Der gegenwärtige und der zukünftige Zeitlauf (2)
Das von den Zeitaltern her verborgene Geheimnis

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© SoundWords, online seit: 17.08.2006, aktualisiert: 06.11.2023

Leitverse: Epheser 3,1-10; Kolosser 1,14-27

2. Das von den Zeitaltern her verborgene Geheimnis, die Versammlung, befindet sich im Alten Testament nur in Schatten und Bildern

Die Versammlung ist „das Geheimnis des Christus, das in anderen Geschlechtern den Söhnen der Menschen nicht kundgemacht worden, wie es jetzt seinen heiligen Aposteln und Propheten durch den Geist offenbart worden ist, dass nämlich die Nationen Miterben und ein Teil ein und desselben Leibes, und mitteilhaftig seiner Verheißung in dem Christus durch das Evangelium sein sollten … das Geheimnis, das von den Zeitaltern her verborgen war in Gott“ (Eph 3,1-10; Kol 1,14-27).

Man kann fragen, ob denn der Gegenstand dieses Geheimnisses nicht einfach die Berufung der Heiden sei? Nein, denn die einfache Tatsache, dass Heiden zur Erkenntnis Gottes berufen werden, ist kein im Alten Testament verborgenes Geheimnis, denn man findet darin oft Erklärungen wie folgende: „Er spricht: Es ist zu gering, dass du mein Knecht seiest, um die Stämme Jakobs aufzurichten und die Bewahrten von Israel zurückzubringen; ich habe dich auch zum Licht der Nationen gesetzt, um mein Heil zu sein bis an das Ende der Erde“ (Jes 49,6). „Es werden eingedenk werden und zum HERRN umkehren alle Enden der Erde; und vor dir werden niederfallen alle Geschlechter der Nationen“ (Ps 22,28). Eine so klar offenbarte Tatsache ist kein verborgenes Geheimnis. Hingegen die Berufung einiger Auserwählter aus den Nationen, um mit einigen aus den Juden „Miterben und ein Teil ein und desselben Leibes und mitteilhaftig seiner Verheißung in dem Christus durch das Evangelium“ (Eph 3,6.10), zu sein; „Christus in euch, die Hoffnung der Herrlichkeit“; ein neuer Mensch, wo nicht ist „Grieche und Jude, sondern alles und in allem – Christus“ (Kol 1,27; 3,10.11); – dies ist das Geheimnis, das den Heiligen und Propheten des Alten Testamentes unbekannt war. Und wenn wir aufmerksam erforschen, was jene von der Berufung der Heiden gesagt haben, so werden wir unter anderem sehen, dass sie immer von ganzen Nationen sprechen, von Nationen als Nationen, mit ihren Fürsten und Königen; wir werden sehen, dass, obschon diese Nationen Gott kennen und an seinen Segnungen teilhaben, sie dennoch eine von Israel sich unterscheidende Stellung einnehmen; wir werden sehen, dass sich diese Nationen infolge von schrecklichen Gerichten, die der Herr über sie ausübt, bekehren. Dies alles sind aber Dinge, die nicht die Versammlung betreffen. Wir haben auch schon bemerkt, dass der Kultus dieser bekehrten Nationen nicht der der Versammlung ist. So ist es also nicht eigentlich und insbesondere die Berufung von Heiden zur Versammlung, von der die Propheten gesprochen haben – diese war für sie ein Geheimnis.

Warum aber wenden denn die Apostel auf die Versammlung solche Stellen der Propheten an, die von der Berufung der Heiden sprechen? Ohne Zweifel deshalb, weil die besondere Berufung einiger Heiden, mit einigen Juden einen und denselben Leib zu bilden – den durch seinen Geist belebten Leib –, eine besondere Tatsache ist, die in der allgemeinen Tatsache der Berufung der Heiden enthalten ist, wie die Erstlinge in der Ernte enthalten waren (5Mo 26). Denn wenn es Erstlinge gibt (Off 14,1-4), so sind wir himmlische Erstlinge, wir, die wir „zuvor auf Christus gehofft“ haben (Eph 1,12; Jak 1,18).

