Der Prophet Haggai
Der Bote und seine Botschaft

Hamilton Smith

© bibelkreis.ch, online seit: 31.01.2001, aktualisiert: 29.05.2022

Leitverse: Haggai 1 und 2

Einleitung

Der Prophet Haggai zeichnet sich dadurch aus, dass er „der Bote Gottes“ genannt wird und dass er in Tagen des Niederganges und äußerer Schwachheit „die Botschaft Gottes an das Volk“ ausrichtete. Seine Botschaften waren an Serubbabel, den Landpfleger von Juda, und an Josua, den Hohepriester, gerichtet, und sie lassen somit deutlich erkennen, dass der Prophet an den Überrest der Juden, die in den Tagen Kores, des Königs von Persien, zurückgekehrt waren, gesandt war, wie uns dies im Buch Esra berichtet wird (Esra 3,2).

Um die Bedeutung dieser Botschaften zu verstehen, ist es nötig, uns die besonderen Umstände dieses Überrestes ins Gedächtnis zu rufen. Siebzig Jahre vor ihrer Rückkehr hatte der Prophet Jeremia, der in den letzten Tagen des Königreiches Juda lebte, prophezeit, dass das Gericht über die Nation kommen würde. Wegen ihrer Bosheit würden sie in die Gefangenschaft nach Babylon geführt und ihr Land würde zur Wüste werden. Nichtsdestoweniger wurde prophezeit, dass Gott sie nach siebzig Jahren veranlassen würde, in ihr Land zurückzukehren (Jer 25,12; 29,10; Dan 9,2.3). Die Geschichte dieser Rückkehr ist im Buch Esra beschrieben, das mit dem ersten Jahr Kores’, des Königs von Persien, siebzig Jahre nach der Gefangenschaft, beginnt. In dieser Zeit, damit das Wort Gottes aus dem Munde Jeremias erfüllt würde, erweckte Gott den Geist Kores’, der einen Ruf an das Volk Gottes ergehen ließ, indem er sie in Freiheit setzte, damit sie ins Land zurückkehren, um das Haus Gottes, des Gottes Israels, zu bauen (Esra 1,3).

Dieser Ruf wurde ein Prüfstein hinsichtlich des moralischen Zustandes des Volkes Gottes. Einerseits warf er die Frage auf, ob ihre Zuneigungen so auf ihr Land, ihren Gott und das Haus Gottes gerichtet waren, dass sie im einfältigen Glauben bereit waren, den Übungen, den Schwierigkeiten, dem Widerstand und der Schmach die Stirn zu bieten, um den Gedanken Gottes zu entsprechen und um seinen Willen auszuführen. Oder andererseits, zogen sie es vor, in Babylon mit seiner Gemütlichkeit und seinem materiellen Wohlstand zu bleiben? Leider bevorzugte die große Mehrheit des Volkes Gottes in den gemütlichen Umständen der demütigenden Gefangenschaft zu bleiben, anstatt den Übungen und Schmähungen, die die Ausführung des Willens Gottes mit sich bringt, die Stirn zu bieten.

Um sich die Bedeutung des Aufrufs, das Haus Gottes zu bauen, zu vergegenwärtigen, ist es gut, uns den großen Platz, den das Haus Gottes in den Ratschlüssen und Wegen Gottes hat, in Erinnerung zu rufen. Die erste Erwähnung des Hauses Gottes finden wir in 1. Mose 28,17; die letzte in Offenbarung 21,3. Vom ersten bis zum letzten Buch – von der jetzigen Schöpfung in der Zeit bis zu den neuen Himmeln und der neuen Erde in der Ewigkeit – hat nach dem Ratschluss Gottes das Haus Gottes einen sehr großen Platz. Die Zusammensetzung des Hauses Gottes mag während der verschiedenen Perioden unterschiedlich sein – zur Zeit des Alten Testamentes war es aus Brettern und Vorhängen gebildet und später aus Steinen, während es heute aus Gläubigen oder „lebendigen Steinen“ erbaut wird. Doch der Zweck des Hauses ist immer derselbe, nämlich, einen Wohnort für Gott inmitten der Menschen zu bilden.

Folglich muss alles im Hause Gottes charakterisierend für und in Übereinstimmung mit dem Einen sein, der in diesem Hause wohnt. Das erste charakteristische Kennzeichen des Hauses Gottes ist Heiligkeit, wie wir dies in Psalm 93,5 lesen: „Deinem Hause geziemt Heiligkeit, Gott, auf immerdar.“ Ein weiteres Kennzeichen ist, dass jeder im Hause Gottes von Gott abhängig sein und sich seinem Willen unterwerfen muss. Diese Abhängigkeit findet ihren Ausdruck im Gebet; so lesen wir: „Denn mein Haus wird ein Bethaus genannt werden für alle Völker“ (Jes 56,7). Ferner, wenn im Hause Gottes alle von Gott abhängig sind, dann werden alle in diesem Hause durch Gott gesegnet werden, und das Haus, in welchem der Mensch Segen empfängt, wird der Ort sein, an dem Gott angebetet wird.

Wir lernen somit aus der Schrift, dass es der Wunsch Gottes ist, inmitten seines Volkes zu wohnen, und dass seine Wohnung durch Heiligkeit, durch Abhängigkeit von Gott und Unterwerfung gegenüber Gott, durch Segnung des Menschen und Anbetung Gottes gekennzeichnet ist.

In Verbindung mit diesen großen Wahrheiten und hinsichtlich des Aufbaus des Hauses Gottes wurde ein Überrest aus dem Verderben Babylons befreit und in das Land Gottes zurückgebracht. Der Ruf des Kores macht deutlich, dass er beauftragt war, Gott in Jerusalem ein Haus zu bauen. Sein Aufruf an jeden unter dem Volk Gottes lautete, „hinaufzuziehen nach Jerusalem … – und das Haus Gottes, des Gottes Israels, zu bauen“. Diejenigen, die in der Gefangenschaft blieben, wurden ermahnt, mit „freiwilligen Gaben für das Haus Gottes in Jerusalem“ zu helfen. Als Antwort auf diesen Aufruf bildete sich ein Überrest, „dessen Geist Gott erweckte, hinaufzuziehen, um das Haus Gottes in Jerusalem zu bauen“ (Esra 1,1-5).

