Die Lehre ist, dass alles für mich getan wurde. Das ist richtig. Aber dann wird so viel Wert auf das Verhalten gelegt, ohne dass man berücksichtigt, dass es einen göttlichen Zustand gibt. Das führt zu einer gewissen Selbstbestätigung, und während man von der absoluten Gnade Gottes überzeugt ist, weiß man nichts über – noch sucht man überhaupt – persönliche Verbindung und Gemeinschaft mit Ihm. Man ist zufrieden, solange der äußere Wandel auch zufriedenstellend ist. Alles ist unser, aber dann gehe ich ein in das, was mir gehört, in Frieden und in der Erkenntnis seiner Liebe, und wenn ich das tue, bin ich Ihm nahe und in der innigen Gemeinschaft mit Ihm, und so werde ich zu seiner Freude immer weiter in seine Nähe geführt. Es geht nicht darum, dass ich mein Verhalten beobachte, sondern dass ich Ihn beobachte, so wie das Maß des Lichtes, das der Mond abstrahlt, dem entspricht, wie viel er von der Sonne bekommt. Es gibt eine göttliche Stellung und einen göttlichen Zustand und eine göttliche Praxis. Das Zweite geht nicht ohne das Erste und das Letzte niemals ohne das Zweite.[1] Das Zweite wird wenig gekannt.


Übersetzt aus Letters by J.B. Stoney, Bd. 1, S. 89ff. u. S. 94ff.

Anmerkungen

[1] Anm. d. Red.: Gemeint ist hier, dass es nach Gottes Gedanken niemals ohne das Zweite gehen soll, denn wie der Autor oben selbst feststellt, gibt es viele, die das Dritte ohne das Zweite versuchen.


Hinweis der Redaktion:

Die SoundWords-Redaktion ist für die Veröffentlichung des obenstehenden Artikels verantwortlich. Sie ist dadurch nicht notwendigerweise mit allen geäußerten Gedanken des Autors einverstanden (ausgenommen natürlich Artikel der Redaktion) noch möchte sie auf alle Gedanken und Praktiken verweisen, die der Autor an anderer Stelle vertritt. „Prüft aber alles, das Gute haltet fest“ (1Thes 5,21). – Siehe auch „In eigener Sache ...

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