Wir sind in gewisser Beziehung diese Garbe und dieser Fruchtkorb, die der fromme Israelit auf seinem Feld sammelte, um sie Gott im Tempel darzubringen. Die in den letzten Tagen bekehrten Israeliten und Heiden hingegen sind die Ernte. Das, was man von der Ernte sagen konnte, konnte man auch in vielen Beziehungen von den Erstlingen sagen. Die einen wie die anderen wuchsen auf demselben Boden, unter demselben Regen und unter derselben Sonne; in anderen Beziehungen waren sie verschieden, denn die Erstlinge wurden vor der Ernte eingesammelt und gehörten Gott; die Ernte hingegen gehörte dem Volk. So kann auch vieles, was von den in den letzten Tagen bekehrten Israeliten und Heiden gesagt ist, von der Versammlung gesagt werden. Es sind dieselben Sünder, die durch denselben Namen errettet sind, „denn es ist den Menschen kein anderer Name gegeben, durch den sie können errettet werden“ (Apg 4,11). Sie sind in demselben Blut gewaschen; denn der offene Born, der einst dem Haus David und den Bürgern zu Jerusalem wider die Sünde und Unreinigkeit eröffnet wird, ist dasselbe Blut, das heute von aller Sünde den reinigt, welcher daran glaubt (Sach 13,1; 1Joh 1,7).

Kurz: Wir sind jetzt, so wie es auch Israel und die Nationen sein werden, kraft eines Gnadenbundes errettet, indem Gott unserer Sünden nicht mehr gedenkt und die Ungerechtigkeiten vergibt, und nicht kraft des Bundes vom Sinai, der niemand errettet hat. Dies sind allerdings Ähnlichkeiten, aber es gibt auch Verschiedenheiten, wie wir schon gesehen haben, wie zum Beispiel, dass die Versammlung vor der Bekehrung Israels und der Nationen gesammelt wird. Die Versammlung ist mit geistlichen und himmlischen Segnungen gesegnet, Israel und die Nationen mit irdischen Segnungen.

In allen diesen Beziehungen könnte man von der Versammlung nicht sagen, was von Israel und den Nationen gesagt ist. Wenn man die von den Aposteln angeführten Stellen in den Propheten selbst liest im Zusammenhang mit dem, was vor- und nachher steht, so wird man gewöhnlich Einzelheiten finden, die unmöglich auf die Versammlung Bezug haben können; sie sind nur einerseits auf sie anwendbar; und von dieser einen Seite betrachten sie die Apostel, weshalb sie sie anführen.

In Römer 15 zum Beispiel wendet Paulus auf die Versammlung Stellen an, die Bezug auf die Berufung der Nationen haben, weil die Versammlung ein Pfand und ein Anfang dieser Berufung ist. Man sieht darin diese Berufung, wie der Bürger Jerusalems in der Darbringung der Erstlinge das Pfand der Ernte sah.

Wenn der Apostel den Hebräern im 8. Kapitel (Heb 8,8-12) Jeremia 31,31-34 anführt, so ist sein Zweck, zu zeigen, dass, da der Bund des Sinai nichts zur Vollkommenheit bringen konnte, ein anderer Bund, der Bund der unbedingten Gnade, eingeführt werden musste. Da nun sowohl der Bund des zukünftigen Zeitlaufes mit Israel als der jetzige mit der Versammlung ein solcher ist,[1] so konnte sich der Apostel bei dieser Gelegenheit der Worte des Propheten bedienen. Wenn der Apostel diese Stelle in Hebräer 10,16.17 wieder anführt, so geschieht es, um zu zeigen, dass, da eine unbedingte Vergebung angekündigt und verheißen ist, notwendigerweise auch ein großes und vollkommenes Opfer, wie das des Herrn Jesus, diese Vergebung erwirkt haben müsse. Dies ist nun, wie wir schon gesehen haben, gleich wahr von dem Bund Gottes mit der Versammlung wie von dem Bund mit Israel in den letzten Zeiten. Liest man aber diese Worte in Jeremia selbst in Verbindung mit dem, was vor- und nachher folgt, so wird man bald sehen, dass sie sich nicht eigentlich auf die Versammlung beziehen. „Ich werde mit dem Haus Israel und mit dem Haus Juda einen neuen Bund machen“ – wir sind weder das eine noch das andere; – „nicht nach dem Bund, den ich mit ihren Vätern machte, da ich sie bei der Hand nahm, um sie aus Ägyptenland zu führen.“ Gott hat aber unsere Väter weder aus Ägyptenland geführt noch einen Bund mit ihnen gemacht – wir, die wir Sünder aus den Nationen sind, von denen im Gegenteil gesagt ist, dass wir „entfremdet dem Bürgerrecht Israels waren und Fremdlinge in Betreff der Bündnisse der Verheißung“ (Eph 2,11.12). In diesem Bund verheißt Gott ferner, dass Jerusalem wieder gebaut werde „vom Turm Hananeel an bis ans Ecktor. Und die Richtschnur wird vor demselben weiter hinausgehen bis an den Hügel Gareb und sich gen Goath wenden, und das ganze Tal der Leichen und Asche, samt allen Feldern bis an den Bach Kidron bis zu der Ecke am Rosstor gegen Morgen, wird dem Herrn heilig sein, dass es nimmermehr ausgerissen noch abgebrochen werden soll.“ Wie kann man dies alles auf die Versammlung anwenden?

