David und Bathseba
oder: Was Müßiggang bewirken kann

R. W.

© EPV, online seit: 25.01.2006, aktualisiert: 19.10.2022

Leitverse: 2. Samuel 11–12

Kapitel 11

2Sam 11,1: Und es geschah bei der Rückkehr des Jahres, zur Zeit, wann die Könige ausziehen, da sandte David Joab und seine Knechte mit ihm und ganz Israel; und sie richteten die Kinder Ammon zugrunde und belagerten Rabba. David aber blieb in Jerusalem.

So beginnt unser Text. Seltsame Zeit, „wann die Könige ausziehen bei der Rückkehr des Jahres“. In der ganzen Weltgeschichte liest man nicht von solch einer Zeit.

Die Könige, von denen hier die Rede ist, gehorchen offenbar anderen Gesetzen als denen der Geschichte. Das wird uns klar, wenn wir bedenken, dass einer dieser Könige der König David war, von dem unser Text berichtet. David war nicht König schlechthin wie andere Könige in der Weltgeschichte. David war König in Israel, im Volk Gottes. Und er war ein König nach dem Herzen Gottes (1Sam 13,14). Für solche Könige gibt es eine Zeit, wann sie ausziehen nach dem Willen Gottes und für die Sache Gottes: „Bei der Rückkehr des Jahres“, wenn sich die Zahl der Monate erfüllt, wenn der Kreis sich schließt und das Ende zurückkehrt zum neuen Anfang. Dann ist nach Gottes Gedanken die Zeit, wann die Könige Gottes ausziehen.

Meine Brüder! In der Weltgeschichte sind wir nur geringe Leute; im Reich Gottes sind wir Könige! Unser Herr Jesus Christus hat uns dazu gemacht (Off 5,10). Wir sind es inmitten des Volkes Gottes und nach seinem Herzen. Und nun, kehrt nicht das Jahr der Gnade Gottes zurück zur Ewigkeit, aus der es kam? Erfüllen sich nicht vor unseren Augen und Ohren die Monate und Tage, die Stunden und Minuten göttlicher Zeitrechnung, dem Ende zu? Ist nicht auch jetzt die Zeit, wann die Könige ausziehen, die Könige Gottes? Was wollen wir tun, wir Könige? Wollen wir gehorchen und ausziehen? Der König David zog nicht aus. Er wusste um die göttliche Zeit, aber er zog nicht aus. Dafür hatte er seine Leute.

„Da sandte David Joab und seine Knechte mit ihm und ganz Israel.“ Damit war nach außen hin alles in Ordnung. Die Sache Gottes erlitt keine Einbuße. Der Sieg des Volkes Gottes ging unaufhaltsam weiter. Gottes Sieg wird durch unser Versagen nie aufgehalten. „Sie richteten die Kinder Ammon zugrunde und belagerten Rabba. David aber blieb in Jerusalem.“ Dieses „aber“ war Davids Schuld. Er ruhte in seiner königlichen Würde und genoss die Vorzüge seiner erhabenen Stellung. Dagegen ist nichts zu sagen. „Aber“ er zog nicht aus, wann die Könige ausziehen, mit dem Brennen Gottes im Herzen und in Gottes Auftrag! Das war sein Versagen.

Müssen wir nun, meine Brüder, vor dieser David-Geschichte nicht einmal fragen, ob wir nicht auch in der Gefahr stehen, so zu tun, wie der König David tat? Wir ruhen in unserer königlichen Würde. Wir genießen die Vorzüge unserer erhabenen Stellung in Christus. Wir erfreuen uns der herrlichen Segnungen inmitten der Versammlung. Dagegen ist nichts zu sagen. Aber ziehen wir auch aus mit dem Brennen Gottes im Herzen und in seinem Auftrag? Oder haben wir dafür auch unsere Leute?

Wir bestellen uns ab und zu einen Evangelisten und schicken ihn an die Front. Und hin und wieder bitten wir einen „Reisebruder“ zu kommen. Dann machen „wir“ Hausbesuche. Und am Abend laden wir vielleicht auch die „Welt“ einmal ein zur Versammlung. Aber am liebsten sind wir unter uns. Und für die Jugendstunde besorgen wir Traktate. Die kann dann die Jugend verteilen. Wir stehen hinter all dem im Gebet. So kämpfen wir mit, in der Etappe. Am liebsten bleiben wir in Jerusalem. Und ruhen. Wir Könige!

Der König David jedenfalls ruhte. Er brachte offenbar einen ganzen Tag lang auf seinem Lager zu – einen Tag voll Kampf und Einsatzbereitschaft, voll Blut und Schweiß für die Leute an der Front. Aber davon merkte der König David nichts.

Wir sagen damit nichts Unehrerbietiges gegen ihn, den König nach dem Herzen Gottes. Wir geben nur den biblischen Bericht wieder. Und der sagt uns schonungslos und unverblümt, dass es Könige Gottes gibt, die schlafen, während ihre Brüder kämpfen. Und Gottes Wort ist zu unserer Belehrung geschrieben.

2Sam 11,2a: Und es geschah zur Abendzeit, als David von seinem Lager aufstand und auf dem Dache des Hauses des Königs wandelte, …

Das ist eine gefährliche Sache für Könige Gottes, wenn sie am Abend nach einem verschlafenen Tag satt und ausgeruht auf dem Dach ihres königlichen Hauses wandeln, als gäbe es keinen Kampf. Es gibt ein göttliches Sattsein (Ps 145,16) und ein göttliches Ruhen (2Mo 23,12). Aber Sattheit und Ruhe können auch Sünde sein: „Das war die Missetat Sodoms …: Fülle von Brot und sorgloser Ruhe“ (Hes 16,49). Und es gibt einen göttlichen Hunger (Amos 8,11) und eine göttliche Unruhe (Mich 2,10). Die hatte der König David nicht. Er hatte sie einmal gehabt, als er seine Herde in der Wüste weidete und mit dem Löwen und dem Bären kämpfte, als er den Riesen Goliath erschlug und wider die Philister stritt. Aber jetzt ruhte er und war satt geworden in seiner königlichen Würde. Das war verhängnisvoll.

