Das Johannesevangelium (18)
Kapitel 18

William Kelly

© SoundWords, online seit: 03.05.2001, aktualisiert: 17.01.2021

Leitverse: Johannes 18

Der Herr hatte seine Worte an die Jünger und an seinen Vater abgeschlossen. Sein Werk auf Erden, das jetzt zu Ende ging, war vor Ihm gewesen ebenso wie sein Fortgehen zum Himmel und was damit zusammenhing, die baldige Sendung des Heiligen Geistes, der bei den Seinen bleiben sollte, die nicht von der Welt waren. Jene Verwerfung des Heilands, die während unseres Evangeliums im Blickfeld gestanden hat, sollte jetzt ihren Höhepunkt am Kreuz erreichen; aber diese dunkle Schatten, der weit davon entfernt ist, alles zu verfinstern, dient nur dazu, das wahre Licht noch deutlicher herauszustellen. Er ist Mensch, aber eine göttlich Person, Er ist über allem, wo Er sich bewegt, der Sohn.

Verse 1-11

Joh 18,1-11: Als Jesus dieses gesagt hatte, ging er mit seinen Jüngern hinaus über den Bach Kidron, wo ein Garten war, in welchen er hineinging, er und seine Jünger. Aber auch Judas, der ihn überlieferte, wusste den Ort, weil Jesus sich oft daselbst mit seinen Jüngern versammelte. Als nun Judas die Schar und von den Hohenpriestern und Pharisäern Diener genommen hatte, kommt er dahin mit Leuchten und Fackeln und Waffen. Jesus nun, der alles wusste, was über ihn kommen würde, ging hinaus und sprach zu ihnen: Wen suchet ihr? Sie antworteten ihm: Jesus, den Nazaräer. Jesus spricht zu ihnen: Ich bin’s. Aber auch Judas, der ihn überlieferte, stand bei ihnen. Als er nun zu ihnen sagte: Ich bin’s, wichen sie zurück und fielen zu Boden. Da fragte er sie wiederum: Wen suchet ihr? Sie aber sprachen: Jesus, den Nazaräer. Jesus antwortete: Ich habe euch gesagt, dass ich es bin; wenn ihr nun mich suchet, so lasst diese gehen; auf dass das Wort erfüllt würde, welches er sprach: Von denen, die du mir gegeben hast, habe ich keinen verloren {o. verderben lassen}. Simon Petrus nun, der ein Schwert hatte, zog es und schlug den Knecht des Hohenpriesters und hieb ihm das rechte Ohr ab. Der Name des Knechtes aber war Malchus. Da sprach Jesus zu Petrus: Stecke das Schwert in die Scheide. Den Kelch, den mir der Vater gegeben hat, soll ich den nicht trinken?

Es war derselbe Garten, der in den anderen Evangelien Gethsemane genannt wird (ein Wort, das aus den hebräischen Worten gebildet ist, die „Kelter“ und „Öl“ bedeuten). Aber es gibt keinen wirklichen Grund dazu, zu sagen, wie einige nach dem Stil der ersten Kirchenväter und nach mittelalterlicher Weise tun, dass sich hier jene dunklen Worte ganz erfüllten: „Ich habe die Kelter allein getreten“, wie Jesaja geweissagt hat und wie es der Name in sich schließt. Denn das Treten der Kelter ist dann, wenn der Herr kommt, um zu richten, und nicht, um zu leiden, wie uns der damit verbundene Text, Offenbarung 19,20, klargemacht haben sollte. Es könnte wirklich kein Leser außer einem durch theologische Traditionen in die Irre geleiteter den frühen Propheten ebenso missdeuten, wie den letzten Propheten. Denn was in diesen Weissagungen beschrieben ist, ist nicht Todeskampf, sondern Rache, nicht sein blutiger Schweiß mit starkem Geschrei und Tränen, sondern sein Treten der Völker in seinem Zorn, wenn ihr Blut auf seine Kleider spritzt.

Ein aufmerksamer und nachdenklicher Leser wird bemerken, dass jene wunderbare Szene, wo sogar die, die den Herrn liebten, ja sogar Petrus, Jakobus und Johannes, nicht eine Stunde mit ihm wachen konnten, hier auffallend fehlt. Denn seine Seele war betrübt bis zum Tod, und wenn Er sie auch bat, bei Ihm zu bleiben und zu wachen, während Er ein bisschen weiterging, um zu beten, so fand Er sie doch schlafen vor Traurigkeit, und zwar mehrere Male. Es ist beachtenswert, dass einige aus ihren Abschriften von Lukas die Verse ausgelassen habe, die den Engel erwähnen, der vom Himmel erschien und Ihn stärkte, die den Kampf erwähnen, der solchermaßen ward, dass sein Schweiß wie Blutstropfen wurde, die auf die Erde fielen; als wenn der Herr durch einen solchen Ausdruck menschlichen Menschseins und unaussprechlicher Traurigkeit erniedrigt würde, anstatt zu sehen, wie charakteristisch die Tatsachen jenes Evangelisten sind und wie sie den erhöhen, der so lieben und leiden konnte, wie es dort beschrieben ist. Doch Johannes, der allein von allen vier Schreibern der Evangelien dem Herrn näher war, näher als Matthäus – Johannes ist der Einzige, der jenen Kampf überhaupt nicht beschreibt, und dies nicht, weil er seinem Geist nicht unendlich kostbar war, und auch nicht, weil ihn die anderen ihn uns nicht schon beschrieben hatten, sondern weil das, was er gab, wie auch bei den anderen aus Inspiration geschah und in keiner Weise eine Frage menschlicher Beurteilung oder menschlichen Befindens war. Johannes erwähnt, nicht weniger als Matthäus und Markus und Lukas, das Wunder von den fünf Broten; dies deshalb, weil es ebenso wesentlich für das Werk war, das ihm aufgetragen war, als wie es auch für die anderen in ihren Werken wichtig war. Aus demselben Grund gibt er, geleitet durch den Heiligen Geist, nicht den Todeskampf in dem Garten an, da dies nicht in seinen ihm bestimmten Bereich fällt. Er kannte ihn natürlich und musste in seinem Geist oft dabei verweilt haben, der er doch nachdenklicher veranlagt war als alle anderen, wenn er auch drüber schweigt.