Lasst uns aber unsere Forschungen fortsetzen, indem wir als Beispiele einige Stellen der Propheten nehmen, in denen man mit dem meisten Grund erwarten könnte, die Versammlung zu finden; und wir wollen sehen, ob sie wirklich darin zu finden ist oder ob diese Stellen sogar die Versicherung des Paulus bestätigen, dass es nämlich ein Geheimnis sei, das in früheren Zeitaltern den Menschenkindern nicht offenbart worden sei.

  • Die Verheißung, die Gott dem Abraham gab, dass in seinem Samen alle Völker der Erde gesegnet werden sollen (1Mo 12,3; 22,18; 28,14), ist in einem Sinne auf die Versammlung angewendet (Gal 3,8 usw.); doch ist sie es immerhin nur insofern, als die Versammlung die Erstlinge der Bekehrung der Welt ausmacht und nicht in einem bestimmten und unbedingten Sinn. In der Versammlung ist es auf hundert oder tausend Familien eine, die im Samen Abrahams gesegnet ist, und nicht alle Familien der Erde, und sie werden es in Zukunft ebenso wenig sein wie jetzt, weil „die bösen Menschen und Betrüger im Bösen fortschreiten werden, verführend und verführt werdend“, bis der Abfall kommt und der Mensch der Sünde, der der Herr selbst durch die Erscheinung seiner Ankunft vernichten wird (2Tim 3,13; 2Thes 2,3-8). Wenn aber Gott sagt: „Alle Familien der Erde“, so sind es auch alle diese Familien und nicht eine kleine Anzahl aus ihnen. Dieses Wort hat also seine völlige Erfüllung nicht in der Versammlung; es wird sie aber dann haben, wenn die Versammlung hinweggerückt, wenn der Boshaftige vernichtet und „die Erde mit der Erkenntnis des Herrn bedeckt sein wird, wie Wasser den Meeresgrund bedeckt“ (Jes 11,4-9).

  • Und wenn der Herr sagt, „dass Abraham seinen Tag sah und sich freute“ (Joh 13,56), so will Er nicht von seiner ersten Ankunft in der Niedrigkeit sprechen. Wie hätte sich der Vater der Gläubigen freuen können, seinen Herrn durch seine ungläubigen Nachkommen verworfen und gekreuzigt und diese, infolge ihres Unglaubens, von Gott verworfen und auf der ganzen Erde zerstreut zu sehen und ihr Land verflucht und öde? Dies aber ist die Bestimmung Israels während der Dauer der Versammlung hier unten. Der Tag Christi hingegen, den Abraham und alle Väter und alle Propheten von ferne gesehen haben und ihn mit Frohlocken begrüßten, nennt das Wort Gottes immer mit diesem Namen (2Kor 1,14; 2Thes 2,1) – die Zeit seines herrlichen Reiches. An diesem Tag werden nicht nur alle Nationen der Erde im Samen Abrahams gesegnet sein (Sach 8,13.20-23; Ps 72,17), sondern er wird auch noch vermehrt werden wie die Sterne des Himmels und wie der Sand am Meer (Jes 27,6; Jer 31,27; 33,22; Hes 36,9-11.37.38).

  • Wenn Jakob auf seinem Sterbebett weissagt, „dass dem Schilo die Völker anhangen werden“ (1Mo 49,10), so spricht er nicht von der Versammlung, sondern von den Völkern, welche sich in den letzten Tagen wider Jerusalem sammeln werden, um es zu zerstören, und in der Wirklichkeit aber vom Herrn gerichtet und dann gesegnet werden – eine Tatsache, von welcher die Propheten oft reden (Jes 46,18; Joel 3,2.11; Zeph 3,8-9; Sach 14; Mich 4,11-13; Mt 25,31 usw.; Off 19,17-21).