Wenn Menschen Gottes satt und ausgeruht, selbstsicher und selbstzufrieden hoch über dem Alltag wandeln auf dem Dach ihres Hauses, sind sie in großer Gefahr. Sie wähnen sich auf Glaubenshöhen und sind in Wirklichkeit in den Wolken frommer Gefühle. Da oben verliert man den Sinn für die Wirklichkeiten des Lebens, ganz besonders des Glaubenslebens. Vor allem für die Wirklichkeit der Sünde. Sünde! Wie kann die Sünde denen noch gefährlich sein, die auf solchen Höhen wandeln? Gewiss! Lehrmäßig wissen sie, dass Fleisch immer Fleisch bleibt und nie heilig wird. Erkenntnismäßig ist ihnen klar, dass ihre Stellung in Christus vollkommen ist, ihr Wandel dagegen immer unvollkommen. Theoretisch wissen wir alle um die Gefahr der Sünde. Aber eben theoretisch. Wir wandeln ja so erhaben auf dem Dach unseres christlichen Lehrgebäudes, dass wir die Sünde eben nur noch von da oben sehen. Und aus dieser gesicherten Entfernung unterschätzen wir die Gefahr.

2Sam 11,2b: … dass er von dem Dach herab eine Frau sich baden sah; und die Frau war sehr schön von Ansehen.

Nimm dich in Acht, König David! Du wärest nicht der erste sieggewohnte Recke, nicht der erste Mann Gottes, den der Satan durch die Augenlust zu Fall gebracht hätte, wenn er sorglos ruht, anstatt zu kämpfen. Es ist keine Entschuldigung, aber ein ernster Hinweis darauf, dass es wirklich die Sünde der Augenlust war, durch die der König David versucht wurde, wenn Gottes Wort berichtet: „Und die Frau war sehr schön von Ansehen.“ Ach, wärst du doch jetzt bei deinen Soldaten, in den Schlachtreihen des lebendigen Gottes, gerüstet und voll Siegesfreude, David, du König!

2Sam 11,3.4a: Und David sandte hin und erkundigte sich nach der Frau; und man sprach: Ist das nicht Bathseba, die Tochter Eliams, die Frau Urijas, des Hethiters? Und David sandte Boten hin und ließ sie holen; …

Man spürt es dem biblischen Bericht ab, wie hastig und verkrampft nun alles geschah. Jede nüchterne Überlegung hat den König verlassen. Er gehorcht einem furchtbaren Zwang. Das ist die Macht der Sünde.

2Sam 11,4b: … und sie kam zu ihm, und er lag bei ihr.

David, der König! Der König nach dem Herzen Gottes, der nicht auszog, sondern ruhte zur Zeit, wann die Könige ausziehen. Armer König David!

2Sam 11,4c: … (sie hatte sich aber gereinigt von ihrer Unreinigkeit);

Gottes heiliges Wort begleitet die Schilderung dieses Ehebruchs mit einem merkwürdigen „Aber“: „Sie hatte sich aber gereinigt von ihrer Unreinigkeit.“ Klingt das nicht, als solle damit irgendetwas abgeschwächt oder entschuldigt werden? Aber von wem? Doch nicht von dem Gott, der zu heilig ist, als dass Er Sünde sehen könnte? Vielleicht will Gott uns ahnen lassen, welche Begriffsverwirrung der Satan angerichtet hatte und wie Davids geistliches Urteil getrübt war, als er der Sünde folgte. Gottes Gesetz verbietet dem Mann, einer Frau in der Unreinheit ihrer Unreinigkeit zu nahen (3Mo 18,19). Dagegen verstieß David nicht. Vielleicht tat er sich darauf sogar etwas zugute. Und übersah dabei geflissentlich, dass neben diesem Gebot Gottes das andere steht: „Bei der Frau deines Nächsten sollst du nicht liegen“ (3Mo 18,20).

In der wachen Nüchternheit des Kampfes hätte David nie so denken können. Nun er von der Sünde berauscht war, merkte er nicht, dass der Teufel ihm die Dinge in einer ungöttlichen Schau zeigte.

Es hat keinen Zweck, meine Brüder, dass wir dem unerbittlichen Wort Gottes ausweichen. Wie oft sehen auch wir die Dinge nicht in göttlicher Sicht. Wir verurteilen mit Recht, hart und unerbittlich, die Sünde der Unzucht. Aber verurteilen wir auch mit der gleichen Entschiedenheit die Sünde der Habgier in unserem Leben? Gott stellt diese Sünde neben die der Unzucht als Sünden, die nicht einmal genannt werden sollen im Haus Gottes (Eph 5,3). Und wie steht’s mit der „üblen Nachrede“ und all den anderen Zungensünden (Eph 5,4 u.a.)? Wie steht’s mit der Sünde der Lieblosigkeit gegen den Bruder (1Joh 3,10; 4,20)? Das mögen nach menschlichem Urteil weniger schlimme Dinge sein. In den Augen Gottes ist das eine so sehr Sünde wie das andere. Wir wollen das in unserem Leben nicht verkleinern. Wir werden alle Ursache haben, im Licht Gottes nachzuforschen, ob nicht am Ende auch eine Davids-Geschichte dahintersteckt, wenn wir die Dinge anders sehen. Das ist jedenfalls sicher: Wenn wir einmal alle in einen heiligen Eifer kämen und auszögen, anstatt zu schlafen, würde es bald aus sein mit allem Reden widereinander und allem Bruderzwist in der Versammlung.