Kann irgendetwas die beherrschende Weisheit und Kraft des inspirierenden Geistes mehr bezeugen? Ja, in dem Teil und in jeder Einzelheit, bei dem einen sowohl als bei den anderen, und alles fast selbstredend, wenn wir nicht so schwerfällig im Hören wären, nicht nur in dem, was ausgelassen ist, sondern auch in dem, was durch unendliche Gnade eingefügt ist. Ein Zeugnis dafür ist das, was unser Evangelist uns als Nächstes berichtet. Er stellt uns das ohne Zweifel erschreckende Schauspiel von Judas vor Augen, der sich seiner innigen Kenntnis von der Gewohnheit und dem Aufenthaltsort des Heilands bedient, um die anzuführen, die ihn greifen und töten wollten. Mit der Schar und den Obersten seiner Feinde führt Judas sie zu dem Winkel des nächtlichen Gebetes mit Leuchten und Fackeln und Waffen, um ihre Beute sicherzustellen, wenn auch volles Mondlicht schien und Er niemals einen Schlag zur Selbstverteidigung ausgeführt hätte. Aber Judas kannte Ihn ebenso wenig wie seine Begleiter. Wie schrecklich ist der Anblick einer Seele, die zum tödlichen Verderben verblendet ist und auch zur Ehre unseres Heilands und zu seiner Liebe! Wie sicher ist Satan in ihn gefahren, wenn wir ihn betrachten, wie er da bei ihnen stand, um Ihn zu verraten!

Jesus, der alles wusste, was Ihm bevorstand, geht zu ihnen hinaus und fragt: „Wen suchet ihr?“ Und bei seiner Bekenntnis seiner selbst als Entgegnung auf ihre Antwort von Jesu dem Nazaräer wichen sie zurück und fielen zu Boden. Wie offenbar ist der Beweis seiner echten göttlichen Herrlichkeit! Ein in Liebe gesandter und herabgekommener Mensch und doch der wahre Gott – das war das ständige und besondere Zeugnis von Johannes, der wahre Schlüssel zu dem, was er nicht sagt, nicht weniger als zu dem, was er sagt. Doch wird dabei keine Anstrengung gemacht, sondern es ist alles wunderbar einfach mit dieser tiefen und göttlichen Unterströmung. Nicht der ganze Verrat des Judas, nicht der ganze Hass und die Feindschaft der Juden, nicht die ganze Macht Roms hätten den Herrn ergreifen können, wenn nicht seine Zeit gekommen wäre, sich aufzuopfern. Seine Stunde war jetzt gekommen. Er hatte die Schar vernichten können, die Ihn zu ergreifen suchte, ebenso leicht, wie Er verursachte, dass sie vor seinem Namen zu Boden fielen. Denn später wird Kraft seines Namens jedes Knie sich beugen von allen Wesen im Himmel und auf Erden und unter der Erde, und jede Zunge wird bekennen, dass Jesus Christus Herr ist zur Ehre Gottes des Vaters (Phil 2,10.11).

Aber als Er sie wiederum fragte: „Wen suchet ihr?“, und sie sagten: „Jesus, den Nazaräer“, leuchtete Gnade hervor und nicht Macht: Jetzt trat das Erstere hervor wie vorher das Letztere, es kam der wahre Gott zum Ausdruck, der sich jetzt auf Erden in seiner eigenen Person offenbarte. „Wenn ihr nun mich suchet, so lasst diese gehen; auf dass das Wort erfüllt würde, welches er sprach: Von denen, die du mir gegeben hast, habe ich keinen verloren.“ Wie bei der Lade im Jordan, so wollte Er allein in die Wasser des Todes hineingehen, und die Seinen sollten trockenen Fußes hinübergehen. Er opfert sich freiwillig für sie auf. Die große Erlösung, die unwandelbar ist, schließt jede geringere ein, die zur Ehre Gottes in der Zwischenzeit passt und ihr dient. Und wie ist es segensvoll, all die vorübergehenden Gnadenbezeugungen, die wir erleben, wo seine Hand uns vor der Bosheit des Feindes beschützt, auf denselben Ursprung gnädiger Macht in Christus zurückführen! Er tritt hervor, um alles zu erdulden. Sein Volk geht frei aus; sein Wort erfüllt sich in jeder Weise. Wo der Vater gibt, verliert der Sohn keinen. Was für ein Trost und was für eine Zuversicht vor einer feindlichen Welt!

