Mythos Luther
Was wir von Luther lernen sollten

Stephan Isenberg

© SoundWords, online seit: 18.11.2003, aktualisiert: 31.10.2023

Leitvers: Johannes 17,17

Joh 17,17: Heilige sie durch die Wahrheit: Dein Wort ist Wahrheit.

Auch ohne den zurzeit (2003) aktuellen Film Luther ist gleichnamiger Reformator aus Deutschlands Geschichte nicht mehr wegzudenken. Er hat die Geschichte Deutschlands und die Geschichte der christlichen Kirche entscheidend mitgeprägt. Wer sich noch wenig mit dieser Persönlichkeit auseinandergesetzt hat, findet in dem Film Luther sicher einen guten Einstieg, da man sichtlich bemüht war, historische Einzelheiten zu berücksichtigen, wenn auch Legenden, wie der Thesenanschlag an die Schlosskirche zu Wittenberg und auch der historisch wohl nicht nachweisbare Satz „Hier stehe ich und kann nicht anders“, im Film verwendet wurden. Nach diesem Film möchte man in Ruhe ein Buch über das Leben Martin Luthers lesen, um die Persönlichkeit Luthers besser kennenzulernen. Als Dokumentarfilm – so sind sich viele Kritiker einig – scheint er jedoch ungeeignet, da zu viel Wert auf typisches Hollywoodkino gelegt wurde, wiewohl der Film von der Berliner Neuen Filmproduktion produziert wurde. Interessante Randnotiz ist vielleicht, dass das Medienecho eher negativ und das Echo aus christlichen Kreisen eher positiv ausfiel.

Wer bereit ist, sich mitnehmen zu lassen in die Zeit des Mittelalters, der wird auch von der Person Luthers angetan sein. Die Kämpfe, die Luther mit sich selbst hatte, spiegeln so ziemlich die Erfahrungen aus Römer 7 wider, wo Paulus bei sich selbst entdeckte: „Denn was ich vollbringe, billige ich nicht, denn nicht, was ich will, das tue ich, sondern was ich hasse, das übe ich aus“, bis dahin, dass er ausrief: „Ich elender Mensch!“ Paulus wie Luther fanden in Jesus Christus Heil und inneren Frieden, in der Gewissheit, dass Christus alle ihre Schuld bezahlt hat und dass es einen barmherzigen Gott geben muss.

Luther schrieb selbst 1523:

Denn wenn ich auch ewig lebte und arbeitete, mein Gewissen würde doch niemals sicher und gewiss werden können und wissen, wie viel es zu tun habe, um Gott zu genügen. Bei jedem noch so guten Werk, das ich vollbringen würde, bliebe doch der Stachel zurück, ob es Gott auch wohlgefiele oder ob Er vielleicht noch mehr verlange, wie die Erfahrung aller Werkheiligen beweist, und wie ich’s selbst zu meinem großen Schaden jahrelang habe erfahren müssen. Nun aber, wo Gott mein Heil über den Bereich meines Wollens hinausgehoben und ganz zu seiner Sache gemacht hat, wo Er verheißen hat, mich nicht durch mein Tun oder Laufen, sondern durch seine Gnade und Barmherzigkeit zu retten, nun bin ich dessen gewiss und sicher, dass Er treu ist und mir nicht lügen wird, dazu mächtig und groß genug ist, dass Ihn kein Teufel und kein Widerstand stürzen noch mich Ihm entreißen wird.

Luther war kein Mensch, der eine Reformation wollte in der Weise, dass man eine „neue Kirche“ gründete. Er wollte keinen Streit mit Rom – aber er war bereit, kompromisslos für das einzustehen, was er aus der Heiligen Schrift erkannt hatte. Viele Lehren Luthers wird man heute nicht gerne genauer untersuchen wollen. Es fällt uns heute nicht mehr schwer, ihn und seine Lehren in mancherlei Hinsicht kritisch zu hinterfragen (siehe allein die 95 Thesen, die viel Raum für Fragen eröffnen!). Oder denken wir an den Judenhass, den Luther selbst in Deutschland schürte.

Aber es wäre unfair, wollte man heute mit der Lupe nach falschen Lehren und Sichtweisen bei ihm suchen und ihm diese Dinge vorhalten. Wir müssen sehen, dass Gott dieses Werkzeug in einzigartiger Weise benutzt hat, um den Menschen wirklich in Verbindung mit Gott zu bringen. Allein Luthers Wunsch, dem Volk eine Bibel zu schenken, damit jeder sich von der Liebe Gottes und der Abartigkeit des damaligen Ablasshandels überzeugen konnte, ist eine Sache, die ihm überaus hoch anzurechnen ist. Noch heute sollten Christen dafür einstehen, egal, was kommt, den Menschen Christus und sein Wort zu predigen und nicht die Zugehörigkeit zu einer bestimmten Kirche oder Glaubensgemeinschaft – sollte es auch alles kosten!