Mit diesen Schriftstellen vor uns wird es völlig klar, dass der eine große Gegenstand, weshalb der Überrest in Freiheit gesetzt wurde und in das Land Gottes zurückkehrte, der war, „das Haus Gottes in Jerusalem zu bauen“. Von diesem, wie es gesagt worden ist, „hing ihr ganzes Schicksal ab, und in dem Maße, wie es betrieben oder vernachlässigt wurde, nahm ihre Wohlfahrt ab oder zu“.

Jedoch, wie immer in der Geschichte des Volkes Gottes, wurde die Erfahrung gemacht, dass, was auch immer der Wille Gottes für den Augenblick gewesen ist, dies gleichzeitig auch immer der besondere Gegenstand des Angriffes des Feindes war. Ebenso erfuhr es der zurückgekehrte Überrest in seinen Tagen. Zwei Jahre nach ihrer Ankunft in Jerusalem begannen sie mit dem besonderen Werk, welches zu tun sie ins Land zurückgebracht wurden; so lesen wir, dass sie das Werk am Hause Gottes taten und den Grund zum Tempel Gottes legten (Esra 3,8-10). Während zwei Jahren hatte der Feind sie in Frieden gelassen; doch sobald sie ihr eigentliches Werk nach dem Willen Gottes begannen, erhob der Feind seinen Widerstand (Esra 4).

Außerdem ist es sehr lehrreich, den Charakter des Widerstandes zu betrachten. Die Widersacher verfluchen diesen göttlichen Überrest zuerst nicht, dass er das Haus baute. Sie sagen im Gegenteil: „Wir wollen mit euch bauen“ (Esra 4,2). Erst als sich das Volk Gottes weigerte, sich in diesem Werk des Herrn mit denen zu verbinden, die Gott nach menschlichen Gedanken anbeteten, erhob sich der Sturm des Widerstandes. Leider ließ ihr Glaube angesichts dieses Sturmes, den der Heilige Geist der Absonderung (the holy spirit of separation) entfacht hatte, nach, und das Werk, für welches Gott sie nach Jerusalem zurückgebracht hatte, ruhte für zwölf Jahre.

Das Volk hatte versagt, aber Gott gibt seine Vorsätze nie auf noch verlässt Er sein Volk wegen seines Versagens. So geschah es durch die Barmherzigkeit Gottes, dass vierzehn Jahre nach ihrer Rückkehr nach Jerusalem der Prophet Haggai, „der Bote Gottes“, mit verschiedenen deutlichen Botschaften seitens Gottes gesandt wurde.

Bevor wir diese äußerst ernsten und lehrreichen Botschaften untersuchen, lasst uns kurz innehalten und die Frage stellen, ob irgendetwas in unseren Tagen dem entspricht, was wir in der Geschichte des zurückgekehrten Überrestes, wie er uns im Buch Esra beschrieben wird, illustriert finden? Indem wir auf die Geschichte der bekennenden Kirche zurückblicken, kommen wir nicht umhin festzustellen, dass die bekennende Kirche während langer Zeit völlig unter der Herrschaft der Welt gestanden hat. Sicherlich hat es eine große Zahl von wahren Gläubigen gegeben, die entsprechend dem Licht, das sie hatten, treu waren, und in den kommenden Tagen werden sie mit Christus in weißen Kleidern einhergehen und ihren wunderbaren Lohn empfangen. Trotzdem war und ist die bekennende Kirche, in ihrer Gesamtheit betrachtet, immer noch in der babylonischen Gefangenschaft geknechtet. Dann, zu Beginn des letzten Jahrhunderts fand ein ganz bestimmtes Werk Gottes statt, durch welches die großen Wahrheiten bezüglich Christus und der Versammlung wiederentdeckt und dem Volk Gottes zugänglich gemacht wurden.

Infolge dieses Werkes sonderte sich eine Anzahl von Gläubigen aus dem Volk Gottes von diesen Systemen der Menschen ab, die in unterschiedlichem Maße die Wahrheit von Christus und der Versammlung beiseitesetzten, um in Übereinstimmung mit dieser Wahrheit zu leben. Sie gaben die Traditionen und Bräuche der Menschen und all die Riten und Zeremonien der menschlichen Erfindungen auf, und indem sie jede menschliche Leitung ablehnten und sich auf die alleinige Autorität des Wortes Gottes stützten, kamen sie zusammen mit dem Verlangen, Christus seinen Platz als Haupt der Versammlung und dem Heiligen Geist seinen Platz als wohnend inmitten des Volkes Gottes zu geben. Sie sonderten sich vom Verderben innerhalb der Christenheit ab, um im Licht dieser großen Wahrheiten unter der Leitung Christi zu wandeln, und ihr geistliches Wohlergehen war völlig von der Aufrechterhaltung dieser Wahrheiten abhängig.

Leider konnte die geistliche Energie dieser Erweckung nicht aufrechterhalten werden. Viele, die durch das zunehmende Verderben in der Christenheit erweckt wurden, sonderten sich in der Tat, wie der Überrest, der auf diese Weise dem Verderben Babylons entkam, von den menschlichen Systemen ab. Sie wurden jedoch lediglich zu Gruppen von Gläubigen, die von grobem Bösen, das durch Gottes Wort verurteilt wird, abgesondert waren, und es mangelte ihnen bei Weitem an der ausdrücklichen Sorgfalt und dem Interesse für die Grundsätze des Hauses Gottes, wie sie im Wort Gottes geoffenbart sind. So wie in früheren Tagen der Bau des materiellen Hauses vernachlässigt wurde, so können auch wir, obwohl wir von dem groben Verderben innerhalb der Christenheit befreit sein mögen, darin versagen, die großen Grundsätze des geistlichen Hauses Gottes aufrechtzuerhalten, indem wir nachlassen, im Licht dieser mannigfaltigen Wahrheiten, die uns enthüllt wurden, zu wandeln. Diese Wahrheiten zu bewahren ist unser Vorrecht und unsere Verantwortung, und unser Segen und Wohlergehen ist darin eingeschlossen. Wir mögen „hinausgehen“ vom Verderben der Christenheit, „außerhalb des Lagers“, und doch völlig darin versagen, dass wir „hinausgehen … zu ihm hin außerhalb des Lagers“. Somit werden wir lediglich zu unabhängigen Versammlungen von Gläubigen und versagen darin, in der Anerkennung des einen Leibes, wovon Christus das Haupt ist, und in der Anerkennung des Hauses, worin der Heilige Geist wohnt, zu wandeln.