Aber sogar seine am meisten geehrten Knechte versagen und neigen dazu, am meisten zu versagen, wo sie sich in natürlichem Eifer und ihrer eigenen Weisheit hervorwagen, indem sie sich allzu sehr selbst zutrauen, seine Wege zu beachten und sein Wort zu halten und so von Ihm zu lernen. So zeigt Simon Petrus da seine Voreiligkeit im vollständigen Gegensatz zu der Gnade Christi; da er ein Schwert hatte, zog er es hervor und traf Malchus, den Knecht des Hohenpriesters, und hieb ihm sein rechtes Ohr ab. Wenn Petrus gewacht und gebetet hätte, anstatt zu schlafen, wäre es vielleicht anders gewesen. Wenn wir beim Beten versagen, fallen wir in Versuchung.

Lukas allein, der seinem Zeugnis für die Gnade Gottes treu ist, berichtet uns von der Antwort des Herrn: „Lasset es so weit“, und davon, wie Er das Ohr berührte, um den Verwundeten zu heilen. Allein Matthäus, in Übereinstimmung mit dem verworfenen Messias, aber dem wahren König Israels, gibt den Tadel wieder, der seinen Knecht vor den Folgen warnte, wenn Heilige fleischlich widerstehen wollen. Markus erwähnt die Tatsache und nichts mehr. Johannes, der der Absicht Gottes in seinem Bereich gerecht wird, stellt den Herrn in unerschütterlichem Gehorsam gegenüber seinem Vater, wie vorher in göttlicher Kraft und Gnade, dar. Nichts geschieht ruhiger, als wie Er das Temperament des Petrus zügelt; nichts ist eindrucksvoller, als wie Er sich dem Willen des Vaters unterwirft, koste es, was es wolle. „Den Kelch den mir der Vater gegeben hat, soll ich den nicht trinken?“

Es ist derselbe Jesus, wie in Lukas und in den anderen Evangelien, und doch was für ein Unterschied! Überall ist Würde, nirgendwo findet sich ein Wort oder eine Tat, die sich für den heiligen Gottes nicht ziemt, aber hier vor allem ist es der Sohn mit vollkommener Würde und innerer ganzer Unterwerfung des Herzens im Leiden, wie im Werk. Denken wir wohl, dass es jetzt sein Trank war, seinen Willen zu erdulden, wie es vorher seine Speise war, ihn zu tun? Gewiss war die innere Prüfung – um von den äußeren Leiden gar nichts zu sagen – weit tiefer; doch sein Herz beugte sich unter allem, wo sich im Gehorsam zu beugen unendliche Vollkommenheit war. So wie der lebendige Vater ihn sandte und wie Er durch den Vater lebte, so legte Er sein Leben nieder, um es wiederzunehmen; aber wenn Er sagt: „Ich habe Gewalt, es zu lassen, und habe Gewalt, es wiederzunehmen“, fügt Er hinzu: „Dieses Gebot habe ich von meinem Vater empfangen.“ Niemals gab es solch einen tiefen und heiligen Kampf, wie ihn der zweite Mensch in dem Garten kennenlernte; aber nichts davon erscheint im Evangelium Johannes. Hier leuchtet die ganze Macht und Gnade und Ruhe des Sohnes hervor, der keinen anderen Antrieb hat als den Willen des Vaters. Niemals wurde Gott der Vater in ähnlicher Weise verherrlicht.

Der Gläubige wird das Verhalten unseres Herrn während dieser abschließenden Szenen beachten, seine Demut und Würde, seine unendliche Überlegenheit allen gegenüber, die Ihn umgaben, Freunde wie Feinde, seine ganze Unterwerfung und seine innerlich unberührte Macht. Er ist ein Mensch, der Gesandte, aber der Sohn Gottes durch und durch. Er ist es, der die Jünger schützt und schirmt; Er ist es, der sich selbst freiwillig stellt. Der Verräter und die Schar, die Fackeln und die Waffen hätten alle versagt, wenn es Ihm nicht gefallen hätte, sich selbst darzubieten und die Seinen gehen zu lassen. Dazu war Er in der Tat in die Welt gekommen, und seine Stunde war jetzt da. Aber es war sein eigenes Handeln, und es geschah entsprechend dem Willen seines Vaters, wie groß auch immer die Bosheit des Menschen und die listigen Tücken Satans waren. Und ebenso war es die Macht seines Namens, die die bewaffnete Menge derer, die Ihn fangen wollten, überwältigte, genauso wie seine Gnade allein für seine folgende Unterwerfung ihrem Willen gegenüber sorgt.