2Sam 11,4.5: … und sie kehrte in ihr Haus zurück. Und die Frau wurde schwanger; und sie sandte hin und berichtete es David und sprach: Ich bin schwanger.

Sicherlich hat David mit dem Entschluss gekämpft, dem Urija im Licht Gottes alles zu bekennen, als Bathseba ihm die Folgen seiner Sünden mitteilte. Dann wäre alles gut geworden. Aber das vertrug wohl seine königliche Würde nicht, und deshalb ging es immer weiter bergab. Die Feder sträubt sich, alles zu schreiben, was David, der König an Heuchelei und Gemeinheit tat, um seine Sünde zu verdecken. Aber Gottes Wort berichtet es schonungslos, zu unserer Belehrung, damit wir sehen, was aus Königen werden kann, wenn sie schlafen, anstatt auszuziehen.

2Sam 11,6: Da entbot David dem Joab: Sende mir Urija, den Hethiter. Und Joab sandte Urija zu David.

Die königliche Autorität! Wie vollmächtig ist sein Wort, wie würdig seine Haltung. Es kann unmöglich etwas Wahres sein an dem, was man im Volk über ihn murmelt.

2Sam 11,7: Und Urija kam zu ihm; und David fragte nach dem Wohlergehen Joabs und nach dem Wohlergehen des Volkes und nach dem Stand des Streites.

Und wie lebt die Sache Gottes in seinem königlich-priesterlichen Herzen! Wie ist sein ganzes Denken davon erfüllt! Sind nicht seine Worte der beste Beweis dafür? „David fragte (Urija) nach dem Wohlergehen Joabs und nach dem Wohlergehen des Volkes und nach dem Stand des Streites.“ Freunde, welch ein König! Aber hört weiter!

2Sam 11,8: Und David sprach zu Urija: Gehe in dein Haus hinab und wasche deine Füße. Und als Urija aus dem Hause des Königs ging, kam ein Geschenk des Königs hinter ihm her.

Salomo könnte an diese Geschichte seines Vaters gedacht haben, als er den Spruch dichtete: „Besser ein Armer, der in seiner Vollkommenheit wandelt, als wer verkehrter Lippen und dabei ein Tor ist“ (Spr 19,1). Die Sünde hatte wirklich aus dem König einen Toren gemacht. Daran änderten die königliche Haltung und alle hohen Worte nichts.

2Sam 11,9-11: Und Urija legte sich am Eingang des Hauses des Königs nieder bei allen Knechten seines Herrn und ging nicht in sein Haus hinab. Und man berichtete es David und sprach: Urija ist nicht in sein Haus hinabgegangen. Da sprach David zu Urija: Bist du nicht von der Reise gekommen? Warum bist du nicht in dein Haus hinabgegangen? Und Urija sprach zu David: Die Lade und Israel und Juda weilen in Hütten, und mein Herr Joab und die Knechte meines Herrn lagern auf freiem Feld, und ich sollte in mein Haus gehen, um zu essen und zu trinken und bei meiner Frau zu liegen? So wahr du lebst und deine Seele lebt, wenn ich dieses tue!

Und der arme, einfältige Soldat Urija, der in seiner Lauterkeit die Annehmlichkeiten eines Heimaturlaubs verschmähte, weil er sich seinen Brüdern an der Front verpflichtet wusste, beschämte ihn. Das ist nicht selten im Volk Gottes, dass angesehene Männer, die als Führer und Säulen gelten, beschämt werden durch einen schlichten Kämpfer. Wie oft mag wohl dahinter eine David-Geschichte stecken!?

2Sam 11,12.13: Da sprach David zu Urija: Bleibe auch heute noch hier, und morgen werde ich dich entlassen. So blieb Urija an jenem Tag und am folgenden in Jerusalem. Und David lud ihn, und er aß und trank vor ihm, und er machte ihn trunken. Und am Abend ging er hinaus, um sich auf sein Lager niederzulegen bei den Knechten seines Herrn; aber in sein Haus ging er nicht hinab.

Nun ist kein Unterschied mehr. So handelt die Welt. Nun ist jedes Mittel recht, wenn es nur den gewünschten Erfolg hat. Es ist schon so, wie der Herr Jesus einmal zu den Juden sagte: „Jeder, der die Sünde tut, ist ein Knecht der Sünde“ (Joh 8,34). Auch ein David muss das tun, was alle Sündenknechte tun müssen. Wie erschütternd, wenn ein „König Gottes“ ein „Knecht der Sünde“ wird!