    Auf diese Sammlung und dieses Gericht der Völker bezieht sich auch Matthäus 25,31 usw., wo man mit Unrecht die Versammlung zu sehen glaubte, als wenn die schon gerecht gemachte, auferstandene und in den Himmel versetzte Versammlung mit den Bösen vor Gericht zu erscheinen hätte, um entweder ihre Verdammung oder ihre Lossprechung zu vernehmen, während doch gesagt wird, dass sie nicht in das Gericht kommt (Joh 5,24). Auch ist dies nicht das letzte Gericht, welches in Offenbarung 20,11.12 beschrieben ist (vgl. Mt 25,31.32 mit Joel 3,17 und Jer 3,17). Wenn dann die Völker wider Jerusalem versammelt sein werden, wird Juda wie ein Löwe rechts und links zerreißen (Mich 5,8; Sach 12,1-8). Dann oder doch bald nachher werden die Vorbilder irdischen Glückes, wie sie in 1. Mose 49,11.12, Joel 3,23, Amos 9,13 enthalten sind, verwirklicht werden. Diesen herrlichen Tag der Ankunft ihres Herrn, um sein Volk, die Kinder Jakobs, die Nachkommen Israels, zu erkaufen, erwarten die Erzväter.

  • Man könnte ähnliche Bemerkungen über die Weissagung Bileams machen (4Mo 23,11-14; 24,5-9.17-19), über das Lied Moses (5Mo 32,11-43), der Hanna (1Sam 2,1-11), Davids (2Sam 22–23), endlich über die meisten Gesänge des Alten Testamentes, welchen man noch die der Maria und des Zacharias beifügen kann (Lk 1,46-55.68-71). Diese Lobgesänge, welche in den besonderen Umständen derjenigen, die sie aussprachen, und sich teilweise auf diese Umstände beziehen, ihren Grund hatten, reichen gewöhnlich bis zur zweiten Ankunft des Herrn und zur Herstellung seines herrlichen Reiches, ohne sich bei Jesus, als Haupt der Versammlung, aufzuhalten.

  • Der zweite Psalm gibt uns ein auffallendes Beispiel hiervon, dass nämlich in den Offenbarungen des Alten Testamentes nicht von der Versammlung die Rede ist. „Warum toben die Völker und reden die Nationen Eitles? Die Fürsten ratschlagen miteinander wider den Herrn und seinen Gesalbten.“ – „Wahrlich, ja in dieser Stadt sind wider deinen heiligen Knecht Jesus, den du gesalbt hast, versammelt – Herodes und Pontius Pilatus, mit den Nationen und den Völkern Israels, um alles zu tun, was deine Hand und dein Ratschluss zuvor verkündigt hat, dass es geschehen solle“ (Apg 4,25-28). Dennoch haben diese Worte des Psalms wenigstens schon ihre erste Erfüllung in der Verwerfung des Herrn gehabt. Man hätte nun erwarten können, dass dieser Psalm im Folgenden von der Versammlung und ihrer Bestimmung spräche. Das wäre dann ein Verfolgen der Tatsache gewesen; aber tut er es?  Nein, gewiss nicht! Denn während der Zeit der Versammlung ist Jesus nicht König in Zion, indem es im Gegenteil die Zeit ist, wo Zion ohne König ist, eine Witwe und verlassen. In der Versammlung spricht Gott zu den Völkern nicht in seinem Zorn, und sein Sohn zerschlägt sie nicht mit eisernem Zepter und zerschmeißt sie nicht wie Töpfe. Da Israel seinen König verworfen hat und deshalb selbst verworfen ist, so hält Gott im Gegenteil seinen Zorn zurück, welcher, wenn er nach der Weissagung seinen Laut hätte, alsbald das Gericht der Erde herbeiführte. Er lässt eine Zeit der Geduld und der Gnade eintreten, während welcher Er jeden Menschen ohne Unterschied einlädt, sich zu bekehren und zu glauben, damit er errettet werde. Der Sohn seinerseits stößt niemand von sich, der zu Ihm kommt. Es ist die Zeit der Bildung der Versammlung, in diesem Psalm gänzlich mit Stillschweigen übergangen, und diese Weissagung wird erst dann wieder ihren Lauf und ihre völlige Erfüllung bekommen, wenn die christianisierten Völker selbst, indem sie die Gnade Gottes mit Füßen treten, sich aufs Neue gegen den Herrn unter der Anführung des Antichristen verbinden werden. Dann wird Gott im Zorn mit ihnen reden, seinen König in Zion einsetzen und Ihm alle Reiche der Welt zum Erbe geben (Off 11,15; 19,11 usw.; Ps 2,26.27).