Verse 12-27

Joh 18,12-27: Die Schar nun und der Oberste {w. Chiliarch, Befehlshaber über tausend Mann} und die Diener der Juden nahmen Jesus und banden ihn; und sie führten ihn zuerst hin zu Annas, denn er war Schwiegervater des Kajaphas, der jenes Jahr {o. jenes Jahres} Hoherpriester war. Kajaphas aber war es, der den Juden geraten hatte, es sei nützlich, dass ein Mensch für das Volk sterbe. Simon Petrus aber folgte Jesu und der andere Jünger. Dieser Jünger aber war dem Hohenpriester bekannt und ging mit Jesu hinein in den Hof des Hohenpriesters. Petrus aber stand an der Tür draußen. Da ging der andere Jünger, der dem Hohenpriester bekannt war, hinaus und sprach mit der Türhüterin und führte Petrus hinein. Da spricht die Magd, die Türhüterin, zu Petrus: Bist nicht auch du einer von den Jüngern dieses Menschen? Er sagt: Ich bin’s nicht. Es standen aber die Knechte und die Diener, die ein Kohlenfeuer gemacht hatten, weil es kalt war, und wärmten sich; Petrus aber stand auch bei ihnen und wärmte sich. Der Hohepriester nun fragte Jesus über seine Jünger und über seine Lehre. Jesus antwortete ihm: Ich habe öffentlich zu der Welt geredet; ich habe allezeit in der Synagoge und in dem Tempel gelehrt, wo alle Juden zusammenkommen, und im Verborgenen habe ich nichts geredet; was fragst du mich? Frage die, welche gehört, was ich zu ihnen geredet habe; siehe, diese wissen, was ich gesagt habe. Als er aber dieses sagte, gab einer der Diener, der dabeistand, Jesu einen Backenstreich und sagte: Antwortest du also dem Hohenpriester? Jesus antwortete ihm: Wenn ich übel geredet habe, so gib Zeugnis von dem Übel; wenn aber recht, was schlägst du mich? Annas nun hatte ihn gebunden zu Kajaphas, dem Hohenpriester, gesandt {o. da sandte Annas ihn usw.}. Simon Petrus aber stand und wärmte sich. Da sprachen sie zu ihm: Bist nicht auch du einer von seinen Jüngern? Er leugnete und sprach: Ich bin’s nicht. Es spricht einer von den Knechten des Hohenpriesters, der ein Verwandter dessen war, welchem Petrus das Ohr abgehauen hatte: Sah ich dich nicht in dem Garten bei ihm? Da leugnete Petrus wiederum; und alsbald krähte der Hahn.

Unser Evangelist berichtet die Tatsache, dass die Schar unseren Herrn fortführte, und zwar nicht nur zu Kajaphas, den Hohenpriester, sondern vorher zu dessen Schwiegervater Annas, der jenes Amt vorher innegehabt hatte und dem Kajaphas noch vor seinem Tod gefolgt war. Alles war nicht normal, und in nichts war dies augenscheinlicher als in den abschließenden Szenen des Heilands. Und deshalb erinnert das Evangelium an das, was schon in Johannes 11 berichtet worden war, wo das höchste religiöse Amt von den niedrigsten Zwecken verblendet war und wo der prophetische Geist in dem bösen Hohenpriester wirkte, wie zur alten Zeit in dem nicht ordnungsgemäßen Propheten zu Pethor. Im Allgemeinen bereitete der Heilige Geist heilige Menschen zu Gottes Willen und Herrlichkeit zu; aber als Ausnahme konnte Er auch zu jener Herrlichkeit solche gebrauchen – und tat es auch –, die Satan in Gewalt hatte, um diese Ehre so viel wie möglich zu zerstören. Nichts kann im Fall von Kajaphas mehr Erstaunen erregen als die Art, wie sein herzloses Empfinden durch Gnade in den Ausdruck einer großen Wahrheit, die vollkommen über seinem Gesichtskreis stand, verwandelt wird.

Wiederum sehen wir Simon Petrus, wie er dem Herrn folgt, aber nicht im Geist. Aber auch der andere Jünger war dort nicht zu seiner eigenen Ehre, aber noch weniger zu der Ehre des Herrn. Denn als Bekannter jenes Hohenpriesters und in keiner Weise als Nachfolger Jesu findet er Zugang zum Palast des Hohenpriesters. Und wie muss er bald den freundschaftlichen Einfluss bedauert haben, den er ausübte, um Petrus hineinzubekommen, der sonst verpflichtet gewesen wäre, draußen zu bleiben. Er dachte wenig daran, dass sein Wort an die Türhüterin den Anlass zu diesem schrecklichen und wiederholten Fall seines geliebten Mitjüngers geben würde! Aber jedes Wort des Herrn muss erfüllt werden. Es könnte scheinen, dass die Magd, die die Tür hütete, auch von der Jüngerschaft des Johannes wusste, denn sie sagt zu Petrus: „Bist nicht auch du einer von den Jüngern dieses Menschen?“ Aber die Frage war nicht Johannes gestellt, sondern Petrus; und Petrus, der in dem Garten so kühn gewesen war, zittert jetzt vor dieser Frau. So ist der Mensch, wenn er auch ein Heiliger ist: Was soll man mit ihm machen? Auch ist fleischliche Kraft in den Augen Christi wirklich nicht besser als fleischliche Schwachheit, die nicht nur log, sondern die auch den Meister verleugnete, indem die Gemeinschaft als Jünger mit Ihm verleugnet wurde, und das war der warmherzige, der feurige, der mutige Petrus! Ja, aber es war der unter dem Schatten des kommenden Kreuzes versuchte Petrus. Der Tod ist eine überwältigende Versuchung für den Jünger, bis er erkennt, was es heißt, mit Christus der Sünde und dem Gesetz gestorben und der Welt, die Ihn gekreuzigt hat, gekreuzigt zu sein und deshalb für die Herrlichkeit am Kreuz offen zu sein. So war es bei Petrus noch nicht, und er fiel. Auch können wir von Johannes und den Übrigen nicht mehr sagen, als dass sie nicht versucht worden sind. Dass sie der Prüfung besser standgehalten hätten, kann eigentlich keiner annehmen, der glaubt, was Gott von ihnen und vom Menschen im Allgemeinen sagt.