Lasst uns daran denken, dass „Bauen“ eine positive Sache ist. Wie richtig es auch sein mag, sich vom Bösen, das das Wort Gottes verurteilt, zu trennen, so ist es doch im besten Fall ein Zeugnis gegen das, was falsch ist. Wenn Gott uns auffordert, von der Ungerechtigkeit abzustehen und uns von den Gefäßen zur Unehre abzusondern, so mit dem Ziel, dass wir „nach Gerechtigkeit, Glauben, Liebe, Frieden streben, mit denen, die den Herrn anrufen aus reinem Herzen“. Wenn wir in der Praxis in Übereinstimmung mit den großen Wahrheiten des Hauses Gottes – Heiligkeit, Abhängigkeit von Gott, Unterwerfung Gott – gegenüber wandeln, so werden wir ein positives Zeugnis der Gnade Gottes werden und auch fähig sein, Gott in Geist und Wahrheit anzubeten.

Wenn wir uns unseres Versagens irgendwie bewusst sind, so wird das Wort Gottes durch den Propheten Haggai sicherlich eine deutliche Sprache zu unseren Gewissen reden und ein Aufruf an unsere Herzen sein.

Die erste Botschaft (Kapitel 1,1-11)

Die erste Botschaft Gottes beginnt mit einem Aufruf an das Gewissen (Hag 1,2-4), gefolgt durch eine Ermahnung (Hag 1,5.6) und schließt mit einem Wort der Ermunterung und Warnung (Hag 1,7-11).

Kapitel 1,2-4

Hag 1,2-4: So spricht der Herr der Heerscharen und sagt: Dieses Volk spricht: Die Zeit ist nicht gekommen, die Zeit, dass das Haus des Herrn gebaut werde. Und das Wort des Herrn erging durch den Propheten Haggai, indem er sprach: Ist es für euch selbst Zeit, in euren getäfelten Häusern zu wohnen, während dieses Haus wüst liegt?

Die Geschichte jener Zeit, wie sie uns im Buche Esra berichtet wird, stellt uns als Ursache des Stillstandes beim Bauen des Hauses die Widersacher vor. Bezüglich des Zustandes des Volkes wird jedoch geschwiegen. Der Prophet Haggai erwähnt die Widersacher nicht, jedoch legt er sogleich den tiefen moralischen Zustand des Überrestes bloß. Geschichte befasst sich mit Ereignissen; Prophetie jedoch mit dem moralischen Zustand, der den Taten des Volkes Gottes zugrunde liegt.

Wenn wir allein aufgrund der Geschichte urteilen, so könnten wir zum Schluss kommen, dass der Bau des Hauses durch die Widersacher gestoppt oder verhindert wurde. Aufgrund des Wortes Gottes durch den Propheten lernen wir, dass die wahre Ursache beim Volk gefunden wird. Deshalb beginnt die Botschaft mit den Worten: „Dieses Volk spricht: Die Zeit ist nicht gekommen, die Zeit, dass das Haus des Herrn gebaut werde.“ Während zwölf Jahren hatten sie dieses eine Werk, wozu sie aus Babylon befreit wurden, eingestellt. Sie versuchten, ihr Versagen zu entschuldigen, indem sie sagten, „die Zeit ist nicht gekommen“, um das Haus Gottes zu bauen.

Wie oft, leider!, könnte heute dieselbe Entschuldigung vorgebracht werden. Wir könnten versucht sein zu sagen: Alle haben versagt und die Versammlung ist zerstört, und weil die Zeit der Wiederherstellung aller Dinge durch das Kommen Christi noch nicht gekommen ist, so müssen wir die moralische Verwirrung, die kennzeichnend für die Christenheit ist, ruhig übersehen und unsere Augen vor den Unregelmäßigkeiten und Abweichungen der geistlichen Ordnung des Hauses Gottes schließen.

Wenn wir jedoch so sprechen, so appelliert Gott wie einst an sein irdisches Volk auch an uns mit der herzerforschenden Frage: „Ist es für euch selbst Zeit, in euren getäfelten Häusern zu wohnen, während dieses Haus wüst liegt?“ (Hag 1,4). Was auch immer für Entschuldigungen vorgebracht werden mögen, dass es eine ungelegene Zeit sei, so lernen wir doch, dass der wahre Grund für die Gleichgültigkeit in der Ausführung der Grundsätze des Hauses Gottes in der Beschäftigung mit unseren eigenen Dingen gefunden wird. Sogar in den Tagen des Apostels lesen wir von Gläubigen, „alle suchen das Ihrige, nicht das, was Jesu Christi ist“ (Phil 2,21). Es hat jemand gesagt: „Es besteht eine nicht zu umgehende Alternative, nämlich, dass wir entweder mit den Dingen des Herrn oder mit unseren eigenen Dingen beschäftigt sein müssen.“

Menschen mögen das Ihrige suchen, indem sie sich dem „Sinnen nach irdischen Dingen“ hingeben. Doch nebst dem Fallstrick der Weltförmigkeit und der irdischen Gesinnung können wir das Unsrige auch suchen, indem wir unsere Gedanken und Aktivitäten ausschließlich auf die persönliche Segnung von Seelen beschränken und dabei die großen Wahrheiten bezüglich Christus und der Versammlung völlig vernachlässigen, wodurch wir dann nachlassen, in Übereinstimmung mit den Grundsätzen des Hauses Gottes zu wandeln. Dies war bereits schon während der Tage des Apostels Paulus eine große Gefahr, denn er konnte von dem „großen Kampf“ schreiben, den er hatte, damit die Gläubigen in das Geheimnis Gottes eintreten würden. In unseren Tagen, wo die Wahrheit über die Versammlung wiederentdeckt worden ist, besteht wieder die beständige Gefahr, diese Wahrheiten aufzugeben und sich allein mit evangelistischer Tätigkeit zu begnügen, ohne dabei dieses Geheimnis zu berücksichtigen. Es ist möglich, dass wir evangelistisch sehr aktiv sind, was in der religiösen Welt zu unserem Stolz dienen könnte, aber wenig oder keine Schmach mit sich bringen würde. Doch die Wahrheiten über die Versammlung aufrechtzuerhalten und im Licht dieser Wahrheit zu handeln, wird sogleich Schmach und Kampf nach sich ziehen. Unser natürlicher Hang nach Bequemlichkeit wird vor einem solchen Kampf zurückschrecken, mit der Folge, dass wir durch Mangel an Glauben in Gefahr geraten, lediglich eine Evangeliumsmission zu werden und dabei all die Wahrheiten, die durch Gottes Gnade wiederentdeckt worden sind, aufzugeben.