  • Der Psalm 60 gibt zu ähnlichen Bemerkungen Veranlassung. Es sind achtzehnhundert Jahre vergangen, seit das erste Wort dieses Psalms durch die Himmelfahrt Jesu und durch sein Sitzen zur Rechten des Vaters erfüllt ist; während der übrige Teil seine Erfüllung noch erwartet. Ohne Zweifel ist Jesus jetzt schon unser großer Hohepriester, aber Er bringt jetzt das Opferblut hinter dem Vorhang dar, innerhalb des Allerheiligsten, wo Er unsichtbar ist und aus welchem Er noch nicht herausgekommen ist, um sein Volk zu segnen; Er ist, mit einem Wort, als der wahre Melchisedek, Priester und König, welcher Gerechtigkeit und Friede auf der Erde regieren macht, nicht offenbart worden. Um dies auszurichten, muss Er zuerst alles voll Erschlagene machen und das Haupt, welches über ein großes Volk herrscht, vernichten, wie es in 5. Mose 32,42 steht: „Ich will meine Pfeile trunken machen … mit dem Blut der Erschlagenen; vom Haupt an soll am Feind gerächt werden.“ Er muss endlich die zunichtemachen, welche die Erde verderben, was Er in der gegenwärtigen Zeit nicht tut, indem Er den größten Sünder einlädt, zu Ihm zu kommen, um das Leben zu haben. So geht also der Prophet unmittelbar von der Himmelfahrt Jesu auf seine herrliche Wiederkunft, um sein Reich auf der Erde aufzurichten, über und sagt nichts von der Versammlung, welche den Zwischenraum zwischen diesen beiden Ereignissen ausfüllt.

  • Auch Psalm 8 hat eine anfängliche Erfüllung gehabt, als die Menge, welche dem Herrn Jesus nachfolgte, sowie die Kinder schrien: „Hosianna, dem Sohne Davids!“ (Mt 21,8-16). Damals war das Reich gleichsam auf dem Weg, sich zu gestalten; als aber die Obersten diese Huldigungen hinderten und sogar das Volk dahin trieben, den Tod dessen zu verlangen, der als ein sanftmütiger König zu ihm kam, da wurde das Reich auf eine noch zukünftige Zeit hinausgeschoben. „Wir sehen noch nicht alle Dinge ihm unterworfen“, sagt der Apostel den Hebräern (Heb 2,8). Dies wird erst erfüllt sein, wenn Jesus vom Himmel offenbart und wenn die Erde durch seine herrliche Gegenwart erneuert sein wird; dies ist der „zukünftige Erdkreis“ (Heb 2,5), hier durch den Psalmisten beschrieben, in welchem die ganze Schöpfung von dem Dienst der Eitelkeit befreit, den Herrn loben wird (Röm 8,20; Ps 148). Aber von der Versammlung, welche zwischen der Himmelfahrt Jesu und der Errichtung des zukünftigen Erdkreises entstanden ist, sagt der Psalmist nichts.

  • Jesaja 11. Die beiden ersten Verse bezeichnen offenbar den Herrn in seiner ersten Zukunft. Von da an bis zum fünften Vers ist er als der gerechte und getreue Richter dargestellt, was den Charakter seiner zweiten Ankunft ausmacht (Off 19,11). „Wenn er aber wiederkommt, so wird er die Sanftmütigen im Land mit Billigkeit richten, und die Erde mit dem Stab seines Mundes schlagen, und den Gottlosen mit dem Hauch seines Mundes verzehren“ (2Thes 2,8). Dann, weil Er seine Auserwählten, welche Tag und Nacht zu Ihm schreien, gerächt haben wird, wird man sagen können: „Ich habe einen Gottlosen, einen Gewalttreibenden gesehen, der sich ausbreitete wie ein grünender Lorbeerbaum; aber er ist vergangen und siehe er war dahin. Ich suchte ihn und er war nirgends zu finden“ (Ps 37,35.36). Die Sanftmütigen werden hingegen das Erdreich besitzen und sich am großen Frieden erfreuen (Ps 37,11). Dann wird endlich die Erde mit der Erkenntnis des Herrn bedeckt sein, wie der Meeresgrund von den Gewässern bedeckt ist, und die ganze Schöpfung wird erneuert sein. Es macht also auch hier die erste Ankunft des Herrn mit seiner zweiten nur eine aus, weil die zwischen diesen beiden Ankünften inneliegende Versammlung, welche den Zwischenraum ausfüllt, nicht erwähnt wird.

