Der Zehnte – eine Regel für die wöchentliche Kollekte?
3. Mose 27,30

Manuel Seibel

© M. Seibel, online seit: 09.02.2005, aktualisiert: 30.10.2022

Leitvers: 3. Mose 27,30

3Mo 27,30: Und aller Zehnte des Landes, vom Samen des Landes, von der Frucht der Bäume, gehört dem HERRN; er ist dem HERRN heilig.

Die Frage, ob Christen von ihrem Vermögen oder Einkommen (mindestens) den Zehnten dem Herrn geben müssen – zum Beispiel über die wöchentliche Kollekte –, hat schon viele beschäftigt. Zur Beantwortung dieser Frage muss geklärt werden: Was bedeutet „der Zehnte“ neutestamentlich für uns? Und worum geht es beim „neutestamentlichen Geben“ für Christen?

  1. Das NT gibt uns klare Hinweise zum „Geben“. Zum Beispiel in 1. Korinther 16,2 heißt es: „Je nachdem ein jeder Gedeihen hat“, soll der Gläubige zurücklegen und geben. 2. Korinther 8 und 9 weisen auf die Herzenshaltung beim Geben hin. „Einen fröhlichen Geber hat Gott lieb“ (2Kor 9,7).

  2. Ein gesetzlich festgelegter Betrag widerspricht der Freiheit des Christen, die wir im NT immer wieder vorgestellt bekommen. Wir wären dann „gute“ Christen, wenn wir den genau (an welcher „Bemessungsgrenze“ auch immer angelegt) festgeschriebenen Betrag an Gott weitergeben wollen. Aber Gott sucht keine Form, sondern unser Herz. Fazit: Im Neuen Testament steht nichts von einem festgelegten, prozentualen Betrag, den ein Gläubiger geben muss oder soll. Auch das häufig zu hörende Argument: „Wir leben in der Zeit der Gnade. Daher ,müssen‘ wir mehr geben als unter Gesetz, also mindestens zehn Prozent“, findet im NT keine Unterstützung. Wir dürfen so viel geben, wie wir „Gedeihen“ haben, wie viel wir dem Herrn geben wollen und können. Dabei weiß die rechte Hand nicht, was die linke gibt.

  3. Wenn es um den Zehnten geht, müssen wir berücksichtigen, dass es im AT in bestimmten Zeiten oder unter bestimmten Umständen mehr als „ein“ Zehnter zu geben war. Auch das zeigt, dass diese „Zehn-Prozent-Regel“ einfach unzutreffend ist.

  4. Wir wollen nicht vergessen (das darf ich jetzt mal als Ökonom sagen), dass der „Zehnte“ eine Art Steuer im AT war. Denn die Leviten haben bestimmte Aufgaben für das ganze Volk übernommen. Und Gott stellt durch den Zehnten, der ja an die Leviten und Priester ging, sicher, dass diese einen Lebensunterhalt fanden.

  5. Im AT findet man immer wieder, dass von „einem Teil“ die Rede ist: beim „Zehnten“ – nämlich dem zehnten Teil; bei der Beschneidung –, denn es wurde ein Teil des Fleisches abgeschnitten; bei dem Gericht der Erstgeburt – ein Teil der Familie wurde gerichtet. Es scheint mir, dass es sich dabei um eine „Gesetzmäßigkeit“ handelt: Wenn von dem Teil die Rede ist, ist das Ganze gemeint. Man nehme als Beispiel die Beschneidung. Eigentlich wurde „nur“ ein Teil des Fleisches abgeschnitten. Aber was sagt uns das NT? „In dem ihr auch beschnitten worden seid … in dem Ausziehen des Leibes des Fleisches.“ Obwohl nur ein Teil des Fleisches abgeschnitten wurde, war das ganze nicht tauglich für Gott. Ähnlich ist es in Philipper 3,3. Dort wird in Verbindung mit der Beschneidung betont, dass wir „nicht auf das Fleisch vertrauen“ dürften – auf nichts von dem Fleisch!

  6. Bezogen auf das Geben: Gott wies das Volk an, Ihm einen Teil seines Vermögens und seines Ertrages zu geben. Die geistliche Bedeutung, die dahinter steht ist: Gott gehört das Ganze. Denn von Ihm kommt alles, Er hatte dem Volk (und auch uns) das geschenkt, was Ihm ohnehin gehört(e).

  7. Auf uns übertragen: Alles, was wir besitzen – ob Geld, Auto, Haus, Ehepartner, Kinder, Beruf, Begabung und Fähigkeiten etc. – gehört Ihm. Er hat uns diese Dinge anvertraut, damit wir gute Verwalter sind. Aber gehören tut Ihm alles, was wir besitzen – Er ist der Eigentümer. Können wir so nicht die Verse in 1. Korinther 4 verstehen: „Was aber hast du, das du nicht empfangen hast? Wenn du es aber auch empfangen hast, was rühmst du dich, als hättest du es nicht empfangen?“

  8. Wir gehören dem Herrn auf mehrfache Weise: Er ist unser Schöpfer. Er ist unser Erhalter. Er ist unser Retter. Er ist unser Herr … Wenn ich mir dessen mehr bewusst wäre, würde ich freigiebiger das geben, was sowieso nicht mein „Eigentum“ ist. Es gibt hundert logische und nachvollziehbare Argumente, etwas nicht zu geben und zu behalten. Es gibt einen Grund, Ihm das zurückzugeben, was von Ihm ist: die Antwort der Liebe. Damit dürfen wir nicht „gesetzlich“ umgehen – wer wenig gibt, liebt nicht. Denn die Höhe ist nicht entscheidend, wie das Geben der Witwe deutlich macht, die Jesus im Tempel beobachtet hat und das aufgrund ihrer Hingabe in das ewige Wort Gottes aufgenommen wurde. Wir brauchen uns auch nicht unter Druck zu setzen oder unter Druck setzen zu lassen: Wie wir Gedeihen haben, wie wir Freude am Geben haben, so dürfen wir geben. Das kann zeitlich ganz unterschiedlich sein. Der Herr sieht unsere Herzen und freut sich über unsere „Hände“.


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