Der Hohepriester fährt in seiner Untersuchung fort; Petrus wiederholt seine Sünde. Kein Wunder, denn er hatte geschlafen, als er wachen und beten sollte, und er hatte sich in die Szene der Versuchung gewagt, anstatt die Warnung des Herrn zu beachten. „Es standen aber die Knechte und die Diener, die ein Feuer gemacht hatten und Wärmten sich.“ Böse Gesellschaft verdirbt gute Sitten; und das Bekenntnis Jesu vor Freunden ist etwas ganz anderes als das Bekenntnis vor blutdürstenden Feinden; und Petrus muss die schmerzliche Erfahrung lernen, was er aus den Worten Christi sich nicht vergegenwärtigt hatte, weil er zu ungeistlich war. Es ist segensvoll, unsere Nichtswürdigkeit und unser Versagen in seiner Gegenwart zu lernen, der Er vor dem Fall bewahrt; aber jeder Heilige, und besonders jeder Diener, muss vor sich selbst, wenn er nicht in Jesu Gegenwart bleibt, die bittere Erniedrigung kennenlernen, in die wir geraten, wenn wir Ihn vergessen. Mögen wir doch in Ihm bleiben, und mögen doch seine Worte in uns bleiben, und mögen wir so bitten, was wir wollen, dass es uns geschieht. Petrus hätte vor den Menschen nicht so versagt, wenn er nicht vorher bei seinem Meister versagt hätte, ohne Zweifel werden wir durch die Kraft Gottes bewahrt, aber durch Glauben.

„Der Hohepriester nun fragte Jesus über seine Jünger und über seine Lehre.“ Er suchte nach Beweismaterial gegen den Herrn. War das Verfahren von – man will gar nicht nach der Gnade fragen, die einen Priester charakterisieren sollte, sondern – ordnungsmäßiger, gewissenhafter Gerechtigkeit? Nicht um sich selbst zu schirmen, weist der Herr auf sein offenes und ständiges Zeugnis hin. Andere könnten mit anderer Gesinnung schon private Diskussionen und geheime Instruktionen gepflegt haben, um nicht von finstereren Plänen zu reden, die zu Taten anregen, die jedes Licht des Tages scheuen. „Jesus antwortete ihm: Ich habe öffentlich zu der Welt geredet; ich habe allezeit in der Synagoge und in dem Tempel gelehrt, wo alle Juden zusammenkommen und im Verborgenen habe ich nichts geredet, was fragst du mich? Frage die, welche gehört haben, was ich zu ihnen geredet habe; siehe: Diese wissen, was ich gesagt habe.“ Das war ohne Zweifel wahr und richtig. Die einzige Antwort war eine brutale Beleidigung seitens eines jüdischen Diener, der so den Hohenpriester unterstützen wollte, weil er es anders nicht konnte. Aber der Herr antwortete dem Geringen wie dem Hochstehenden mit einer gerechten Würde, die unermesslich über sie alle hinausragte: „Wenn ich übel geredet habe, so gib Zeugnis von dem Übel; wenn aber nicht, was schlägst du mich?

So erging es dem Herrn bei dem Hohenpriester: Wie traurig ist der Gegensatz zu dem Jünger, der sich mit den Knechten wärmte! Mehr als einer griff ihn mit der kritischen Frage an: „Bist nicht auch du einer von seinen Jüngern?“ Wieder herrschte die Furcht vor Menschen vor; und der, der wirklich an Ihn glaubte, bekannte Ihn nicht, sondern leugnete und sagte: Ich bin es nicht. Aber das war nicht alles, denn „einer von den Knechten des Hohenpriesters spricht, der ein Verwandter dessen war, welchem Petrus das Ohr abgehauen hatte: Sah ich dich nicht im Garten bei ihm? Da leugnete Petrus wiederum und alsbald krähte der Hahn.“ Oh, was bringt die Menschenfurcht doch für Fallen. Wie blendet doch die Macht des Feindes so, dass ein Heiliger in direkte und freche Lüge verwickelt wird und dass er den beschämt, der sein Leben und seine Rettung war! Aber wessen ist das Herz nicht fähig, wenn der Herr nicht vor ihm steht, sondern Furcht oder Begierde oder irgendetwas anderes, mit dem Satan betrügt? Gott jedoch sorgte dafür, dass die Furcht vor Menschen zu seiner Unehre den schuldigen Jünger zur Selbstanklage und Verachtung und äußerster Demütigung brachte, als ein Augenzeuge ihn vor allen seiner wiederholten Lüge und Verleugnung seines Meisters überführen konnte.

Man wird bemerkt haben, dass wir in diesem Evangelium weder das vorhergehende Gebet des Herrn für Petrus und die Versicherung seiner Wiederzurechtbringung haben noch sein Sichumwenden und sein Auf-Petrus-Schauen nach dessen letzter Verleugnung, wo er, als er sich des Wortes des Herrn erinnerte, hinausging und bitterlich weinte. Diese Dinge werden ausschließlich in dem einen Evangelium angegeben, in dessen Charakter sie passen und dem sie dienen (siehe Lk 22,31.32.61.62). Hier geht alles nicht um die Entdeckung von dem, was das Herz des Menschen ist, und um die Gnade des Herrn, sondern um die Person Christi als dem einen zentralen Gegenstand, nicht so sehr als zweiter Mensch, der von den Menschen verachtet wird, wo die Kraft seiner Liebe trotz des äußersten Versagens eines Jüngers an diesem wirkt, sondern als Sohn Gottes, der den Vater verherrlicht inmitten des vollständigen und allumfassenden Verderbens bei Freunden und Feinden.