  • Untersuchen wir nun Daniel 9,24-27, ohne uns an dem Anfang dieser Prophezeiung, über welchen man gewöhnlich einig ist, aufzuhalten. Nach neunundsechzig Jahrwochen „wird der Messias ausgerottet werden, aber nicht um seinetwillen“, oder wie man auch übersetzen kann, „und er wird nichts haben“ (Jes 49,4.5). Dies ist erfüllt, wie man weiß. Nach diesem„wird ein Volk des Fürsten kommen“, das Volk des vierten Königreiches, aus welchem der kommende Fürst, nämlich der Antichrist, entstehen, „und die Stadt samt dem Heiligtum verwüsten wird“. Auch dies ist in der Zerstörung Jerusalems durch Titus erfüllt worden. Ist es nun möglich, die siebzigste Woche gleich nach der neunundsechzigsten folgen zu lassen? Schon die Zerstörung Jerusalems, welche nach der neunundsechzigsten Woche angeführt ist, obschon sie ungefähr vierzig Jahre nach dem Tod des Heilandes erfolgte, hat einen Zwischenraum zwischen diese beiden Wochen gebracht. Wenn man übrigens vielleicht sagen könnte, dass während dreieinhalb Jahren, welche auf den Tod Christi folgten, durch den Bund der Gnade die Vielen gestärkt wurden, welches ist dann das Schlacht- und Speisopfer, das abgetan wurde? Sind es die jüdischen Opfer? In der Absicht Gottes haben diese beim Tode Christi, der sie unnötig machte, aufgehört, was der im Tempel mitten entzweigerissene Vorhang andeutete; in Wirklichkeit aber haben sie bei der Zerstörung des Tempels, welche sie unmöglich machten, aufgehört; aber weder im einen noch im anderen Fall war es eine halbe Woche oder dreieinhalb Jahre nach dem Tod des Herrn. Unter „gräulichen Flügeln der Verwüstung“ versteht man gewöhnlich einen in den Tempel gesetzten Götzen. Das kann man aber nicht auf das Heer des Titus anwenden; denn der Tempel wurde gegen seinen Willen und ehe man ihn durch einen Götzen hätte verunreinigen können, verbrannt; und endlich fand dies nicht in der siebzigsten Woche statt. Demgemäß bleibt das, was von der siebzigsten Woche gesagt ist, unerklärbar, wenn man sie gleich auf die neunundsechzigste folgen lässt. Wenn man aber zwischen beiden Wochen die ganze Zeit der Versammlung annimmt – und wir haben gesehen, dass man es in mehreren anderen Stellen tun muss –, dann verschwinden viele Schwierigkeiten. Nach der neunundsechzigsten Woche ist der Messias ausgerottet worden, und der Augenblick, der die Segnungen über Israel hätte bringen sollen, wird der seiner Verwerfung. Da nun Israel von da an nicht mehr als das Volk Gottes auf der Erde anerkannt ist, so hört die Zeit auf, für dasselbe zu zählen. –

    „Das Ende wie durch eine Wasserflut, und die bestimmte Verwüstung bis zum Ende des Streites“ ist die Zerstörung Jerusalems, die Verwüstung, welche darauf gefolgt ist und welche nur mit Krieg endigen wird, der Streit, den der Herr mit seinem Volk hat. Es ist die „lange Zeit“, während welcher Israel „ohne König und ohne Teraphim sein wird“ (Hos 3,4). Es ist eben gerade die Zeit der Versammlung. Sobald aber die Versammlung in den Himmel eingegangen ist, so tritt Gott wieder mit seinem irdischen Volk in Verbindung, um es zuerst zu richten und dann zu segnen. Die Zeit fängt wieder an, für dasselbe zu zählen. Es ist die siebzigste Woche oder die Zeit des Antichristen; denn weil sie Jesus, der im Namen seines Vaters kam, nicht annahmen, so wird ein anderer in seinem eigenen Namen kommen, den sie aufnehmen werden. Während der ersten Hälfte dieser Woche oder dreieinhalb Jahre, wird dieser mit vielen in Israel, welche er durch Schmeichelworte gewinnt, einen starken Bund machen; aber in der zweiten Hälfte, wenn er die Maske abwirft und sich als Gott anbeten lassen will, wird er das beständige Opfer abtun, dessen Wiederherstellung er erlaubt hatte; und in demselben Tempel, wo Gott gedient werden sollte, setzt er das Bild des Tieres, einen Gräuel, der eine Quelle des Verderbens ist, weil alle die, welche sich weigern, es anzubeten, getötet werden, bis das „Verderben auf den Verderber trifft“, das heißt auf den Antichristen, welcher unter den Schlägen des Herrn selbst fällt. Dann erfüllen sich „an dem Volk und an der heiligen Stadt“ alle Segnungen, welche im 24. Vers angekündigt sind. Die beiden Hälften dieser letzten Woche sind dann diese Zeitabschnitte, welche in der Weissagung eine so große Rolle spielen, die eine Zeit, die zwei Zeiten und die halbe Zeit, die 1260 Tage und die 42 Monate (Dan 7,25; 12,7; Off 11,3; 12,6.14; 13,5).[2]

