Die moralische Herrlichkeit des Herrn Jesus (20)
Die Auswirkung, die sie auf uns haben sollte

John Gifford Bellett

© SoundWords, online seit: 13.08.2008, aktualisiert: 01.08.2016

Es ist nicht gut, immer verstanden zu werden. Unsere Gewohnheiten und Handlungen sollten die eines Fremdlings, eines Bürgers aus einem anderen Land sein, dessen Sprache, dessen Gesetze und Gebräuche nur unvollkommen begriffen werden. Fleisch und Blut können das nicht wertschätzen. Deshalb befinden sich die Gläubigen in keinem guten Zustand, wenn die Welt sie versteht.

Selbst die nächsten Verwandten Jesu erkannten Ihn nicht. Oder kannte Ihn seine Mutter, als sie auf der Hochzeit zu Kana in Ihn drang, seine Macht zu entfalten und Wein für das Fest herbeizuschaffen (Joh 2)? Oder kannten Ihn seine Brüder, als sie zu Ihm sagten: „Wenn du diese Dinge tust, so zeige dich der Welt“ (Joh 7,4)? Welch ein Gedanke! Sie wollten den Herrn veranlassen, sich zu dem zu machen, was wir einen „Mann der Welt“ nennen! Darf man irgendeine wahre Erkenntnis Jesu voraussetzen, wenn solche Gedanken im Herzen Raum finden? Bestimmt nicht! Deshalb fügt auch der Evangelist sogleich hinzu: „Denn auch seine Brüder glaubten nicht an ihn.“ Sie kannten die Macht des Herrn, aber nicht seine Grundsätze; und nach Menschenweise verbanden sie den Besitz von Macht und Talenten mit der Verfolgung der Interessen des Menschen in der Welt. Natürlich war der Herr Jesus das unmittelbare Gegenteil von diesem allen, und seine vom Geist dieser Welt geleiteten Verwandten nach dem Fleisch konnten Ihn daher nicht erkennen. Die Grundsätze, die seine Handlungen bestimmten, waren der Welt gänzlich fremd; man verachtete sie, wie einst die Tochter Sauls den König David verachtete, als er vor der Bundeslade des Herrn tanzte (2Sam 6,16).

Aber welch eine Anziehungskraft übte die Gegenwart Jesu auf jedes Herz und Auge aus, das durch den Heiligen Geist geöffnet war! Die Apostel bezeugen es uns. Sie kannten der Lehre nach nur wenig von ihrem Meister. Dass sie sich bei Ihm aufhielten, war für sie kein Gewinn, d.h. kein weltlicher Gewinn. Ihre äußere Lage wurde dadurch, dass sie mit Jesus gingen, durchaus nicht verbessert. Auch kann man nicht sagen, dass sie sich seine Wundermacht zunutze machten. Im Gegenteil zweifelten sie weit eher an seiner Macht, als dass sie sich ihrer bedient hätten, und dennoch hingen sie an Ihm. Sie gesellten sich nicht zu Jesus, weil sie in Ihm die unversiegbare und stets fließende Quelle erkannten, die alle ihre Bedürfnisse zu stillen vermochte. Ich glaube vielmehr, dass wir sagen können, dass sie nie zu ihren Gunsten von seiner Macht Gebrauch machten. Dennoch blieben sie stets bei Ihm, waren in Verlegenheit, wenn Er von seinem Weggehen sprach, und ihre Augen waren mit Tränen gefüllt, als sie Ihn wirklich verloren zu haben meinten. Ich wiederhole daher: Welch eine Anziehungskraft musste die Gegenwart Jesu auf alle diejenigen ausüben, deren Herzen und Augen durch den Geist erleuchtet oder die durch den Vater gezogen worden waren (Joh 6,4)!

Aber auch mit welcher Gewalt drang bisweilen ein einziger Blick, ein einziges Wort Jesu in das Herz! Wir sehen dies bei Matthäus. Das eine Wort von den Lippen des Herrn „Folge mir!“ war völlig hinreichend für ihn, um alles zu verlassen. Und diese Autorität, diese Anziehungskraft wurde von Menschen mit ganz entgegengesetztem Charakter und völlig verschiedener Gemütsart gefühlt. Der alles mit dem Verstand zu durchdringen suchende, glaubensträge Thomas und der feurige, unbedachtsame Petrus – beide wurden durch diesen wunderbaren Mittelpunkt angezogen und festgehalten. Ja, Thomas, für einen Augenblick beseelt von dem Geist des eifrigen Petrus, konnte unter dem Eindruck dieser Anziehungskraft die Worte hören lassen: „Lasst auch uns gehen, dass wir mit ihm sterben!“ (Joh 11,16).

Was wird es sein, wenn auch wir dies alles dereinst in gänzlicher Vollkommenheit sehen und empfinden werden! Was wird es sein, wenn jene unzählige Schar aus der ganzen menschlichen Familie, aus aller Herren Länder, von allen Farben und Charakteren, versammelt sein wird und alle Geschlechter und Sprachen und Völker und Nationen bei dem Herrn sein und Ihn in einer Welt, die Seiner würdig ist, umringen werden! Es ist wirklich der Mühe wert, auf jene Beispiele unsere Gedanken zu richten, da sie uns zeigen, welch eine Kostbarkeit der Herr Jesus für Herzen haben kann, die den unsrigen gleich waren. Sie sind für uns das Pfand für das, was ihnen damals gehört hat und unsere Hoffnung heute ist.