Wer die geistliche Finsternis des Mittelalters versteht, die im Besonderen dadurch zum Ausdruck kam, dass das normale Volk keinerlei Möglichkeiten besaß nachzuprüfen, was die damalige Kirche vorschrieb, der wird großherziger über falsche Lehren eines Luthers hinwegsehen. Viel zu finster war jene Zeit, als dass Luther die Lehren der Heiligen Schrift alle in jenem hellen Licht hätte sehen können, wie wir dies heutzutage zum großen Teil könnten – wobei viel zu viele davon keinen Gebrauch machen oder wenigstens keinen Nutzen daraus ziehen. Die geistliche Finsternis jener Tage war dafür verantwortlich, dass zum Beispiel der Ablasshandel überhaupt eine derartige Verbreitung finden konnte, welcher darin bestand, dass man den Menschen glauben machte, dass sie zum Beispiel ihre Verwandten durch einen sogenannten „Ablass“ aus dem Fegefeuer erlösen könnten. Dazu mussten sie einige Bußübungen machen und einige Münzen spenden. Wenn auch nicht in dieser Abartigkeit des Mittelalters, so sind doch auch heute diese Art von Bußübungen noch gang und gäbe, und man sollte ernstlich anhand des Wortes überprüfen, ob Dinge, wie zum Beispiel das Spenden von Kerzen, dem christlichen Evangelium entstammen oder dem heidnischen Aberglauben.

Tetzels Ablasskasten

Preise einiger Ablassbriefe
• Kirchenraub und Meineid: 9 Dukaten
• Mord: 8 Dukaten

 

Ein Dichter (Nikolaus Ludwig Graf von Zinzendorf) drückte es einmal so aus:

Wenn das Wort nicht mehr soll gelten,
worauf soll der Glaube ruh’n?
Mir ist nicht um tausend Welten,
sondern um dein Wort zu tun.

Davon sollten wir uns auch heute noch inspirieren lassen. Luther war, bei aller Finsternis jener Zeit, aus diesem Holz geschnitzt, und wir tun gut daran, in diesem Punkt jenem großen Vorbild nachzueifern. Bedenken wir zudem, dass wir heute wesentlich verantwortlicher sind für das, was wir glauben oder nicht glauben. Die Menschen der damaligen Zeit konnten sich nicht auf das Wort Gottes berufen, sie mussten der Kirche vertrauen und wurden so zu Opfern. Aber wir müssen nicht in den Traditionen und falschen Überlieferungen von Menschen verharren. Wir können selbst unter Gebet und der Leitung des Geistes Gottes die Bibel, das heilige Wort Gottes lesen und in die Praxis umsetzen. Wir haben nicht jene Entschuldigung wie die Menschen der damaligen Zeit, wenn wir selbsterdachten Theorien über die Bibel folgen und, was noch schlimmer ist, diese dann auch noch verbindlich für alle Christen festschreiben. Diese Gefahr besteht eigentlich in jeder Kirche oder Gemeinschaft von Gläubigen, die bereits einige Generationen besteht. Und man sollte den Herrn in einer solchen Kirche oder Glaubensgemeinschaft bitten, Menschen mit dem Format eines Luthers zu erwecken, die nicht durch eine gewisse „Betriebsblindheit“ vernebelt sind. Reformen sind auch heute noch so wichtig wie damals.

Ich wünsche uns, dass wir wieder neu lernen, die Bibel nicht nur formell als Gottes Wort zu akzeptieren, sondern dafür auch kompromisslos in unserem praktischen Leben einzustehen.

Luther sprach vor dem Reichstag in Worms folgende Worte, und sie verdienen unsere Beachtung, weil Luther damit rechnen musste, für diese Worte sterben zu müssen:

Wenn ich nicht durch Zeugnisse der Schrift und klare Vernunftgründe überzeugt werde – denn weder dem Papst noch den Konzilien allein glaube ich, da es feststeht, dass sie öfter geirrt und sich selbst widersprochen haben –, so bin ich durch die Stellen der Heiligen Schrift, die ich angeführt habe, überwunden in meinem Gewissen und gefangen in dem Wort Gottes. Daher kann und will ich nichts widerrufen, weil wider das Gewissen etwas zu tun weder sicher noch heilsam ist. Gott helfe mir, Amen!

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