  • Was Joel 3,1-5a – in Apostelgeschichte 2,16-21 angeführt – betrifft, so genügt es, diese Worte zu lesen, um zu sehen, dass sie zu Pfingsten nicht ihre völlige Erfüllung hatten. Wenn dazumal eine Ausgießung des Geistes stattfand und demgemäß eine teilweise Erfüllung der Weissagung, so dass Petrus sagen konnte: „Dies ist durch den Propheten Joel gesagt worden“, so wurden doch keine Wunderzeichen am Himmel und auf Erden getan als Blut, Feuer, Rauch und Dampf, die Sonne in Finsternis verwandelt noch der Mond in Blut verkehrt, und vor allem ist der große und schreckliche Tag nicht gekommen. Was muss man daraus schließen? Dass diese sich auf die Herstellung des Reiches Christi beziehende Weissagung zur Zeit Petrus' nur eine anfängliche Erfüllung hatte, weil das dazumal dem Israel dargebotene Reich, das aber bald darauf von ihm zurückgestoßen wurde, der Versammlung Platz gemacht hat; und erst bei der Wiederkunft des Herrn wird diese Weissagung in Gang kommen und, wie das Reich selbst, ihre völlige Erfüllung haben. Dann werden wirklich Zeichen am Himmel und auf der Erde geschehen, der große und schreckliche Tag wird da sein, und eine Ausgießung des Geistes, welche für Israel der Herbstregen sein wird, wie die Pfingsten der Frühlingsregen war (Jes 13,6-13; 29,6; Hos 6,3; Sach 12,10 usw.). Dies wird auch die Erfüllung von Matthäus 24 und Offenbarung 6–20, sein.

Wenn man das verstanden hätte, so hätte man nicht im Propheten Daniel und in der Prophezeiung im Allgemeinen den Papst, Mohammed, die Gothen, Sarazenen, Attila, Karl den Großen, Napoleon, alle Könige und alle Revolutionen der neueren Geschichte gesucht. Man hätte auch nicht daran gedacht, das Jahr der Ankunft des Herrn zu bestimmen. Man hätte endlich nicht alle diese Systeme gesehen, welche schon so oft von den Tatsachen widerlegt, den Ungläubigen Veranlassung zum Spott geben und die Frommen von der Erforschung der Weissagung fernhalten.

  • Endlich führt man oft Amos 9,11.12, verglichen mit Apostelgeschichte 15,15-17 an, um zu beweisen, dass das wiederhergestellte Israel und die Versammlung ein Zusammenhängendes bilden. Wenn man im Propheten das darauf Folgende liest, so sieht man, dass in diesem Fall die Versammlung alle Völker und insbesondere Edom in Besitz erhalten müsste. Übrigens fassen wir die Worte Jakobus' recht ins Auge: „Gott hat zuerst die Nationen besucht“, und bringen wir sie in Verbindung mit „Darnach“, welchem im Propheten die Worte „Zu derselben Zeit“ entsprechen. Wir sehen, dass Jakobus, indem er durch den Heiligen Geist sprach, die Worte Hosea nicht auf die Versammlung anwendet, sondern auf die Wiederherstellung Israels. Er sagt: „Gott hat zuerst die Nationen besucht, um in seinem Namen ein Volk aus ihnen anzunehmen.“ Hiermit ist die Versammlung klar angekündigt und charakterisiert, aber Jakobus kündigt sie so an und nicht Hosea. Dann „Darnach“, nach der Zeit der Versammlung, „wird Gott die verfallene Hütte Davids wieder aufbauen usw.“ Dies ist die Wiederherstellung Israels. „Damit sie die Übrigen in Edom besitzen“, oder: „… damit die Übrigen der Menschen den Herrn suchen“, sagt der Apostel, welcher sich nicht bei den kriegerischen Unternehmungen Israels in den letzten Tagen aufhalten wollte, obschon es eine klar offenbarte Tatsache war, sondern vielmehr bei der Bekehrung der Völker durch den Dienst Israels.

Nein, die Versammlung, der Leib Christi, befindet sich nicht im Alten Testament oder doch nur in Christus darin, in welchen sie eingeschlossen und verborgen ist, wie Eva in Adam verborgen war, ehe Gott sie aus ihm herausgenommen hatte. Sie befindet sich nur in Schatten und Bildern darin:

  • Sie ist die jetzt aus der durchbrochenen Seite ihres Mannes herausgenommene Eva, während jener auf dem Thron seines Vaters ausruht, und welche Ihm bei seinem Erwachen, als herrliche Frau, ohne Flecken und Runzeln dargestellt wird, um mit Ihm über eine von Gott gesegnete Schöpfung zu regieren.