Der Herr stand vor der religiösen Autorität; Er soll jetzt vor der weltlichen Macht erscheinen. Überall war Spott; und so musste er gegen seine Person hervorbrechen, der Er eines Tages den zerschmettern wird, der insgeheim seinen Nachbarn tötet, und der den Mann nicht dulden wird, der hochmütig ist und ein stolzes Herz hat, ebenso wenig, wie er den Lügner und den Betrüger dulden wird. Er wird bald all die Bösen im Lande vernichten und besonders die aus der Stadt Jehovas. Doch sie kannten seine Herrlichkeit nicht und kannten auch seine Gnade infolgedessen nicht. Doch hätten sie seinen heiligen gerechten Wegen gegenüber nicht blind sein sollen, aber der religiöse oder weltliche Mensch machte das Maß seiner Sünde voll, und er konnte dies wegen der Langmut Gottes tun.

Verse 28-40

Joh 18,28-40: Sie führen nun Jesus von Kajaphas in das Prätorium; es war aber frühmorgens. Und sie gingen nicht hinein in das Prätorium, auf dass sie sich nicht verunreinigten, sondern das Passah essen möchten. Pilatus ging nun zu ihnen hinaus und sprach: Welche Anklage bringet ihr wider diesen Menschen? Sie antworteten und sprachen zu ihm: Wenn dieser nicht ein Übeltäter wäre, würden wir ihn dir nicht überliefert haben. Da sprach Pilatus zu ihnen: Nehmet ihr ihn und richtet ihn nach eurem Gesetz. Da sprachen die Juden zu ihm: Es ist uns nicht erlaubt, jemand zu töten; auf dass das Wort Jesu erfüllt würde, das er sprach, andeutend, welches Todes er sterben sollte. Pilatus ging nun wieder hinein in das Prätorium und rief Jesus und sprach zu ihm: Bist du der König der Juden? Jesus antwortete [ihm]: Sagst du dies von dir selbst, oder haben dir andere von mir gesagt? Pilatus antwortete: Bin ich etwa ein Jude? Deine Nation und die Hohenpriester haben dich mir überliefert; was hast du getan? Jesus antwortete: Mein Reich ist nicht von dieser Welt; wenn mein Reich von dieser Welt wäre, so hätten meine Diener gekämpft, auf dass ich den Juden nicht überliefert würde; jetzt aber ist mein Reich nicht von hier. Da sprach Pilatus zu ihm: Also du bist ein König? Jesus antwortete: Du sagst es, dass ich ein König bin. Ich bin dazu geboren und dazu in die Welt gekommen, auf dass ich der Wahrheit Zeugnis gebe. Jeder, der aus der Wahrheit ist, hört meine Stimme. Pilatus spricht zu ihm: Was ist Wahrheit? Und als er dies gesagt hatte, ging er wieder zu den Juden hinaus und spricht zu ihnen: Ich finde keinerlei Schuld an ihm; ihr habt aber eine Gewohnheit, dass ich euch an dem Passah einen losgebe. Wollt ihr nun, dass ich euch den König der Juden losgebe? Da schrien wiederum alle und sagten: Nicht diesen, sondern den Barabbas! Barabbas aber war ein Räuber.

Die Tätigkeit des feindlichen Willens kennzeichnete die Juden, deren Eifer so groß war wie ihre engstirnige Genauigkeit und ihr Mangel an Gewissen. Spät und früh waren sie am Werk, von einem Hohenpriester zum anderen, und dann trieben sie Ihn zu dem römischen Statthalter. Sie hatten ihren Sinn auf das Blut des Messias gerichtet und hatten doch Skrupel, in das Prätorium einzutreten; sie durften sich nicht verunreinigen, weil sie das Passah essen wollten und das noch nicht getan hatten. Sie dachten wenig daran, dass sie sich um den Tod des wahren Passahlamms bemühten und dass sie so in schuldigem Unglauben die Stimme des Gesetzes zu ihrem eigenen Verderben erfüllten, wie auch immer Gottes Absicht mit seinem Tod war. Der hartherzige Heide scheint auf den ersten Blick nett und gerecht, verglichen mit dem auserwählten: Wir werden sehen, wie am Ende Satan einen Weg fand, um seine Ungerechtigkeit zu erregen und ihn, ebenso wie sie, in hoffnungslose Sünde zu bringen, indem er auch Christus verwarf. Pilatus fühlte, dass das kein richtiger Fall für ihn war, und er fragt nach einem greifbaren Anklagepunkt (Joh 18,29). Sie weichen dem Mangel an einem solchen Anklagepunkt aus, indem sie sich leidenschaftlich oder auch wirklich bei seiner Frage entrüsten, als wenn sie nicht ungerecht sein könnten (Joh 18,30). Der Statthalter hätte gerne seine Verantwortung auf die Juden geschoben, die ihren eigenen vorher schon gefassten Beschluss verraten. Jesus muss sterben; und da der Tod aus ihren Händen nicht nach dem Gesetz war, musste er durch die Hand gesetzloser Menschen erfolgen. Er musste den Tod am Kreuz sterben. So musste das Wort Jesu erfüllt werden, das Er sprach, andeutend, welchen Todes er sterben würde (Joh 18,32). Vergleiche Johannes 3,15; 8,28; 12,32.33 (Petrus); 21,18.19; auch Matthäus 16,21; 17,22.23