Das Licht Gottes strahlt oft vor uns, damit wir nach der uns verliehenen Kraft es unterscheiden und benutzen, uns seiner erfreuen und ihm folgen können. Nicht dass es uns anklagt oder Forderungen an uns stellt, sondern es strahlt vor uns, damit wir es, soweit wir Gnade empfangen haben, zurückstrahlen lassen. In dieser Weise sehen wir es in der ersten Gemeinde zu Jerusalem wirken. Das dort scheinende Licht Gottes forderte nichts. Es strahlte in Klarheit und Macht; aber das war alles. Petrus redete die Sprache dieses Lichtes, als er zu Ananias sagte: „Blieb es nicht dein, wenn es so blieb, und war es nicht, nachdem es verkauft war, in deiner Gewalt?“ (Apg 5,4). Das Licht hatte keine Forderungen an Ananias gestellt; es leuchtete einfach vor und neben ihm in seiner Schönheit, damit er nach seinem Maße darin wandeln sollte.

In dieser Weise glänzt größtenteils die moralische Herrlichkeit Jesu; und diesem Lichte gegenüber ist es unsere erste Pflicht, zu lernen, was Christus ist. Wir haben nicht damit zu beginnen, dass wir uns mit Angst und Furcht nach seinem Schein messen, sondern wir sind berufen, mit Ruhe, Freude und Danksagung Christus in der sittlichen Vollkommenheit seiner Menschheit kennenzulernen. Natürlich hat uns diese Herrlichkeit verlassen. Ihr lebendiges Bild existiert auf der Erde nicht mehr. Die Evangelien liefern uns eine Beschreibung von ihr; aber nirgends erblicken wir jetzt hier auf der Erde ihren mächtigen Schein. Er, dessen Herrlichkeit in dieser Welt offenbart worden ist, ist zum Vater zurückgekehrt. Aber obwohl sein Fuß nicht mehr die Erde berührt, ist Er dennoch geblieben, was Er war, und wir kennen Ihn, so wie Er uns auf den Blättern des göttlich inspirierten Wortes vor Augen gemalt ist.

Die Jünger kannten den Herrn in hervorragendem Sinn persönlich. Es war seine Person, seine Gegenwart, sein Ich, das sie anzog; und dies ist es gerade, was auch wir in einem höheren Maße nötig haben. Wir können uns bemühen, Wahrheiten bezüglich der Person Jesu kennenzulernen, und vielleicht machen wir auf diesem Wege auch bedeutende Fortschritte; dennoch können die Jünger, bei all unserer Erkenntnis und trotz all ihrer Unwissenheit, uns weit hinter sich zurücklassen, wenn es sich um die Kraft einer alles beherrschenden Liebe zu Ihm handelt. Natürlich es ist gut, wenn die Zuneigungen unserer Herzen zu Jesus das Maß der Erkenntnis überschreiten, die wir uns bezüglich Seiner haben erwerben können. Denn nur dann beweisen wir, dass wir Ihn wirklich verstanden haben. Glücklicherweise gibt es noch einfältige Seelen, bei denen sich diese das Maß ihrer Erkenntnis übersteigende Anhänglichkeit an die Person Christi offenbart. Aber leider ist es im Allgemeinen nicht so. In unseren Tagen ist meist das Gegenteil der Fall. Das Licht und die Erkenntnis überschreiten gewöhnlich das Maß dessen, was unsere Herzen für den Herrn fühlen. Und diese Entdeckung ist für einen jeden, der noch irgendwie ein wahres Gefühl besitzt, höchst schmerzlich.

Ein anderer Schreiber sagt:

Das Vorrecht unseres christlichen Glaubens und das Geheimnis seiner Kraft besteht darin, dass alles, was er besitzt, und alles, was er bietet, in einer Person enthalten ist. Während so vieles andere sich als schwach erwiesen hat, zeigt der Glaube darin seine Kraft, dass er einen Christus zum Mittelpunkt besitzt und dass er keinen Kreis ohne einen Mittelpunkt, keine Erlösung ohne einen Erlöser, keine Seligkeit ohne einen Seligmacher hat. Das ist es, was den christlichen Glauben für über diese Erde reisende Menschen passend macht, was ihn zu einem Licht macht, das heller glänzt als die Sonne. Alles andere erscheint im Vergleich damit nur wie das Licht des Mondes, das zwar glänzt, aber kalt und unwirksam ist, während hier Licht und Leben eins sind … Wie groß ist der Unterschied, ob man sich einer Sammlung von Vorschriften unterwirft oder sich an ein liebendes Herz flüchtet, ob man ein System annimmt oder sich fest an eine Person klammert! Lasst uns nie aus den Augen verlieren, dass unsere Schätze in einer Person aufgespeichert sind, die nicht für ein einzelnes Geschlecht – die Jünger damals – ein lebender und gegenwärtiger Lehrer und Herr war und danach aufhörte, das zu sein, sondern die für alle Geschlechter zu allen Zeiten lebendig und gegenwärtig bleiben wird.

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Aus The Moral Glory of the Lord Jesus Christ


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