2Sam 11,14-25: Und es geschah am Morgen, da schrieb David einen Brief an Joab und sandte ihn durch Urija. Und er schrieb in dem Brief also: Stellt Urija voran, wo der Streit am stärksten ist, und zieht euch hinter ihm zurück, dass er erschlagen werde und sterbe. Und es geschah, als Joab die Stadt einschloss, da stellte er Urija an den Ort, von dem er wusste, dass tapfere Männer daselbst waren. Und die Männer der Stadt zogen heraus und stritten wider Joab, und es fielen etliche von dem Volk, von den Knechten Davids; und auch Urija, der Hethiter, starb. Da sandte Joab hin und berichtete David alle Begebenheiten des Streites. Und er befahl dem Boten und sprach: Wenn du geendigt hast, alle Begebenheiten des Streites dem König zu melden, so geschehe es, wenn der Grimm des Königs aufsteigt und er zu dir spricht: Warum habt ihr euch der Stadt genähert, um zu streiten? Wusstet ihr nicht, dass sie von der Mauer herab schießen würden? Wer hat Abimelech, den Sohn Jerubbeseths, erschlagen? Warf nicht eine Frau den oberen Stein einer Handmühle von der Mauer auf ihn herab, dass er starb zu Tebez? Warum habt ihr euch der Mauer genähert? So sollst du sagen: Auch dein Knecht Urija, der Hethiter, ist tot. Und der Bote ging hin; und er kam und berichtete David alles, wozu Joab ihn gesandt hatte. Und der Bote sprach zu David: Da die Männer die Oberhand über uns hatten und gegen uns aufs Feld herauszogen, so drangen wir auf sie ein bis zum Eingang des Tores. Da schossen die Schützen von der Mauer herab auf deine Knechte, und es starben etliche von den Knechten des Königs; und auch dein Knecht Urija, der Hethiter, ist tot. Da sprach David zu dem Boten: So sollst du zu Joab sagen: Lass diese Sache nicht übel sein in deinen Augen, denn das Schwert frisst bald so, bald so; verstärke deinen Streit gegen die Stadt und zerstöre sie! So ermutige ihn.

Nur so begreifen wir, was weiter geschieht. David weicht auch vor der letzten Möglichkeit nicht zurück, sein Ziel zu erreichen. Er sendet durch Urija einen Brief an Joab, in dem er seinen Heerobersten veranlasst, Urija den ehrenvollen Auftrag zu geben, an der gefährlichsten Stelle zu kämpfen. Zugleich aber sollten sich die Kameraden hinter ihm zurückziehen, damit er fällt. Der elende Plan gelingt. Aber er kostet auch andere brave Soldaten das Leben. Joab, der offenbar das Vertrauen zu seinem königlichen Herrn verloren hat, fürchtet dessen ungnädige Kritik. Dabei steigt die Gestalt Abimelechs wie ein Schreckgespenst in den Angstgedanken Joabs hoch, jenes blutrünstigen Intriganten in der Führung Israels, dem eine Frau bei der Belagerung von Tebez mit einem Mühlstein den Schädel einschlug (Ri 9). Der Bote, offenbar durch den unklaren Auftrag seines Vorgesetzten stutzig, berichtet nicht befehlsmäßig. Aber, was tut’s? Der König hat sein Ziel erreicht. Das Opfer braver Kämpfer rührt ihn nicht. Verständnislos mag der Kurier draußen den Kopf geschüttelt haben, froh, bei diesem unberechenbaren König so gnädig davongekommen zu sein. So zieht die Sünde Davids andere mit hinein in den Bannkreis des Bösen und hat Tod und Angst, Misstrauen und Ungehorsam, Intrige und Gemeinheit in ihrem Gefolge.

2Sam 11,26.27a: Und als die Frau Urijas hörte, dass Urija, ihr Mann, tot war, klagte sie um ihren Gatten. Als aber die Trauer vorüber war, sandte David hin und nahm sie in sein Haus; und sie wurde seine Frau und gebar ihm einen Sohn.

Und doch war nach außen hin alles in Ordnung. Urija war bei der Ausführung eines ehrenvollen königlichen Auftrags im Kampf gefallen, seine Frau beweinte ihn, und „als die Trauer vorüber war, sandte David hin und nahm sie in sein Haus, und sie wurde seine Frau und gebar ihm einen Sohn“. Es ist fast, als wolle Gottes Wort mit dieser glatten Schilderung zeigen, wie nach außen hin alles in bester Ordnung war. Aber eben nur nach außen hin, in den Augen Davids und in den Augen der Menschen. Ernst und eindringlich berichtet Gottes Wort deshalb weiter:

2Sam 11,27b: Aber die Sache, die David getan hatte, war übel in den Augen des HERRN.

Es ist ein Zustand lähmender Bedrückung im Leben eines einzelnen Gläubigen wie im Leben einer Gemeinde, wenn die Sünde eingedrungen ist und unerkannt im frommen Gewand einhergeht. Überall pfeifen es die Spatzen von den Dächern. Die Sache wird mächtig aufgebauscht. Da lästern die Feinde des HERRN (2Sam 12,14). Auch in der Versammlung will das Raunen nicht zur Ruhe kommen. Überall hört man’s wieder, leise und mit heimlichem Augenzwinkern, und immer mit dem Zusatz: „Aber bitte, ganz unter uns; ich will nichts gesagt haben!“ Und das Misstrauen wächst und entfremdet die Herzen, macht erschlaffte Hände und lahmt die Knie zum Gebet. Und keiner ist da, der endlich einmal mit der Liebe Jesu im Herzen und im Auftrag Gottes und in der Vollmacht des Heiligen Geistes den Weg zum Bruder findet, der allein aus dieser dumpfen Niederung wieder zur Höhe führt. Bis Gott eingreift!

Kapitel 12

2Sam 12,1a: Und der HERR sandte Nathan zu David. Und er kam zu ihm und sprach zu ihm:

Du meinst, du könntest doch nicht zu dem reichen und angesehenen Bruder gehen. Ganz ohne Beweise. Der würde dich schön hinauswerfen. Wie wird der arme Nathan gezittert und gebetet haben, als ihn dieser göttliche Ruf erreichte! Wenn schon der Heeroberste Joab in Angstzustände kam vor diesem unberechenbaren König, der noch dazu sein Onkel war, was sollte dann erst aus ihm, dem armen Propheten, werden! Aber Nathan war wirklich ein Mann Gottes. „Nathan kam.“ Und nun ist kein Zagen mehr. Nun ist die Kraft Gottes in ihm.

