Wenn Christen einen Oscar verdienen ...
The Show must go on!

Stephan Isenberg

© SoundWords, online seit: 28.02.2005, aktualisiert: 14.01.2018

Bei der Oscarverleihung in der Nacht vom 27. auf den 28. Februar 2005 hat vor allem der 74-jährige Clint Eastwood in den Topkategorien etliche Oscars abgeräumt. Sicher war und ist Clint Eastwood auch ein ganz hervorragender Schauspieler, wenn man dies mal rein aus menschlicher und kultureller Hinsicht betrachtet. Aber darum kann es natürlich nicht in einem christlichen Artikel gehen. Die Frage an uns Christen lautet: „Inwieweit ist unser Leben eine Show und wie viel ist wirklich echt bei uns?“ Oder darf man die Frage gar nicht stellen?

Es gibt genügend Beispiele in der Schrift, wo Gläubige sich als „Schauspieler“ betätigt haben. Denken wir an Lea, die Jakob sogar in der Hochzeitsnacht vorgemacht hatte, sie wäre Rahel (und das mit Erfolg! – sie hat mindestens einen Oscar verdient!). Oder König Josia, der sich verkleidete und in den Krieg zog (er wäre für einen Oscar sicher nicht nominiert worden, da sein Vorhaben scheiterte). Oder Judas, der drei Jahre mit dem Herrn Jesus unterwegs war und immer dabei gewesen war. Keiner der Jünger hatte an Judas gedacht, als der Herr von dem einen sprach, der ihn überliefern würde – sie dachten sogar noch, Judas würde einfach den Obersaal verlassen, weil er für das Fest etwas kaufen wollte. Das war schon sehr Oscar-verdächtig, was Judas über drei Jahre hinweg ablieferte.

Machen wir uns selbst nichts vor: Wer hat nicht schon mal eine „fromme Show“ abgezogen? Gerade dann, wenn wir es besonders ernst meinen, ist die Gefahr groß, manche „Showeinlagen“ hinzulegen, die wirklich Oscar-verdächtig sind. Wenn wir mit anderen Christen reden, geht es nur um fromme Inhalte, man hat den Namen des Herrn stets auf den Lippen; wenn jemand sagt, dieses oder jenes müssten wir einmal angehen, dann hört man oft die frommen Worte wie: „Hast du das auch mit dem Herrn besprochen?“, oder: „Ohne den Herrn können wir nichts tun“, oder: „Das kann allein der Herr bewirken“ (was ja alles richtig ist!), und man möchte eigentlich nur zeigen, wie fromm man ist oder wie faul man ist, weil man selbst merkt, dass man etwas tun müsste. Dabei sagt der Herr ganz deutlich: „Handelt, bis ich komme.“

Oder wir halten starr an bestimmten Traditionen fest, um damit deutlich zu machen, wie ernst es uns ist; in Wirklichkeit wollen wir damit aber nur unser christusloses Leben vertuschen. Wir leben den Tag über ohne die Beziehung zu Gott und tun Dinge, von denen wir wissen, dass sie nicht in Ordnung sind, und doch rufen wir die Familie morgens und abends zur Familienandacht und sprechen fromme Worte zu den Kindern, die wir selbst im Alltag nicht tun möchten. Oder wir führen das Unternehmen nach völlig weltlichen Grundsätzen, und zur gleichen Zeit sitzen wir zweimal in der Woche fromm in der Gemeinde, lesen täglich den Kalenderzettel und beten morgens und abends, um uns selbst zu beruhigen und vor anderen fromm dazustehen.

Oscarverdächtig sind dann vor allen Dingen Christen, die es über vielleicht zwanzig Jahre geschafft haben, ihre Probleme in der Ehe vor anderen Glaubensgeschwistern und manchmal sogar vor den eigenen Kindern zu verbergen, bis dann nach Jahren die Bombe platzt und jede Hilfe zu spät kommt. Hier soll es nicht darum gehen, dass auch eine Gemeinde mit Schuld daran trägt, dass sie solche Probleme nicht viel früher entdeckt haben.

Nebenbei bemerkt ist die christliche Schauspielerei viel gefährlicher als die weltliche. In Hollywood ist jedem klar, dass es ein Spiel ist. Aber im Leben eines Christen geht es um mehr. Ein Christ, der ein Doppelleben führt, wird früher oder später ein Fall für den Psychiater. Ein normaler Mensch hält es auf Dauer nicht aus, in zwei Welten zu leben. Man weiß doch genau, dass man Gott nichts vormachen kann. Und die Gefahr, psychische Probleme zu bekommen, ist sehr real.

Was ist die Lösung? Nun, zuerst müssen wir einmal ehrlich zu uns selbst sein und uns eingestehen, dass wir alle irgendwie einen Oscar verdient hätten ;-), wenn es darum geht, was man vielleicht dem einen oder anderen schon alles vorgemacht hat. Aber in erster Linie sollten wir diese Show vor dem Herrn bekennen und den Herrn um ein authentisches und ehrliches Leben bitten und darum, dass wir immer mehr das werden und sind, was wir oftmals vorgeben zu sein. Dass dort immer eine gewisse Kluft herrscht, ist wohl auch normal und wird uns bis zum Lebensende begleiten – wir wollen auch nicht ein neues „Märchen“ erfinden, das da heißt: Du kannst schon hier auf der Erde in perfekter Weise das sein, was du sein sollst. Aber der wachsende oder auch erwachsene Christ lernt und hat gelernt, sich immer mehr in das Bild Christi verwandeln zu lassen. Das ist dann keine Show, sondern das wahre Ziel. Normalerweise gehört es ja zum Schauspiel dazu, dass man eine andere Person darstellt, und es wäre für einen Christen fatal, wenn er lieber eine andere Person wäre. Aber es gibt da eine Ausnahme, denn so unnormal wie es für einen Christen ist, eine andere Person sein zu wollen, so normal ist es, dass er immer mehr in die Person des Herrn Jesus Christus verwandelt werden soll. Wir sollen tatsächlich dem Herrn Jesus immer ähnlicher werden. Und wenn Christus wirklich in uns wohnt, dann ist das auch eine ganz normale Angelegenheit. Denn erst wenn Christus völlig in uns Gestalt gewonnen hat, dann sind wir die Person, die wir sein sollen. Das wird vollkommen natürlich erst in der Herrlichkeit so sein.

Wenn es gewaltige Klüfte in unserem Leben gibt, die uns persönlich bewusst sind und die wir nicht unter die Füße bekommen, dann sollten wir uns einer vertrauenswürdigen Person anvertrauen und versuchen, gemeinsam das Problem zu lösen. Das ist sicher die bessere Lösung, als irgendwann daran geistlich und manchmal auch körperlich zugrunde zu gehen. Habe den Mut, diesen Schritt zu gehen!

Es gibt eine große Vielzahl von Möglichkeiten, in denen wir für einen Oscar in Frage kämen. Manchmal sind wir die Drahtzieher (Regisseure), manchmal spielen wir in einer Sache die Haupt- und manchmal die Nebenrolle. Vielleicht machen wir auch manchmal nur gute Miene zum bösen Spiel, dann haben wir den Oscar sicher für die beste Filmmusik verdient, oder wir machen einfach bei einer Sache mit, ohne dass wir wirklich dahinterstehene – dann mag die Kategorie für die beste „Verkleidung“ unsere Kategorie sein.

Lassen wir uns ermuntern, mit wachen Augen durch die Welt zu gehen, und erbitten wir so viel Selbsterkenntnis vom Herrn, dass Er uns unsere persönlichen Schwachpunkte offenbaren kann.

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