Kapitel 1,5.6

Hag 1,5.6: Und nun, so spricht der Herr der Heerscharen: Richtet euer Herz auf eure Wege! Ihr habt viel gesät und wenig eingebracht; ihr esst, aber nicht zur Sättigung; ihr trinkt, aber nicht zur Genüge; ihr kleidet euch, aber es wird keinem warm; und der Lohnarbeiter erwirbt Lohn für einen durchlöcherten Beutel.

Diesem ernsten Aufruf an das Gewissen folgt die Ermahnung: „Richtet euer Herz auf eure Wege.“ Der Überrest wird aufgefordert – und diese Aufforderung gilt auch uns –, das Ergebnis der Beschäftigung mit den eigenen Dingen zu betrachten, und angesichts der Vernachlässigung der tieferen Interessen Gottes und der Dinge, die seine Herrlichkeit betreffen, sollen wir unsere persönlichen Segnungen der Seele überprüfen.

Das Ergebnis – damals wie heute – wird in den Worten ausgedrückt: „Ihr habt viel gesät und wenig eingebracht“ – große Aktivität, aber geringer Erfolg; außerdem führt diese Vernachlässigung des Hauses Gottes zu geistlicher Verhungerung, denn, so sagt der Prophet, „ihr esst, aber nicht zur Sättigung“. Ferner bringt es keinerlei geistliche Befriedigung, denn „ihr trinkt, aber nicht zur Genüge“; es lässt die geistlichen Zuneigungen kalt, denn „ihr kleidet euch, aber es wird keinem warm“; und es trägt keinen Lohn ein, denn „der Lohnarbeiter erwirbt Lohn für einen durchlöcherten Beutel“. Solcherart war der traurige Zustand nicht des Volkes Gottes, das noch in Babylon war, sondern des bevorrechteten Überrestes, der durch die Gnade Gottes aus Babylon befreit wurde – ein Zustand, der ausschließlich aus der weitgehenden Aufgabe der Absicht, mit welcher sie ins Land zurückgebracht wurden, resultierte. Redet dies nicht eine deutliche Sprache zum Volk Gottes, das in unseren Tagen den Gedanken Gottes zu entsprechen sucht?

Kapitel 1,7-9

Hag 1,7-9: So spricht der Herr der Heerscharen: Richtet euer Herz auf eure Wege! Steigt auf das Gebirge und bringt Holz herbei und baut das Haus, so werde ich Wohlgefallen daran haben und verherrlicht werden, spricht der Herr. Ihr habt nach vielem ausgeschaut, und siehe, es wurde wenig; und brachtet ihr es heim, so blies ich hinein. Weshalb das?, spricht der HERR der Heerscharen. Wegen meines Hauses, das wüst liegt, während ihr lauft, jeder für sein eigenes Haus.

Zum zweiten Mal ermahnt Gott den Überrest, ihr Herz auf ihre Wege zu richten. Das erste Mal war es ein Vorwurf; dieses Mal jedoch mit der Absicht, sie zur Wiederaufnahme des Werkes am Hause Gottes zu ermuntern. Wir wissen, dass heute wie damals ein Tag kleiner Dinge war. Wie wir noch sehen werden, war das Haus, das sie bauten, „wie nichts“ im Vergleich mit der früheren Herrlichkeit des Hauses. Trotzdem sagt Gott zu diesem schwachen Überrest: „Steigt auf das Gebirge und bringt Holz herbei und baut das Haus, so werde ich Wohlgefallen daran haben und verherrlicht werden, spricht der HERR.“

Wie einst für den Überrest so gilt auch für uns, dass der tiefe geistliche Zustand, über den wir so oft klagen, das Resultat davon ist, dass wir unser eigenes Vergnügen tun und unsere eigene Herrlichkeit suchen. Eigenwille und Selbstgefälligkeit sind die Wurzeln unseres Versagens. Nichtsdestoweniger ist es nicht eine tiefe Freude und Ermunterung zu wissen, dass es in Tagen der Schwachheit und trotz all unseres Versagens noch stets möglich ist, unsere Wege zu verurteilen und das Gott Wohlgefällige zu tun, wodurch Gott noch verherrlicht werden kann?

Ferner wird uns nochmals versichert, dass das „Wohlgefallen“ und die „Herrlichkeit“ Gottes mit seinem Haus in Verbindung stehen, das durch Heiligkeit, Gebet, Anbetung und durch ein Zeugnis der Gnade und Güte Gottes gekennzeichnet ist. Wir mögen viel Eifer und Aktivität an den Tag legen, wie einst der Überrest, der„nach vielem ausgeschaut hat“, aber „es wurde wenig“, weil das Haus Gottes vernachlässigt wurde.

Kapitel 1,10.11

Hag 1,10.11: Darum hat der Himmel den Tau über euch zurückgehalten und die Erde ihren Ertrag zurückgehalten. Und ich habe eine Dürre gerufen über das Land und über die Berge und über das Korn und über den Most und über das Öl und über das, was der Erdboden hervorbringt, und über die Menschen und über das Vieh und über alle Arbeit der Hände.

Weil sie die große Absicht Gottes, mit welcher sie aus der Gefangenschaft befreit worden waren, vernachlässigten, brachten sie die züchtigende Hand Gottes über sich.

Die zweite Botschaft (Kapitel 1,12-15)

Kapitel 1,12-15

Hag 1,12-15: Und Serubbabel, der Sohn Schealtiels, und Josua, der Sohn Jozadaks, der Hohepriester, und der ganze Überrest des Volkes hörten auf die Stimme des HERRN, ihres Gottes, und auf die Worte des Propheten Haggai, so wie der HERR, ihr Gott, ihn gesandt hatte; und das Volk fürchtete sich vor dem HERRN. Da sprach Haggai, der Bote des HERRN, kraft der Botschaft des HERRN zum Volk und sagte: Ich bin mit euch, spricht der HERR. Und der HERR erweckte den Geist Serubbabels, des Sohnes Schealtiels, des Statthalters von Juda, und den Geist Josuas, des Sohnes Jozadaks, des Hohenpriesters, und den Geist des ganzen Überrestes des Volkes. Und sie kamen und arbeiteten am Haus des HERRN der Heerscharen, ihres Gottes, am vierundzwanzigsten Tag des sechsten Monats, im zweiten Jahr des Königs Darius.