2Sam 12,1b-4: Zwei Männer waren in einer Stadt, der eine reich, und der andere arm. Der Reiche hatte Kleinvieh und Rinder in großer Menge. Der Arme hatte aber gar nichts als nur ein einziges kleines Lamm, das er gekauft hatte; und er nährte es, und es wurde groß bei ihm und mit seinen Kindern zugleich; es aß von seinem Bissen und trank aus seinem Becher und schlief in seinem Schoß, und es war ihm wie eine Tochter. Da kam ein Reisender zu dem reichen Mann; und es dauerte ihn, von seinem Kleinvieh und von seinen Rindern zu nehmen, um es für den Wanderer zuzurichten, der zu ihm gekommen war, und er nahm das Lamm des armen Mannes und richtete es zu für den Mann, der zu ihm gekommen war.

Wir können vielleicht nicht alle so fein und geschickt ein seelsorgerliches Gespräch einleiten, wie Nathan es kann mit der Geschichte von dem reichen Mann, der das einzige Lamm eines Armen herzlos schlachten ließ. Aber die Kraft Gottes ist bestimmt auch bei uns, wenn wir nur gehorsam sind und ohne Menschenfurcht gehen. Und wir werden immer das Gleiche erleben, was Nathan hier erlebte. So unaufhaltsam der Weg bis hierher abwärts ging, immer tiefer in Sünde und Schuld hinein, so gewiss geht es rar aufwärts. Es gibt keine Schuldverstrickung, die Gottes Auge nicht durchschaut und die Gottes Hände nicht entwirren können.

2Sam 12,5.6: Da entbrannte der Zorn Davids sehr gegen den Mann, und er sprach zu Nathan: So wahr der HERR lebt, der Mann, der dieses getan hat, ist ein Kind des Todes; und das Lamm soll er vierfältig erstatten, darum dass er diese Sache getan und weil er kein Mitleid gehabt hat!

Noch einmal tarnt sich David mit königlicher Haltung, genau wie damals, als Urija vor ihm stand. Sein „Zorn entbrannte“ und er verurteilte den mitleidslosen Reichen zum Tod.

2Sam 12,7-9: Da sprach Nathan zu David: Du bist der Mann! So spricht der HERR, der Gott Israels: Ich habe dich zum König über Israel gesalbt, und ich habe dich aus der Hand Sauls errettet, und ich habe dir das Haus deines Herrn gegeben und die Frauen deines Herrn in deinen Schoß, und habe dir das Haus Israel und Juda gegeben; und wenn es zu wenig war, so hätte ich dir noch dies und das hinzugefügt. Warum hast du das Wort des HERRN verachtet, indem du tatest, was übel ist in seinen Augen? Urija, den Hethiter, hast du mit dem Schwert erschlagen, und seine Frau hast du dir zur Frau genommen; ihn selbst hast du ja umgebracht durch das Schwert der Kinder Ammon.

Aber wenn Gott redet, gilt keine Pose mehr. Nathan reißt ihm die fromme Maske vom Gesicht, mit der David sich und andere betrog. „Du bist der Mann!“ Und nun erinnert dieser bevollmächtigte Seelsorger den König David daran, wie reich Gott ihn gemacht hatte und wie unendlich viel reicher Er ihn noch hätte machen können. Und wie herzlos er an dem armen Urija gehandelt hat. Du hast übel getan in den Augen des HERRN. Du hast Urija mit dem Schwert erschlagen. Du hast seine Frau dir zur Frau genommen. Unter dem Hammer Gottes, den Nathan mit Vollmacht führt, sinkt Davids fromme Fassade in Trümmer. Und hinter den Trümmern ist keine königliche Pose mehr, sondern ein tief unglücklicher, aber bußfertiger Sünder.

Der 51. Psalm lässt uns etwas ahnen von dem, was sich lange schon hinter der frommen Haltung Davids verbarg. „Meine Sünde ist beständig vor mir!“ (Ps 51,3). Brüder! Aus diesen Herzen kam einmal der Rettungsjubel des 32. Psalms: „Glückselig der, dessen Übertretung vergeben, dessen Sünde zugedeckt ist. … Freut euch in dem HERRN und frohlockt, ihr Gerechten, und jubelt, alle ihr von Herzen Aufrichtigen!“ (Ps 32,1.11). Nun klagt derselbe Mund, der einst jubeln konnte: „Lass mir wiederkehren die Freude deines Heils“ (Ps 51,12). Derselbe Mund, der einst jauchzte: „Er hat mich heraufgeführt aus der Grube des Verderbens, aus kotigem Schlamm, und er hat meine Füße auf einen Felsen gestellt, meine Schritte befestigt. Und in meinen Mund hat er gelegt ein neues Lied, einen Lobgesang unserem Gott“ (Ps 40,2.3) – derselbe Mund musste jetzt seufzen: „Errette mich von Blutschuld, Gott, du Gott meiner Rettung“ (Ps 51,14).

2Sam 12,10-12: Nun denn, so soll von deinem Haus das Schwert nicht weichen ewiglich, darum dass du mich verachtet und die Frau Urijas, des Hethiters, genommen hast, dass sie dir zur Frau sei. So spricht der HERR: Siehe, ich will aus deinem Haus Unglück über dich erwecken, und ich will deine Frauen vor deinen Augen nehmen und sie deinem Nächsten geben, dass er bei deinen Frauen liege vor den Augen dieser Sonne! Denn du, du hast es im Verborgenen getan; ich aber, ich werde dieses tun vor ganz Israel und vor der Sonne!

