Praktische Lehren aus dem Buch Hiob (6)
Ernster Tadel

William Kelly

© CSV, online seit: 28.10.2005, aktualisiert: 18.12.2018

Leitverse: Hiob 34,1-9

Hiob 34,1-9: Und Elihu hob wieder an und sprach: Höret, ihr Weisen, meine Worte, und ihr Kundigen, gebet mir Gehör! Denn das Ohr prüft die Worte, wie der Gaumen die Speise kostet. Erwählen wir für uns, was recht, erkennen wir unter uns, was gut ist! Denn Hiob hat gesagt: Ich bin gerecht, und Gott hat mir mein Recht entzogen. Trotz meines Rechtes soll ich lügen; meine Wunde ist unheilbar, ohne dass ich übertreten habe. – Wer ist ein Mann wie Hiob, der Hohn trinkt wie Wasser und in Gesellschaft geht mit denen, die Frevel tun, und wandelt mit gottlosen Menschen? Denn er hat gesagt: Keinen Nutzen hat ein Mann davon, dass, er Wohlgefallen an Gott hat!

Elihu hat über die Wege gesprochen, die Gott mit dem Sünder zum Heil seiner Seele geht, und über die köstliche Frucht solcher Prüfungen. Er wendet dies nicht auf Hiob an – was auch nicht ganz richtig gewesen wäre –, sondern überlässt es seinem Freund, aus dem Gesagten selbst die Folgerungen für sein eigenes Leben und seine Umstände zu ziehen. Hiob konnte sich jetzt fragen, ob Gottes Ziel mit ihm vielleicht war, ihm als Frucht all der Leiden einen unvergänglichen Segen für seine Seele zu schenken.

In Kapitel 34 entfaltet Elihu die Wahrheit weiter. Das war sowohl für Hiob als auch für die Freunde nötig. Darum wendet er sich auch an sie alle (Hiob 34,2). Wir haben in dem Voraufgegangenen den Nachdruck auf die Worte der Gnade gelegt, die Elihu sprach. Es ist immer gesegnet und nach Gottes Gedanken, wenn ein Gläubiger in dem Gefühl der Gnade spricht. Aber die Ermahnung, die Gott in dieser Beziehung in Seinem Wort an uns alle richtet, geht weiter. Sie lautet: „Euer Wort sei allezeit in Gnade, mit Salz gewürzt, um zu wissen, wie ihr jedem einzelnen antworten sollt“ (Kol 4,6). Dem entsprach Elihu. Das Salz fehlte in seinen Worten nicht. Den ernsten Tadel, den Hiob reichlich verdient hatte, ersparte Elihu ihm nicht.

Aber er verfiel dabei nicht in die Fehler der drei Freunde. Er spricht Hiob nicht als einen „Ungerechten“ an und verliert sich nicht in Betrachtungen über Hiobs früheres Leben. Er nimmt nur die Worte, die Hiob vor ihren Ohren gesprochen hat, zum Ausgangspunkt. Und dann muss er voll schmerzlicher Verwunderung sagen: „Wer ist ein Mann wie Hiob?“ (Hiob 34,7). Wer solche aufrührerischen Worte gegen Gott auszusprechen wagt, wie Hiob es getan hatte – mochte er selbst auch, was seinen Wandel und seine Taten betraf, kein „Ungerechter“, kein „Gottloser“ sein –, der sollte sich doch Rechenschaft darüber geben, in welche Gesellschaft solche Worte ihn brachten (Hiob 34,5-8)! Es ist wahr, die Freunde hatten ihn gleichsam dazu herausgefordert, aber Hiob war viel zu weit gegangen. In seinem Eifer, sich ihren Beschuldigungen gegenüber zu rechtfertigen, hatte er Gott mit ebenso vielen Worten der Ungerechtigkeit beschuldigt. Er hatte sogar gesagt: „Keinen Nutzen hat ein Mann davon, dass er Wohlgefallen an Gott hat“ (Hiob 34,9). Er hatte der einseitigen Betrachtungsweise der Freunde, als ob das Böse auf Erden allezeit vergolten, das Gute immer belohnt werde, eine andere, nicht weniger einseitige Betrachtung gegenübergestellt und in seiner Bitterkeit in leichtfertiger Weise über die Wohlfahrt der Ungläubigen gesprochen (Hiob 21,13). Solche Äußerungen mussten auf das Verantwortungsgefühl anderer Gläubiger lähmend wirken, die Gottlosen aber geradezu bestärken. Es war eine Sprache, die sie gerne hörten, die aber einen aufrechten Gläubigen wie Elihu schmerzte.

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Originaltitel: „Praktische Lehren aus dem Buch Hiob. (7) Ernster Tadel“
aus Ermunterung und Ermahnung, Jg. 48, 1994, S. 45ff.

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