Am zwanzigsten Tag desselben Monats lässt Gott eine zweite Botschaft durch Haggai ausrichten, der gewürdigt wird, indem er „der Bote Gottes“ genannt wird. Wie gut, dass wir uns vergegenwärtigen, dass Gott den zurückgekehrten Überrest, der so schlimm in der Ausführung der Absicht, mit welcher er aus Babylon befreit worden war, versagt hatte, dennoch nicht aufgibt. Immer noch hat Er seine Boten, der dem Volk seine Botschaft übermittelte.

In unseren Tagen der Schwachheit und des Verfalls, wo böse Menschen und Gaukler im Bösen fortschreiten, lesen wir auch von „dem Mensch Gottes“, der aufgefordert wird: „Predige das Wort, halte darauf in gelegener und ungelegener Zeit; überführe, strafe, ermahne mit aller Langmut und Lehre“ (2Tim 3,17; 4,2).

Der Bote Gottes hat sich mit einem Wort des Tadels an das Volk gerichtet. Glücklich das Volk, das auf die Stimme Gottes, seines Gottes, hört und sich vor Gott fürchtet (Hag 1,12). Doch sogleich wird Haggai mit dieser zweiten Botschaft der Ermunterung gesandt. Nachdem sie auf Gott gehört haben, können sie mit der Gegenwart Gottes rechnen: „Ich bin mit euch, spricht der HERR.“ Wie viel Segen beinhaltet diese kurze Botschaft! Wie jemand gesagt hat, ist „Ich bin mit euch“ der erhaltende Glaubensgrundsatz für Tage größter Schwachheit – und was hatten sie mehr in den herrlichsten Tagen?

Der Überrest, der in seinen Tagen aus Babylon zurückkehrte, und ebenso diejenigen, die in unseren Tagen aus der Knechtschaft der menschlichen Systeme befreit worden sind, mögen sich in Umständen großer Schwachheit befinden sowie bekämpft durch viele Widersacher und den Schmähungen anderer ausgesetzt; doch wenn der Herr mit ihnen ist, dann ist der Segen gewiss; die benötigte Hilfe in all ihrer Schwachheit wird ihnen dargereicht werden und jeder nötige Schutz vor ihren Feinden wird gewiss sein. Genauso wie im Gleichnis von Johannes 10, wo wir ein wunderbares Bild einer Schafherde finden, die völlig vom Hirten abhängig ist. Schafe, sich selbst überlassen, sind dumm, unfähige Wesen, haben die Neigung zum Irregehen und sind leicht in Schrecken zu versetzen, doch wenn der Hirte vor ihnen hergeht, ist alles bestens.

Darum ist es gut für uns, wenn wir wie einst der Überrest dem Wort des Herrn gehorchen, uns vor dem Herrn fürchten und aus dem Lager zu Ihm hinausgehen. Wenn wir so im einfältigen Glauben handeln, werden wir in jeder Schwierigkeit, die entsteht, bei jedem Widerstand, der uns treffen mag, bei jeder Schmähung, die wir zu erdulden haben mögen, die Erfahrung machen, dass der Herr mit aller Weisheit uns zu leiten, mit aller Liebe uns zu trösten und mit aller Kraft uns zu erhalten, gegenwärtig ist. Indem wir dem Wort des Herrn gehorchen und in seiner Furcht wandeln, können wir mit seiner Gegenwart rechnen und uns stets auf dieses Wort stützen: „Ich bin mit euch, spricht Gott.“

Ferner werden wir, wenn der Herr mit uns ist, wie einst auch der Überrest die Erfahrung machen, dass Er unseren Geist erwecken wird, um am Haus des Herrn zu arbeiten.

Die dritte Botschaft (Kapitel 2,1-9)

Der Überrest ist erweckt worden, um am Hause Gottes zu arbeiten. In Tagen des Verfalls besteht jedoch ständig die Gefahr, durch die geringe Größe sichtbarer Ergebnisse und der geringen äußerlichen Entfaltung der Dinge, entmutigt zu werden im Werk des Herrn. Um dieser Gefahr zu begegnen und zur Ermutigung des Überrestes, um am Werk des Hauses Gottes fortzufahren, wird eine dritte Botschaft durch den Propheten gesandt. In dieser Botschaft wird der Überrest aufgefordert, auf die Herrlichkeit des Hauses in der Vergangenheit zurückzublicken (Hag 2,1-3); sie werden an ihre Hilfsquellen in der Gegenwart erinnert (Hag 2,4.5); und sie werden ermuntert, auf die kommende Herrlichkeit in der Zukunft zu blicken (Hag 2,6-9).

Kapitel 2,1-3

Hag 2,1-3: Im siebten Monat, am Einundzwanzigsten des Monats, erging das Wort des HERRN durch den Propheten Haggai, indem er sprach: Rede doch zu Serubbabel, dem Sohn Schealtiels, dem Statthalter von Juda, und zu Josua, dem Sohn Jozadaks, dem Hohenpriester, und zum Überrest des Volkes und sprich: Wer ist unter euch übrig geblieben, der dieses Haus in seiner früheren Herrlichkeit gesehen hat? Und wie seht ihr es jetzt? Ist es nicht wie nichts in euren Augen?

Zuerst wurde dieser Überrest mit der ständigen Gefahr der Entmutigung durch ihre äußere Schwachheit und auf diese Weise mit der Verachtung des Tages kleiner Dinge konfrontiert. Der Prophet versucht nicht ihre Schwachheit zu bagatellisieren; im Gegenteil, er wünschte, dass der Überrest dieser Schwachheit durch einen Rückblick und Vergleich der vergangenen Herrlichkeit des Hauses mit ihrem eigenen Werk begegnen sollte. Salomo in seinen Tagen hatte das Haus unter Umständen gebaut, die durch Macht, Reichtum und ohne hinderliche Widerstände gekennzeichnet waren. Einige unter ihnen konnten sich noch an die Herrlichkeit dieses Hauses erinnern. Doch jetzt war ein Überrest dazu berufen, das Haus unter Umständen zu bauen, die durch Armut und Schwachheit gekennzeichnet waren, und zudem waren sie umgeben von Widerstand und hatten große Schmähungen zu erdulden. Das Werk dieses schwachen Überrestes mag „wie nichts“ erscheinen, verglichen mit der früheren Herrlichkeit des Hauses. Nichtsdestoweniger taten sie das Werk Gottes in Übereinstimmung mit den Gedanken Gottes in Tagen des Verfalls. Darum ist es ein Werk, an welchem Gott sein Wohlgefallen haben kann und wodurch Er verherrlicht wird (Hag 1,8).