Armer König David! Hattest du’s nicht schon längst erfahren und gesagt: „Als ich schwieg, verzehrten sich meine Gebeine durch mein Gestöhn den ganzen Tag“ (Ps 32,3)? Nun dich die Sünde wieder in ihren Bann geschlagen hat, tust du das Gleiche, was du damals tatest und was alle Sünder tun. „Du hast es im Verborgenen getan“, sagt Gott und fährt fort: „Ich aber, ich werde dieses (Gericht) tun vor ganz Israel und vor der Sonne!“ Es ist sehr traurig, dass das Versagen eines Königs Gottes durch die Sünde immer Folgen hat in der Öffentlichkeit. Die dunkle Tat kann nicht ungeschehen gemacht werden. Aber sie kann vergeben werden vor Gott und Menschen.

2Sam 12,13: Da sprach David zu Nathan: Ich habe gegen den HERRN gesündigt. Und Nathan sprach zu David: So hat auch der HERR deine Sünde hinweggetan, du wirst nicht sterben.

Das sagt die Schrift unerhört einfach und erschütternd gewaltig. In dieser Stunde Gottes gibt es kein läppisches Examinieren, ob die Beugung und das Bekenntnis wirklich echt sind. Wo Gott so fühlbar eingreift, kann es keine Phrasen geben. Da gibt es nur echte Beugung und vollmächtige Vergebung. Damit könnten wir diese David-Geschichte schließen. David hat bekannt und Gott hat vergeben. Was könnte nun noch fehlen? Nein, nun fehlt wirklich nichts mehr. Und doch schließt Gottes Wort diese Geschichte noch nicht ab.

2Sam 12,14: Nur weil du den Feinden des HERRN durch diese Sache Anlass zur Lästerung gegeben hast, so soll auch der Sohn, der dir geboren ist, gewisslich sterben.

Das hat wohl jeder König Gottes erfahren, der in Sünde fiel, dass er bei aller Freude der Vergebung oft ein ganzes Leben lang an den Folgen seiner Tat tragen musste. Aber nun ist das ein anderes Tragen. Nun ist es nicht mehr die Last der Sünde, die das Gewissen beschwert und das Leben unfruchtbar macht. Nun ist es eine Last Gottes, die uns näher zu Gott bringt und die uns innerlich stark macht.

2Sam 12,15.16: Und Nathan ging nach seinem Haus. Und der HERR schlug das Kind, welches die Frau Urijas dem David geboren hatte, und es wurde todkrank. 16 Und David suchte Gott um des Knaben willen; und David fastete und ging hinein und lag über Nacht auf der Erde.

Und der König, der ehedem auf seinem Lager schlief und satt auf dem Dach seines königlichen Hauses wandelte, „fastete und … lag über Nacht auf der Erde“. Gesegnete Könige, die am Boden liegen und bei aller Freude der Vergebung fasten und bei allem Wissen um ihre hohe Stellung bekennen, dass sie jeden Tag neu der vergebenden Gnade Gottes bedürfen. Und das nicht allein. Aus dem schlafenden und satten König war nun wieder ein Kämpfer geworden, der priesterlich-königlich um sein sterbendes Kind rang.

2Sam 12,17.18: Und die Ältesten seines Hauses machten sich zu ihm auf, um ihn von der Erde aufzurichten; aber er wollte nicht und aß kein Brot mit ihnen. Und es geschah am siebten Tage, da starb das Kind. Und die Knechte Davids fürchteten sich, ihm zu berichten, dass das Kind tot sei; denn sie sprachen: Siehe, als das Kind noch am Leben war, haben wir zu ihm geredet, und er hat nicht auf unsere Stimme gehört; und wie sollen wir nun zu ihm sagen: Das Kind ist tot? Er würde etwas Übles tun.

Aber am siebenten Tag starb das Kind. „Und die Diener Davids fürchteten sich, ihm zu berichten, dass das Kind tot sei.“ Sie meinten, der König würde sich ein Leid antun. Sie ahnten noch nichts von dem, was im Innern dieses unberechenbaren Königs, vor dem ein Joab zitterte, vorgegangen war. Sie fürchteten, er würde zerbrechen unter der Schwere des Schicksalsschlages und sich oder ihnen in seiner inneren Haltlosigkeit etwas antun.

2Sam 12,19-22: Und David sah, dass seine Knechte sich zuflüsterten; da merkte David, dass das Kind tot war; und David sprach zu seinen Knechten: Ist das Kind tot? Und sie sprachen: Es ist tot. Da stand David von der Erde auf und wusch und salbte sich und wechselte seine Kleider, und ging in das Haus des HERRN und betete an; und er kam in sein Haus und forderte, dass man ihm Speise vorsetze, und er aß. Da sprachen seine Knechte zu ihm: Was ist das für ein Ding, das du tust? Als das Kind lebte, hast du um seinetwillen gefastet und geweint, und wie das Kind tot ist, stehst du auf und isst? Und er sprach: Als das Kind noch lebte, habe ich gefastet und geweint, weil ich dachte: Wer weiß, ob der HERR mir nicht gnädig sein wird, dass das Kind am Leben bleibt?

Aber nun wird das Wunder seiner Wandlung offenbar. Er ist stark genug, die Wahrheit zu hören, steht auf und verlangt zu essen. Da ist kein haltloses Zerbrechen und kein ungeistliches Versenken in Schmerz und Trauer. Da ist kraftvolles Aufrichten und Stehen.