Stephanus mochte von den Juden in einem Ausbruch religiöser Raserei gesteinigt werden, Jakobus mochte mit dem Schwert des Herodes enthauptet werden, aber der Sohn des Menschen musste durch die jüdischen Hohenpriester und Schriftgelehrten verurteilt und durch die Heiden gekreuzigt werden. „Denn in dieser Stadt versammelten sich in Wahrheit wider deinen heiligen Knecht Jesus, den du gesalbt hast, sowohl Herodes als Pontius Pilatus mit den Nationen und den Völkern Israels, alles zu tun, was deine Hand und dein Ratschluss zuvorbestimmt hat, dass es geschehen sollte“ ( Apg 4,27.28). Der Mensch im Allgemeinen müsste seine Schuld bis zum höchsten Maß beweisen, und das göttliche Wort musste buchstäblich erfüllt werden, das Gott selbst (wir können sagen in der Person seines Sohnes) in der Schande seiner von seiner eigenen Erde herausgeworfen wurde; denn all dies und noch mehr lag in dem überlegten und schicksalhaften Akt. Und doch war darin die tiefste moralische Herrlichkeit. Jetzt war der Sohn des Menschen verherrlicht in Ihm. Auf der einen Seite stand Gehorsam bis zum Tod, absolute Ergebenheit, ein Leiden über alle Maßen sowohl für die Gerechtigkeit als auch für die Sünde; und auf der anderen Seite stand die Wahrheit, die Gerechtigkeit, die Gnade und die Majestät Gottes, die nicht nur gerechtfertigt wurden, sondern auch verherrlicht. Darin wurden auch Satans Macht und seine Ansprüche für ewig vernichtet, und eine vollkommene und bleibende Grundlage zur Ehre Gottes wurde zum Segen des Menschen und der Schöpfung im Allgemeinen gelegt. Das waren die Früchte des Sterbens Jesu am Kreuz. Wie unendlich ist die Verblendung der Mittel, die gebraucht wurden! Wie gering ist die Einsicht sogar bei den am meisten begünstigten Objekten! Wie gelobt sei der Vater und der Sohn der in Liebe und Heiligkeit trotz all dem, das alles vollbrachte.

Der Römer (dessen charakteristischer gesunder Menschenverstand durch den Neid und die Bosheit der Juden hindurchschaute und der alle ängstliche Besorgnis im Hinblick auf die Ehre des Kaisers ablehnte) trat wieder in das Prätorium, redete den Herrn an und fragte: „Bist du der König der Juden?“ Der, der vor dem Hohenpriester geschwiegen hatte, bis Er bei dem lebendigen Gott beschworen wurde, antwortete Pilatus mit einer Gegenfrage: „Sagst du dies von dir selbst, oder haben dir andere von mir gesagt?“ (Joh 18,33.34). Das war der Wendepunkt. Wenn der Statthalter hinsichtlich der Rechte und Interessen des Kaisers in Unruhe gewesen wäre, hätte der Herr zum vollkommenen Gegenbeweis und zur Beruhigung auf sein einmaliges Leben hinweisen können, wie in Johannes 6,15 und auf seine einwandfreie Lehre wie in Lukas 20,25. Aber wenn alles, wie der Fall wirklich war, nur von den Juden ausging (Lk 23,2), so hatte der Herr nichts als die Wahrheit angesichts des Unglaubens und Ableugnens Israels zu sagen; Er hatte nichts zu tun, als „das gute Bekenntnis“ vor Pilatus abzulegen, und das tut Er mit aller Einfachheit.

Die Antwort des Statthalters macht deutlich, was schon sicher war, nämlich dass der wahre Sohn Davids von dem Juden, der hinsichtlich der einen göttlichen Hoffnung der Nation völlig falschlag, verworfen wurde. „Bin ich etwa ein Jude?“, sagte er. „Deine Nation und die Hohenpriester haben dich mir überliefert; was hast du getan?“ Nichts, gegen das irgendein Gesetz spricht: Jedes Wort, jede Tat bezeugte Gott. Er sprach, Er war die Wahrheit, die nicht nur den Menschen bloßstellte, sondern auch den Vater offenbarte; und beides war unerträglich. Sie wollten nichts mit Ihm zu tun haben; nicht weil Er nicht jeden möglichen Beweis eines Messiasseins gab, sondern weil Er sie vor das Angesicht Gottes stellte und sie mit ihren Sünden konfrontierte, von welchem Zeugnis es kein Entrinnen gab außer der Verwerfung von Ihm selbst. Von daher kommt die allumfassende Bedeutung von dem, worum es hier geht. Volk und Hohepriester zugleich verwarfen ihren eigenen Messias; und Er beugte sich diesem. Tiefere Dinge entwickelten sich in der Zwischenzeit; und die unendliche Herrlichkeit seiner Person, die schon von den Jüngern bekannt worden war, ebenso wie sein Werk ewiger Erlösung, sollten in dem Evangelium verkündigt werden und die jüdischen Hoffnungen beiseiterücken. Denn das Versammeln der zerstreuten Kinder Gottes in eins sollte die verstoßene Nation ersetzen, bis sie am Ende der Zeit sagen werden: Gepriesen sei, der da kommt im Namen des Herrn. Dann werden sie wiederum und für ewig der lange verworfene Jesus als sein Eigen nennen, und Er wird sie unerschütterlich segnen und sie zu einem Segen für alle Familien machen.