So ist es auch in unseren Tagen; die Aufrechterhaltung der großen Grundsätze des Hauses Gottes in Tagen des Verfalls wird in den Augen der Welt nichts Aufsehenerregendes sein, und in den Augen vieler Christen wird es „wie nichts“ erscheinen. Wenn man erkennt, dass das Fleisch gern etwas sein möchte und nach großen sichtbaren Resultaten trachtet, so ist es verständlich, dass solche Umstände äußerer Schwachheit eine große Prüfung für unseren Glauben werden. Jemand hat gesagt: „Wie schwer ist es doch zu akzeptieren, dass das Werk Gottes und seines Christus immer in Schwachheit geschieht! Die Führer des Volkes sahen in Petrus und Johannes ungelernte und ungebildete Leute. Die Schwachheit des Paulus in Korinth war die Prüfung seiner Freunde, der Spott seiner Feinde und sein eigener Ruhm. Die Kraft des Herrn wird in Schwachheit vollbracht … Alles muss auf der Kraft Gottes beruhen, sonst kann Gottes Werk nicht nach seinen Gedanken getan werden.“

Kapitel 2,4.5

Hag 2,4.5: Und nun sei stark, Serubbabel, spricht der HERR; und sei stark, Josua, Sohn Jozadaks, du Hoherpriester, und seid stark, alles Volk des Landes, spricht der HERR, und arbeitet! Denn ich bin mit euch, spricht der HERR der Heerscharen. Das Wort, das ich mit euch eingegangen bin, als ihr aus Ägypten zogt, und mein Geist bestehen in eurer Mitte: Fürchtet euch nicht!

Trotz all ihrer äußeren Schwachheit wird der Überrest also ermuntert, stark zu sein im Werk Gottes. Zu diesem Zweck werden sie im Weiteren an ihre gegenwärtigen Hilfsquellen erinnert. Zuerst werden sie wieder an die Gegenwart Gottes erinnert: „Ich bin mit euch, spricht Gott der Heerscharen.“ In Tagen der Schwachheit werden sie ermuntert, stark zu sein; trotzdem sollten sie immer eingedenk sein, dass die Quelle ihrer Kraft in der Gegenwart Gottes begründet liegt. So ist es auch in unseren Tagen, wo wir angesichts aller Widerstände ermahnt werden: „Seid stark in dem Herrn und in der Macht seiner Stärke“ (Eph 6,10).

Zweitens blieb „das Wort“ Gottes in all seiner Kraft ebenso bestehen wie in den früheren Tagen, als sie aus Ägypten zogen. Und wie ist es bei uns? Werden wir nicht ganz besonders daran erinnert, dass wir in Tagen des Verfalls die inspirierten Schriften zu unserer Leitung haben, auf dass – wie groß das Versagen des christlichen Bekenntnisses auch sein mag – „der Mensch Gottes vollkommen sei, zu jedem guten Werke völlig geschickt“ (2Tim 3,16.17)?

Drittens sagt Gott zu ihrer Ermunterung: „Mein Geist besteht in eurer Mitte“ – in früheren Tagen hatte sich die Kraft Gottes mächtig entfaltet, wie wir dies in Psalm 106,9 lesen: „Und er schalt das Schilfmeer, und es ward trocken; und er ließ sie durch die Tiefen gehen wie durch eine Wüste.“ In ihren gegenwärtigen Umständen war nichts, das dieser übernatürlichen Entfaltung der Kraft Gottes entsprach. Sie wurden tatsächlich aus Babylon befreit, doch finden wir keine Wolke bei Tage noch eine Feuersäule bei Nacht, die ihnen den Weg gezeigt hätte; kein Fels wurde geschlagen, um ihren Durst zu löschen; kein Manna wurde gegeben, um ihren Hunger zu stillen. Alle sichtbaren Zeichen der Kraft waren verschwunden, doch blieb durch die Barmherzigkeit Gottes der Geist mit derselben Kraft erhalten, obwohl er sich jetzt nicht mehr sichtbar entfaltete, sondern in einer geistlichen Kraft, die den Glauben befähigte, sich über jeden Widersacher zu erheben und sich für die Herrlichkeit Gottes einzusetzen.

Ebenso ist es noch heute. Der Herr kann vom Geist sagen, dass Er mit uns bleiben wird in Ewigkeit (Joh 14,16). Seine Kraft wird nicht mehr länger in einer sichtbaren Weise entfaltet, wie durch Wunder und Sprachenreden an Pfingsten; doch Er ist immer noch gegenwärtig, um uns in die ganze Wahrheit zu leiten, um uns das Kommende zu verkündigen, und Er empfängt von den Dingen Christi, um sie uns zu verkündigen. Wenn wir danach trachten, die Grundsätze des Hauses Gottes aufrechtzuerhalten, so werden auch wir wie einst der Überrest die Erfahrung machen, dass wir die Gegenwart des Herrn und den Geist Gottes bei uns haben, der uns dieses Wort erklärt und unsere Herzen zu Christus hinführt. Welcher Art auch immer die Schwierigkeiten unserer Tage sein mögen, so können wir doch gutes Mutes sein, wenn wir wie einst der Überrest den Herrn die Worte zu uns sagen hören: „Fürchtet euch nicht“ (Hag 2,5).

Kapitel 2,6-9

Hag 2,6-9: Denn so spricht der HERR der Heerscharen: Noch einmal, eine kurze Zeit ist es, da werde ich den Himmel erschüttern und die Erde und das Meer und das Trockene. Und ich werde alle Nationen erschüttern; und das Ersehnte aller Nationen wird kommen , und ich werde dieses Haus mit Herrlichkeit füllen, spricht der HERR der Heerscharen. Mein ist das Silber und mein das Gold, spricht der HERR der Heerscharen. Die letzte Herrlichkeit dieses Hauses wird größer sein als die erste, spricht der HERR der Heerscharen; und an diesem Ort will ich Frieden geben, spricht der HERR der Heerscharen.

Nachdem dem Überrest die Herrlichkeit des Hauses in der Vergangenheit ins Gedächtnis zurückgerufen wurde und sie an ihre Hilfsquellen in der Gegenwart erinnert wurden, gibt ihnen nun das Wort Gottes durch den Propheten weitere Ermunterung, indem er ihre Gedanken auf das zukünftige Kommen Christi und auf die Macht und Herrlichkeit seiner Erscheinung hinlenkt. Im Augenblick schien das Werk in Verbindung mit dem Hause Gottes „wie nichts“, verglichen mit seiner Herrlichkeit in der Vergangenheit. Doch der Glaube wird ermuntert, ihr Werk in Beziehung mit der kommenden Herrlichkeit zu betrachten. Christus – der Ersehnte aller Nationen – wird kommen und dann werden all die großen Werke der Menschen, die heute so imposant aussehen, erschüttert werden. Die Errichtung des Königreiches Christi wird durch das Gericht und die Beiseitesetzung der Reiche der Menschen eingeleitet werden. Dann wird das Haus Gottes mit der Herrlichkeit Gottes erfüllt sein und die letzte Herrlichkeit wird größer sein als die erste.