  • Sie ist Henoch, welcher hier unten durch den Glauben mit Gott wandelt, dann zu Ihm entrückt wird, ehe die Flut seines Zornes über einer von der Sünde erfüllten Erde überfließt.

  • Sie ist Rebekka, welche ein vom Vater gesandter himmlischer Elieser seinem viel geliebten Sohn zur Braut sucht, welche Er durch seine reichen Geschenke tröstet und durch die Wüste zur Wohnung ihres Gemahls leitet, welcher ihr entgegenkommt.

Aber das himmlische Geheimnis, welches in diesen rührenden Darstellungen enthalten ist, ist selbst denen verborgen geblieben, welche die Hauptpersonen dabei waren. Was die Propheten Israels klar und ohne ein Geheimnis daraus zu machen, verkündigen, sind „die auf Christus kommenden Leiden und die darauf folgenden Herrlichkeiten“ (1Pet 1,11). Dies ist das Reich, welches der Menschensohn bei seiner herrlichen Wiederkunft herstellen wird (Dan 2,44; 7,13.14.27), in welchem alle Reiche Ihm unterworfen und dienstbar sein werden; es ist das „Königreich Gottes“, weil der Herr dann König der ganzen Erde sein wird (Sach 14,9); das „Königreich der Himmel“, weil der, welcher es errichtet, vom Himmel kommt (Dan 7,13; Mt 26,64). Übrigens wird Er darin ebenso seine Herrlichkeit im allerhöchsten Himmel in seinen himmlischen Heiligen als auch in denjenigen, welche auf der Erde sein werden, offenbaren; – das „Königreich Israels“ (Apg 1,16), weil Israel den ersten Rang auf der Erde einnimmt, indem seine Söhne Fürsten auf der ganzen Erde sein werden (Mich 4,89), besonders weil derjenige, der dann regieren wird, der ist, dessen Wohlgefallen es war, sich der Welt als Sohn Davids zu offenbaren, und der sich dann wieder König Israels nennen wird (Jes 23,20-22; Zeph 3,14.15).


Originaltitel: „Der gegenwärtige und der zukünftige Zeitlauf“ 
aus Botschafter des Heils in Christo, Jg. 5, 1857, S. 28–39
aus dem Französischen übersetzt
von der Redaktion sprachlich leicht bearbeitet‚

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Anmerkungen

[1] Anmerkung des Herausgebers des Botschafters: Das Wort „Bund“ kann, nach meiner Meinung, weniger auf die Versammlung als solche, als auf die Gläubigen, als Volk betrachtet, angewandt werden. Siehe auch: „Stichwort: Der neue Bund“.

[2] Diese Unterbrechung in den Wegen Gottes in Bezug auf sein irdisches Volk entspricht dem Geheimnis der Versammlung und ist gleichsam ein Schlüssel zum Verständnis der Weissagung. Sie erklärt auch sehr gut das Schweigen der Weissagung in Bezug auf die Völker der Christenheit seit der Verwerfung Israels. Da Israel der Mittelpunkt der Absichten Gottes auf der Erde ist, so lässt Gott von den Nationen nur vom Gesichtspunkt ihrer näheren oder weiteren Beziehungen mit Israel weissagen. Da nun dieses Volk seit achtzehnhundert Jahren nicht mehr als Volk besteht, so schweigt die Weissagung seit dieser Zeit über die Bestimmungen der Nationen. Sie nimmt sie erst wieder auf, wenn sich diese Nationen wieder um Jerusalem sammeln, das heißt im Augenblick, wo sich Gott wieder zu Jerusalem wendet, um es durch das Gericht zu reinigen und um es dann in seine herrlichen Vorrechte wieder einzusetzen.

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Hinweis der Redaktion:

Die SoundWords-Redaktion ist für die Veröffentlichung des obenstehenden Artikels verantwortlich. Sie ist dadurch nicht notwendigerweise mit allen geäußerten Gedanken des Autors einverstanden (ausgenommen natürlich Artikel der Redaktion) noch möchte sie auf alle Gedanken und Praktiken verweisen, die der Autor an anderer Stelle vertritt. „Prüft aber alles, das Gute haltet fest“ (1Thes 5,21). – Siehe auch „In eigener Sache ...

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