Deshalb antwortete Jesus: „Mein Reich ist nicht von dieser Welt, wenn mein Reich von dieser Welt wäre, so hätten meine Diener gekämpft, auf das ich nicht den Juden überliefert würde, jetzt ist aber mein Reich nicht von hier“ (Joh 18,36). Wenn die Juden Buße tun und der Herr in Macht und Herrlichkeit wiederkommt, wird Er nicht nur vom Himmel in flammendem Feuer als der offenbart werden, der Rache nimmt, sondern Jerusalem wird zu einem Laststein für alle Völker werden, denn er spannt Juda für Ihn und füllt den Bogen mit Ephraim. Aber hier haben wir das Christentum, das vor jenem Tag eingeführt worden ist mit seinem Reich, das nicht von dieser Welt ist, auch nicht von hier, sondern vom Himmel ist, wo alles von dem verworfenen, aber verherrlichten Christus erfüllt ist und entsprechend der offenbarten Erkenntnis von dem Vater dasteht, während die Juden als solche außerhalb sind und offenbare Feinde sind.

Der Statthalter, der zufrieden darüber war, dass politisch nichts zu befürchten war, konnte nur eine Anklage vernehmen, die für seinen Verstand unbegreiflich war. „Also du bist ein König?“ Das konnte der Herr nicht leugnen. Es war die Wahrheit, und Er bekannte sie, was auch immer es kosten mochte. Aber nachdem Er das getan hatte, legt Er dar, was jetzt der Fall ist. „Du sagst es, das ich ein König bin. Ich bin dazu geboren und dazu in die Welt gekommen, auf dass ich der Wahrheit Zeugnis gebe.“ Das Gesetz wurde durch Mose gegeben, und Jesus wurde als der König der Juden geboren. Aber Er war sich einer anderen und höheren Herrlichkeit bewusst, die mit seiner Person als Sohn Gottes verbunden war: Die Gnade und die Wahrheit ist durch Jesus Christus geworden. „Jeder, der aus der Wahrheit ist, hört meine Stimme.“ Wie ernst und wie unwandelbar war das Zeugnis! Die Juden eiferten um das Gesetz, nicht weil es von Gott war, sondern weil es ihr Gesetz war; die Römer suchten diese Welt und ihre Macht. Sie waren beide blind für das Ewige und Unsichtbare. Und Jesus war die Wahrheit sowohl als auch der treue und wahrhaftige Zeuge der Wahrheit.

Es mag einigen helfen, hier zu bemerken, dass „König seiner Kirche“, die besonders beliebte Idee der puritanischen Theologie, nicht nur unbegründet, sondern auch dem ganzen Zeugnis der Schrift entgegengesetzt ist. Sogar „König der Heiligen“ Text. Rec. von Offenbarung 15,3 muss von allen verneint werden, die die beste Leseart kennen. Es sollte heißen „der Nationen“, wenn auch „der Zeitalter“ ausgezeichnet begründet werden kann. Was immer von diesen angenommen wird, so ist es doch gewiss, dass es für „der Heiligen“ wenig Anhaltspunkte gibt, da das auch der Schrift und dem Geist Christi in ihr fremd ist. „Der Nationen“ scheint klar aus Jeremia 10,7 entnommen zu sein und stimmt voll damit überein. Christus ist König Israels in Zion; als Sohn des Menschen werden alle Völker und Nationen und Zungen Ihm dienen; als Jehova wird Er König über die ganze Erde sein. Aber sogar als Haupt ist Er, wie geschrieben steht, „der Versammlung“ als seinem Leib „und über alles“; niemals über die Versammlung, wie Menschen gesagt haben, die seine offenbarten Beziehungen missverstehen.

Er fügt etwas hinzu, was für die Ohren der Menschen und besonders für ein römisches Ohr sehr seltsam klingt: „Jeder der aus der Wahrheit ist, hört meine Stimme.“ Wenn ein Mensch Ihn nicht hörte, so war er nicht aus der Wahrheit. Wie konnte es anders sein, wenn Er der eingeborene Sohn war, der doch Mensch auf Erden war? Wozu konnte solch einer kommen, außer zu diesem Zweck, wenn Er in Gnade kam und nicht in Gericht?

Und Pilatus wendet sich mit einem „Was ist Wahrheit?“ wieder an die Juden. Er suchte nicht ernsthaft eine Antwort: Nur ein erwachtes Gewissen tut das; und Gnade, wenn sie das Verlangen in dem Sünder weckt, gibt die Antwort des Guten von Gott. Nicht so bei Pilatus, der dies gesagt hat und sich dann wieder zu den Juden wandte und sprach: „Ich finde keine Schuld an ihm“; und er schlug als Lösung der Schwierigkeit die allgemein übliche Amnestie eines Gefangenen zu dem Fest vor und bot ihnen an, ihren König freizulassen. Aber dies erst bringt die Tiefe ihres Hasses zum Vorschein, und sie alle schreien: „Nicht diesen, sondern den Barabbas!“ Nun war Barabbas, wie der Evangelist hinzufügt, ein Räuber. So wählten die Juden Satans „Sohn des Vaters“ (denn das bedeutet der Name). Wie klar ist es, dass der Mensch, der Jesus verwirft, Satans Sklave ist!

Aber die Juden sind in ihrem Unglauben noch waghalsiger böse als der finstere heidnische Statthalter. Er, wie die Übrigen der Welt, wusste nichts von der „Wahrheit“; sie hatten reichlich genug Spekulationen, eine so wenig befriedigend wie die andere, und sie hatten keine gewisse Wahrheit, am wenigsten über Gott. Die Juden wussten es besser; und der Herr zwang sie zu hören, was sie nicht leugnen konnten, sondern was sie nicht aufnehmen wollten. Deshalb endete alles im Augenblick in ihrem Hass gegen Ihn bis zum Kreuz und in ihrem anerkannten Vorziehen eines Räubers und eines Mörders. Kein Fleisch soll sich in seiner Gegenwart rühmen.

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