In den Tagen des Überrestes sahen die Weltreiche sehr imposant aus und das Werk des Überrestes in Verbindung mit dem Hause Gottes schien sehr unbedeutend zu sein; doch was auch immer die äußere Erscheinung gewesen sein mochte, in Wirklichkeit war der Überrest mit einem Werk beschäftigt, das bestehen bleiben und das sich mit all der Herrlichkeit Gottes entfalten würde, und zwar zu einer Zeit, wenn die mächtigsten Weltreiche zu Staub zerbröckelt und verschwunden sein werden. An diesem herrlichen Tag wird gesehen werden, dass dieser schwache Überrest in den Tagen seiner größten Kraftlosigkeit in Wirklichkeit mit den mächtigen Vorsätzen Gottes verbunden war, die im Begriff standen in Herrlichkeit geoffenbart zu werden.

Der Apostel Paulus gebrauchte diese Prophezeiung zu unserem Trost und unserer Ermunterung, um das Volk Gottes in unseren Tagen auf dem Pfad des Glaubens aufrechtzuerhalten. Er erinnert uns, dass die sichtbaren Dinge, die in der heutigen Welt so imposant sind, Dinge sind, die erschüttert werden können und darum beseitigt werden. Doch das Volk Gottes steht mit einem unerschütterlichen Königreich in Verbindung, darum sagt er: „Lasst uns Gnade haben, durch welche wir Gott wohlgefällig dienen mögen mit Frömmigkeit und Furcht“ (Heb 12,25-29). Wenn wir für Gott in Übereinstimmung mit seinem Vorsatz tätig sind und Ihm dienen, so wird unser Werk, wie schwach es auch erscheinen mag, bestehen bleiben, selbst wenn die ganze Erde weggetan sein wird.

Wenn wir im Licht der Wahrheit des Hauses Gottes und somit unserer Berufung gemäß würdig wandeln, so wird dies für die Welt nichts Aufsehenerregendes sein, und in diesen Tagen des Verfalls mag es sogar die Verachtung und Schmach vieler aus dem Volke Gottes zur Folge haben, die die Gemütlichkeit und den Prunk der religiösen Systeme des Menschen bevorzugen. Doch am Tag der kommenden Herrlichkeit wird gesehen werden, dass, obwohl sie nur wenig Kraft hatten, sie in Übereinstimmung mit dem Vorsatz Gottes waren und sie deshalb an diesem herrlichen Tag einen ehrenvollen Platz als Säulen im Tempel Gottes haben werden (Off 3,12).

Die vierte Botschaft (Kapitel 2,10-19)

Die vierte Botschaft beinhaltet eine sehr wichtige Wahrheit, so dass wir gut daran tun, wenn wir sie beherzigen. Sie zeigt deutlich, dass der Ursprung alles Versagens beim Überrest jener Tage als auch beim Volke Gottes unserer Tage auf einen tiefen moralischen Zustand zurückgeführt werden kann. Mit anderen Worten, wir werden ermahnt, dass äußere Aktivität im Dienst für den Herrn nicht fruchtbringend sein wird, es sei denn, dass sie mit einem richtigen moralischen Zustand gepaart ist.

Im Weiteren lernen wir, dass dieser moralische Zustand nur durch eine Absonderung von den Dingen, von denen wir wissen, dass sie dem Wort entgegen sind, aufrechterhalten werden kann. In jenen Tagen konnte der Überrest dieses Werk Gottes nur richtig ausführen, wenn sie sich von den Dingen, die nach dem Gesetz unrein waren, fernhielten. Heute, inmitten des Verderbens der Christenheit hat der Gläubige, der den Namen des Herrn anruft, von Ungerechtigkeit abzustehen und sich von jedem Gefäß zur Unehre zu reinigen, wenn er„nützlich dem Hausherrn, zu jedem guten Werke bereitet“ sein will.

Kapitel 2,10-13

Hag 2,10-13: Am Vierundzwanzigsten des neunten Monats, im zweiten Jahr des Darius, erging das Wort des HERRN an den Propheten Haggai, indem er sprach: So spricht der HERR der Heerscharen: Frage doch die Priester über das Gesetz und sprich: Siehe, wenn jemand heiliges Fleisch im Zipfel seines Gewandes trägt und mit seinem Zipfel Brot oder Gekochtes oder Wein oder Öl oder irgendeine Speise berührt, wird es heilig werden? Und die Priester antworteten und sprachen: Nein. Und Haggai sprach: Wenn ein wegen einer Leiche Verunreinigter dies alles berührt, wird es unrein werden? Und die Priester antworteten und sprachen: Es wird unrein werden.

Die Antwort Gottes an die Priester hebt zwei wichtige Wahrheiten hervor, die die Praxis all jener bestimmen sollte, die seinen Gedanken in den Tagen des Verfalls zu entsprechen wünschen. Einerseits lernen wir, dass heilige Dinge durch eine Verbindung keine reinigende Kraft besitzen; und andererseits, dass unreine Dinge durch eine Verbindung verunreinigend wirken können. Daraus folgt, dass die allgemeine Auffassung, wir könnten die Welt reinigen, wenn wir uns mit ihr verbinden würden, oder wir könnten dem Volke Gottes durch eine Verbindung mit den verderbten Systemen, worin sie sich befinden mögen, helfen, ein Trugschluss ist; ja, noch schlimmer, denn indem wir so handeln, sind wir anderen nicht nur keine Hilfe, sondern wir selbst werden verunreinigt – denn das Unreine verunreinigt durch eine Verbindung.

Kapitel 2,14-17

Hag 2,14-17: Da antwortete Haggai und sprach: So ist dieses Volk und so diese Nation vor mir, spricht der HERR, und so ist alles Tun ihrer Hände; und was sie dort darbringen, ist unrein. Und nun richtet doch euer Herz auf die Zeit von diesem Tag an und aufwärts, ehe Stein auf Stein gelegt wurde am Tempel des HERRN! Bevor dies geschah: Kam man zu einem Garbenhaufen von zwanzig Maß, so wurden es zehn; kam man zum Fass, um fünfzig Eimer zu schöpfen, so wurden es zwanzig. Ich schlug euch mit Kornbrand und mit Vergilben, und mit Hagel alle Arbeit eurer Hände; und ihr kehrtet nicht zu mir um, spricht der HERR.