2Sam 12,23: Nun es aber tot ist, warum sollte ich denn fasten? Vermag ich es wieder zurückzubringen? Ich gehe zu ihm, aber es wird nicht zu mir zurückkehren.

Und am Ende findet das Auge über die Not des Augenblicks hinweg dorthin, wohin der Tod nur das dunkle Tor ist für alle, die um ihre Sünde und Gottes Vergebung wissen. „Ich gehe zu ihm, aber es wird nicht zu mir zurückkehren.“ Dann hat Gott sein Ziel erreicht, wenn durch den Glaubensblick das Leuchten der Ewigkeit in ein Herz fällt, das bis dahin von diesseitigen Dingen erfüllt war. Das sind gesegnete Menschen, die in der Stunde der „Heimsuchung“ wirklich „heimfinden“. Das sind wirklich Könige, die in der Trauer des Todes stark sind und über den Tod triumphieren mit der Wirklichkeit der Hoffnung des ewigen Lebens. Immer ist eine Begegnung mit ihnen ein Geschenk Gottes, das uns reich macht. Aber wir begegnen auch solchen, die unter dem Leid so zerbrochen sind, dass sie sich nicht mehr wieder aufrichten können; die sich vergraben in ihr Leid und die sich nicht trösten lassen wollen. Gewiss spielt da die Frage der seelischen Veranlagung eine große Rolle. Wir müssen mit einem Urteil über solche leidgebeugten Geschwister besonders vorsichtig und doppelt liebevoll sein. Wir wagen aber doch den Schluss, dass oft auch da eine ernste Selbstprüfung nötig ist, ob sich nicht im tiefsten Grunde eine David-Geschichte dahinter verbirgt. Alles Trösten, aller geistlicher Zuspruch und erst recht alle „Psychotherapie“ müssen versagen, solange diese Wurzel nicht gefunden und ausgerottet wird. Dann aber ist der Sieg da. Dann können solche Menschen, an denen jeder Trost versagte, auf einmal andere trösten.

2Sam 12,24a: Und David tröstete Bathseba, seine Frau, und ging zu ihr ein und lag bei ihr.

„Bist du einst zurückgekehrt, so stärke deine Brüder“ (Lk 22,32). Das ist die Linie Gottes. Wir Menschen haben oft eine andere Linie. Wir sind einem Bruder gegenüber, der in Sünde fiel und wieder zurechtkam, gern etwas vorsichtig, abwartend, um nicht zu sagen misstrauisch. Bewusst oder unbewusst behält ein Menschenkind bei uns einen Makel, obwohl wir ihm vergeben haben. Sicherlich gibt es eine göttliche Vorsicht. Aber die Bewährungsfristen, die wir Menschen in solchen und vielen anderen Fällen unserer Versammlungspraxis und unseres Zusammenlebens einschalten, sind oft Sicherungen, die nichts mit der göttlichen Linie zu tun haben, so geistlich wir sie mit unserer „Verantwortlichkeit“ verbrämen mögen. Gottes Gnadenhände formen oft gerade durch den Fall ein besonderes Werkzeug zu seiner Ehre, um seine Gemeinde zu stärken und zu trösten. Dafür sollten wir offen sein. Ich kenne Fälle, in denen Brüder, die ausgeschlossen werden mussten, aber nach aufrichtiger Beugung wieder zurechtkamen, nach Jahr und Tag noch zurückstehen müssen. Sobald sie sich nur irgendwie einmal in der Versammlung hören lassen, werden sie wieder an die alte Sache von damals erinnert und gebeten, auf die Gefühle der Geschwister Rücksicht zu nehmen. Ob nicht dem Volk Gottes durch solches Verhalten mancher Segen verlorengeht?

2Sam 12,24,b: Und sie gebar einen Sohn, und er gab ihm den Namen Salomo. Und der HERR liebte ihn.

Von David geht jedenfalls nun ein Segensstrom aus. Den Sohn, den Gott ihm schenkt, nennt er Salomo – „der Friedlich“. Und Gott bekennt sich dazu. „Der HERR liebte ihn.“

2Sam 12,25: Und er sandte durch Nathan, den Propheten, und gab ihm den Namen Jedidjah, um des HERRN willen.

David übergibt den jungen Salomo bald „der Fürsorge des Propheten Nathan, der ihm den Namen Jedidjah gibt – Geliebter des HERRN“. Das ist ein liebliches Bild. Seine hervorstechendsten Züge sind der Friede und die Liebe Gottes. Und welch feines Vertrauensverhältnis entsteht nun zwischen den beiden Männern, David, dem König, und Nathan, dem Propheten. Wie segensreich wirkte sich das für die Erziehung Salomos aus und eben dadurch für das ganze Volk Gottes! Diesem Bild des Friedens, der Liebe und des Vertrauens fügt Gott das schöne Wort hinzu: „um des HERRN willen“. Die Bibel ist doch ein rechtes Wunder. Manchmal stehen wir fast vor jedem Wort mit neuer Freude und Anbetung. Wie fein zeigt uns Gottes Finger hier mit einer kurzen Bemerkung die ganze große Wendung in dieser Geschichte! „Um des HERRN willen!“ War nicht gerade da die Not aufgebrochen, als der König David nicht mehr nah „des HERRN willen“ fragte, sondern eigenwillig daheimblieb und ruhte? Hätte er damals „um des HERRN willen“ gehandelt, dann wäre er ausgezogen zur Zeit, wann die Könige ausziehen. Dann wäre ihm viel Leid und dem Namen des HERRN viel Lästerung erspart geblieben. Aber das war nun vorüber.