Leider hatte der Überrest aus dem Buche Haggai nach diesem falschen Grundsatz gehandelt, mit der Folge, dass das Tun ihrer Hände in den Augen Gottes unrein war. Deshalb hatte Gott in seinen Regierungswegen in Zucht mit ihnen gehandelt und sie „mit Kornbrand und mit Vergilben“ geschlagen.

Kapitel 2,18.19

Hag 2,18.19: Richtet doch euer Herz auf die Zeit von diesem Tag an und aufwärts; vom vierundzwanzigsten Tag des neunten Monats an, von dem Tag an, als der Tempel des HERRN gegründet wurde, richtet euer Herz darauf! Ist noch die Saat auf dem Speicher? Ja, sogar der Weinstock und der Feigenbaum und der Granatbaum und der Olivenbaum haben nichts getragen. Von diesem Tag an will ich segnen.

Wie groß auch das Versagen des Volkes Gottes sein mag, so wird uns trotzdem erlaubt zu sehen, dass, wenn sie Buße tun und im Gehorsam dem Wort gegenüber handeln, sie wieder gesegnet sein werden. Gleich nachdem der Überrest das Werk am Hause wieder aufnimmt, kann Gott sagen: „Von diesem Tage an will ich segnen.“

Redet diese ernste Warnung, die dennoch voller Ermunterung ist, nicht eine deutliche Sprache für das Volk des Herrn heute? Werden wir einerseits nicht davor gewarnt, dass in der Praxis jegliche Abweichung vom Licht, das Gott uns bezüglich der Grundsätze seines Hauses gegeben hat, seine Zucht auf uns bringen wird; während wir andererseits sofort gesegnet sein werden, wenn wir im Gehorsam dem Wort gegenüber im Licht der Wahrheit wandeln?

Die fünfte Botschaft (Kapitel 2,20-23)

Die letzte Botschaft wird an Serubbabel gerichtet und hat darum in besonderer Weise dasjenige Instrument zum Gegenstand, das das Volk zum Gehorsam gegenüber dem Wort Gottes leitete. Gleichzeitig enthält diese Botschaft auch ein Wort besonderer Ermunterung für den Überrest.

Kapitel 2,20-22

Hag 2,20-22: Und das Wort des HERRN erging zum zweiten Mal an Haggai, am Vierundzwanzigsten des Monats, indem er sprach: Rede zu Serubbabel, dem Statthalter von Juda, und sprich: Ich werde den Himmel und die Erde erschüttern. Und ich werde den Thron der Königreiche umstürzen und die Macht der Königreiche der Nationen vernichten; und ich werde die Streitwagen umstürzen und die, die darauf fahren; und die Pferde und ihre Reiter sollen hinfallen, jeder durchs Schwert des anderen.

Das Volk Gottes jener Tage war durch heidnische Mächte umgeben, denen die Herrschaft über die Welt anvertraut worden war. In jenen wie in unseren Tagen gebrauchten sie ihre Macht in skrupelloser Weise, um alle zu vernichten, die ihrem Willen widerstanden. Angesichts all dieser Macht des Bösen hatte der Überrest nur dem Wort Gottes zu gehorchen und sich im einfältigen Glauben mit dem Werk Gottes zu beschäftigen. Es war nicht ihre Aufgabe, der Welt zu widerstehen oder ihre Macht umzustürzen oder gar zu versuchen, ihre Fehler in Ordnung zu bringen. Sie werden belehrt, dass Gott zu seiner Zeit mit all dem Bösen dieser Welt handeln wird. Sein Wort lautet: „Ich werde den Himmel und die Erde erschüttern. Und ich werde den Thron der Königreiche umstürzen und die Macht der Königreiche der Nationen vernichten; und ich werde die Streitwagen umstürzen.“

In unseren Tagen ist es ebenfalls nicht die Aufgabe des Volkes Gottes, die Welt in Ordnung zu bringen. Dies ist das Werk des Herrn, denn Er wird kommen „inmitten seiner heiligen Tausende“, um das Gericht wider alle Gottlosen auszuführen. Unser Teil ist es, im einfältigen Gehorsam gegenüber dem Wort für den Glauben zu kämpfen, uns selbst auf unseren allerheiligsten Glauben zu erbauen, im Heiligen Geist zu beten, uns selbst in der Liebe Gottes zu erhalten und unseren Herrn Jesus Christus zu erwarten (Jud 14.15.20.21).

Kapitel 2,23

Hag 2,23: An jenem Tag, spricht der HERR der Heerscharen, werde ich dich nehmen, Serubbabel, Sohn Schealtiels, meinen Knecht, spricht der HERR, und werde dich wie einen Siegelring machen. Denn ich habe dich erwählt, spricht der HERR der Heerscharen.

Serubbabel würde nicht nur Segen für die Gegenwart empfangen, sondern auch eine Belohnung in der Zukunft ererben, wenn er dem Wort Gottes gehorchen, im Werk Gottes fortfahren und das Gericht über die Welt der Behandlung durch die Macht Gottes überlassen würde. In den Tagen der kommenden Herrlichkeit würde er als der Auserwählte Gottes einen Platz ganz besonderer Würde innehaben.

In unseren Tagen ist es nicht anders. Dem Wort des Herrn zu gehorchen und das Werk des Herrn nach seinen Gedanken in Tagen der Schwachheit und angesichts von Schmach und Widerstand zu tun, mag dem großen religiösen Bekenntnis „wie nichts“ erscheinen, doch wird die herrliche Belohnung in den kommenden Tagen der Herrlichkeit nicht ausbleiben. Demjenigen, der nur „eine kleine Kraft“ hat und trotzdem das Wort des Herrn bewahrt und seinen Namen nicht verleugnet, kann der Herr sagen: „Wer überwindet, den werde ich zu einer Säule machen in dem Tempel meines Gottes, und er wird nie mehr hinausgehen; und ich werde auf ihn schreiben den Namen meines Gottes und den Namen der Stadt meines Gottes, des neuen Jerusalem, das aus dem Himmel herniederkommt von meinem Gott, und meinen neuen Namen“ (Off 3,12).


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leicht bearbeitet von SoundWords 01/2001

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