Mit seinem Bekenntnis und mit Gottes Vergebung ist ein ganz großer Neuanfang in Davids Leben gekommen, und nichts könnte die neue Lage besser kennzeichnen als dieser kleine Zusatz Gottes: „Um des HERRN willen!“ Alles geschieht jetzt „um des HERR willen“. Und ebendeshalb wird nun lauter Segen und lauter Sieg daraus.

2Sam 12,26-31: Und Joab stritt wider Rabba der Kinder Ammon, und er nahm die Königsstadt ein. Und Joab sandte Boten zu David und ließ ihm sagen: Ich habe wider Rabba gestritten, habe auch die Wasserstadt eingenommen; und nun versammle das übrige Volk und belagere die Stadt und nimm sie ein, dass nicht ich die Stadt einnehme und sie nach meinem Namen genannt werde. Da versammelte David alles Volk und zog nach Rabba, und er stritt wider dasselbe und nahm es ein. Und er nahm die Krone ihres Königs von seinem Haupt; ihr Gewicht war ein Talent Gold, und Edelsteine waren daran; und sie kam auf das Haupt Davids. Und die Beute der Stadt brachte er hinaus in großer Menge. Und das Volk, das darin war, führte er hinaus und legte es unter die Säge und unter eiserne Dreschwagen und unter eiserne Beile und ließ sie durch einen Ziegelofen gehen. Und also tat er allen Städten der Kinder Ammon. Und David und das ganze Volk kehrten nach Jerusalem zurück.

Als Joab, der noch immer mit seinen Soldaten vor Rabba liegt, neues Vertrauen zu seinem königlichen Oheim fasst und um Verstärkung bittet, kennt David kein Zögern mehr. Er zieht mit dem Volk aus und nimmt Rabba ein. Die Krone des feindlichen Königs kommt auf sein Haupt, und an den Feinden des HERRN vollstreckt er ein vollmächtiges Gericht. Siegreich kehrt David mit dem Volk nach Jerusalem zurück. So endet diese David-Geschichte, die so traurig begann, mit Sieg und Freude!

Wir sollten, meine Brüder, die Geschichte nicht beiseitelegen, ohne zu bekennen, dass in unserem Leben und in unserem Versammlungsleben und im Leben des Volkes Gottes überhaupt viel beschämende Kraftlosigkeit und wenig Siegesfreude ist. Ich denke, dass wir eine solche Feststellung im Licht dieser Geschichte auf den einfachen Nenner bringen können, dass wir zu wenig nach dem Willen Gottes fragen; wir leben eigenwillig, so sehr wir versichern mögen, nur den Willen des Herrn tun zu wollen. Wir sind bekehrt, lesen die Bibel, beten und gehen in die Versammlung; es wäre möglich, dass wir sogar in der Versammlung dienen und eine staunenswerte „Erkenntnis“ besitzen. Und doch verbirgt sich hinter all dem der Eigenwille, und all unser frommes Tun geschieht nicht „um des Herrn willen“. Es dreht sich alles nur, uns unbewusst, um unser „Ich“. Wir ahnen nicht, wie sich in diesem Kampf unser „Ich“ tarnen kann, so dass wir selber gar nicht merken, wie eigenwillig wir sind. Wir müssen immer wieder Gott bitten, dass Er uns zeigt, wer wir wirklich sind. Und dann müssen wir allerdings auch rückhaltlos bereit sein, unseren Willen daranzugeben, um den Willen Gottes zu tun, der oft ganz anders ist als unsere frommen Wünsche und Meinungen. Wenn wir einmal wirklich ernst machen, uns im Licht Gottes zu prüfen, werden wir staunen und uns schämen, wie wenig wir in Wirklichkeit nach dem Willen Gottes gefragt haben. Aber der Weg zur Selbsterkenntnis ist sehr schwer, und Satan setzt alles daran, uns auf dem Weg des Selbstgerichts aufzuhalten, denn er weiß, dass es der einzige Weg ist zum Sieg und zur Freude. Wenn wir das fromme Pharisäertum sehen, das sich weithin im Volk ausgebreitet hat, möchten wir mutlos werden. Dann meinen wir, dass wohl noch viele Könige Gottes den bitteren Weg dieser David-Geschichte gehen müssen, bis sie lernen, ihren Eigenwillen aufzugeben und alles zu tun „um des Herrn willen“.

Und nun sagen wir es uns noch einmal, meine Brüder! Die Zeit der Gnade geht zu Ende. Alle im Volk Gottes wissen, dass die Uhr Gottes ausholt zum letzten Glockenschlag. Gott will, dass wir jetzt endlich ausziehen. Wir müssen uns entscheiden, ob wir ausziehen wollen in heiliger Einsatzbereitschaft, einer gerichtsreifen Welt den Herrn Jesus Christus zu verkünden, oder ob uns unsere Wünsche und Bequemlichkeiten, unsere Meinungen und Gewohnheiten, unsere Traditionen und internen Angelegenheiten wichtiger sind. Dann dürfen wir uns allerdings nicht wundern, wenn die Sache nach der Weise dieser David-Geschichte abläuft.

Wenn wir aber endlich willens werden, nach nichts anderem mehr zu fragen als nur nach dem Willen Gottes, dann wird unser Weg ein Triumphzug werden zur Ehre Gottes. Dann erst und nur dann werden wir wirklich Könige sein, Könige nach dem Herzen Gottes.


Originaltitel: „Wenn Könige schlafen“
aus Hilfe und Nahrung, 1976, S. 77–91

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